Knut Kibbel aus Bosau: Darum bin ich gerne Landarzt in Schleswig-Holstein

Nein, als Gegenentwurf zu profitorientierten Ärzten will er sich nun auch nicht beschreiben. Knut Kibbel, 41, früher Dorfkind, heute Landarzt, ist eher ein junger Allgemeinmediziner alter Schule. In seiner Hausarztpraxis in Bosau (Kreis Ostholstein) am östlichen Ufer des Großen Plöner Sees behandelt er ohne viel Technik – kein Ultraschallgerät, kein Langzeit-EKG. Dafür aber mit Blick auf Pferde. Und mit eigener großer Neugier auf Befunde und dem Anspruch, die gut 1200 bis 1500 Menschen, die sich ihm regelmäßig anvertrauen, medizinisch zu lenken: „Ich will alles wissen und alles zusammenführen. Das funktioniert auf dem Dorf noch gut.“ Wer zu Kibbel kommt, findet eine Praxis rund um einen Resthof vor, ein umgebautes altes Silo, Hühner gackern, „ein sehr zufriedenes Ambiente“ nennt Kibbel das. „Die Patienten stehen draußen und quatschen. Freude bringen sie mit rein, nicht den Frust des Alltags. Die Leute geben dir ganz viel zurück.“ Knut Kibbel duzt jeden, auch so eine Dorf-Eigenart. Er duzt seine Patienten, vom Handwerker bis zum Mehrfach-Millionär. Nebenan wohnt Kibbels Mutter, auf der anderen Seite seine Schwester. Sie hat gerade ein Baby bekommen, macht ihren Facharzt in Kibbels Praxis. Eine Arzt-Familie, so wirkt es, die die gewachsenen Strukturen auf dem Dorf schätzt und genießt. Lesen Sie auch So viel verdienen Ärzte im Norden an Privatpatienten Angst vor Corona: Einbruch bei Notfallbehandlungen hält in SH an Schleswig-Holstein will Corona-Isolation auf fünf Tage verkürzen Es gibt viele Gründe, warum Knut Kibbel Landarzt geworden ist – und das aus Leidenschaft, wie er auf seiner Internetseite schreibt: „Wir leben Landarzt in unserer Praxis.“ Ein Grund liegt auf der Hand: Die Praxis führte früher sein Vater, sie besteht seit gut 30 Jahren. Nach einem mittelmäßigen Abitur war Knut Kibbel auf der Suche nach seiner Berufung und entschied sich nach dem Zivildienst in Hamburg, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten: „Das kann ich auch. Das liegt mir.“ Landarzt in Bosau: Pendeln zwischen Stadt und Dorf: In Bochum studierte der Schleswig-Holsteiner, vor fünf Jahren übernahm er die Praxis in Ostholstein. 40 bis 50 Stunden arbeite er pro Woche, sagt Kibbel, dienstags vormittags hat er frei, abends ist auch mal eine Trainingseinheit im Fitnessstudio drin. Denn mit seiner Frau und den zwei Kindern (fünf und neun Jahre alt) lebt Kibbel in Lübeck – „meine Frau wollte nicht aufs Land.“ Also pendelt Kibbel eben. Er genießt die halbe Stunde Fahrt durch die Holsteinische Schweiz zur Praxis. Und wenn er die Tür hinter sich schließt, dann schließt er auch mit dem Arbeitstag ab. Knut Kibbel klingt zufrieden mit seiner Wahl: „Ich kann mir die Arbeit so gestalten, wie ich will, muss nicht jeden Patienten annehmen: Das kann ich die nächsten 30 Jahre machen, ohne selbst auszubrennen“, sagt der Hausarzt. Knut Kibbel: „Könnte auch ohne Privatpatienten“: Flexibilität, Lebensqualität, Dorf- und Stadt-Atmosphäre gleichermaßen, zufriedene Patienten, gutes Einkommen – all das spricht aus Kibbels Sicht dafür, eine eigene Praxis zu leiten, besonders auf dem Dorf: „Finanziell lukrativer bei überschaubarem Risiko. Wegen niedrigerer Kosten und einer höheren Fallzahl, geringerem Konkurrenzdruck als in der Stadt. Dort hätte ich Muffensausen.“ Privatpatienten indes, betont er, seien für seinen wirtschaftlichen Erfolg und das Bestehen der Praxis nicht maßgeblich: „Ich könnte auch ohne sie“. Der Facharzt für Allgemeinmedizin kennt die These der Privaten Krankenversicherer, nach der besonders niedergelassene Ärzte in ländlichen Regionen von Privatpatienten profitierten, hält sie aber nicht für überzeugend: „Der Anteil der Privatpatienten liegt bei mir bei zehn Prozent, und in dieser Höhe bewegt sich auch der Umsatz. Mein Steuerberater sagt mir immer, es seien zu wenige.“ Kibbel bekräftigt: „Für mich als Hausarzt sichern die Kassenpatienten meine Existenz. Schon gar nicht hängen wir am Tropf der Privaten Krankenkassen. Das ist eine unverschämte Behauptung.“ Bei Fachärzten hingegen könne es anders sein, gibt Kibbel zu bedenken. Landarzt aus Bosau: Meine reichen Patienten sind gesetzlich krankenversichert: Doch eines ist für den Arzt aus Bosau wichtig: „Ich behandele Privatpatienten genauso wie gesetzlich Versicherte.“ Sein Ansatz sei es nicht, einzelne Patienten danach zu beurteilen, wie viel Umsatz sie brächten, wie viel er herausholen könne. Lieber rechne er für sich einen Stundenlohn aus, „mit dem ich leben kann“. Den behält Kibbel allerdings für sich: „Betriebsgeheimnis.“ Aber er sagt geradeheraus: „Ich gehöre zu den Ärzten mit einem guten Salär. Reich werde ich damit aber nicht.“ Seine reichen Patienten seien indes nicht diejenigen mit der Privatversicherung, sondern überwiegend bodenständige Menschen mit bewusster Entscheidung für die gesetzliche. Hätte er die Wahl – Knut Kibbel würde jeden Privatpatienten gesetzlich versichern. Vielleicht auch, weil er neben finanziellen Vorteilen für Patienten, besonders in jungen Jahren, auch die Schattenseiten der privaten Krankenversicherung kennt: „Ich habe Patienten, die Probleme haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Die kriege ich zu keinem Facharzt mehr. Die Versorgung wird dann schlechter.“