Riesenerfolg für die Grünen bei der Europawahl in Schleswig-Holstein: Sie wurden im lange so konservativ geprägten Flächenland erstmals stärkste Kraft. Die Grünen holten 29,1 Prozent vor der CDU von Ministerpräsident Daniel Günther, die nach dem vorläufigen Landesergebnis nur 26,2 Prozent erreichte und damit schlechter abschnitt als die Union im Bund. Vor fünf Jahren waren es noch 34,4 Prozent gewesen. Die SPD brach von 31,9 auf 17,1 Prozent ein.
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Liveblog: Reaktionen auf die Europawahl aus Schleswig-Holstein
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- Die Grünen sind in Schleswig-Holstein erstmals stärkste Kraft geworden. Mit 29,1 Prozent der Stimmen verwiesen sie die CDU auf den zweiten Platz.
- Die Wahlbeteiligung (Stand 00.14 Uhr) in Schleswig-Holstein lag bei 59,8 Prozent. Zum Vergleich: 2014 hatten nur gut 43 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben.
- In Schleswig-Holstein waren 2,272 Millionen Bürger wahlberechtigt.
- CDU-Spitzenkandidat Niclas Herbst (46) wurde ebenso in das EU-Parlament gewählt wie die Juso-Bundesvize Delara Burkhardt (26) auf Platz 5 der SPD-Bundesliste und der Grünen Rasmus Andresen (33) auf Platz 16 der Bundesliste.
Mit der Niederlage der CDU gegen die Grünen bei der Europawahl in Schleswig-Holstein hat Ministerpräsident Daniel Günther nicht gerechnet. "Ich bin viel optimistischer da reingegangen", sagte der Landesvorsitzende der Nord-CDU am Montag in Kiel. "Ich hätte das nicht geglaubt. Darauf vorbereitet bin ich nicht gewesen." Die Wahlziele, stärkste Kraft im Norden und stärkster CDU-Landesverband zu werden, habe die Nord-CDU nicht erreicht, räumte Günther vor einer Sitzung des CDU-Landesvorstands ein.
Im Norden war die CDU am Sonntag von 34,4 auf 26,2 Prozent abgesackt und damit hinter die Grünen gerutscht, die mit 29,1 Prozent stärkste Kraft wurden. Im Bund fiel die Union auf 28,9 Prozent zurück. Der Union sei es insgesamt nicht gelungen, positive, in die Zukunft gerichtete Themen zu setzen.
Von der Bundesregierung fordere er in der Energiepolitik, die Dinge umzusetzen, die im Koalitionsvertrag stehen, sagte Günther. Genügend Bekenntnisse gebe es auf Bundesebene. «Jetzt wollen wir schlicht Taten sehen.» Die Menschen erwarteten, dass sich die Bundesregierung um die großen Themen wie Klimaschutz kümmert. Auch das Land habe in den vergangenen Jahren nicht genug für den Klimaschutz getan, sagte Günther. Im Blick auf die Jamaika-Koalition in Kiel habe er keine Zweifel, dass die gute Zusammenarbeit bestehen bleibe.
Nach dem Sieg der Grünen bei der Europawahl in Schleswig-Holstein hat der SSW den einstigen Koalitionspartner aufgefordert, CDU und FDP auf einen klimafreundlichen Kurs zu bringen. „Sonst wird das nichts mit der Energiewende in Schleswig-Holstein“, sagte der SSW-Landesvorsitzende Flemming Meyer am Montag. Bisher falle die umwelt- und klimapolitische Bilanz der Jamaika-Koalition eher bescheiden aus.
So sei der Ausbau der Windenergie im Stillstand, sagte Meyer. Bei der Regionalplanung würden naturschutzrechtliche Belange ebenso ausgeklammert wie bei öffentlichen Ausschreibungen. „Durch das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel soll künftig amerikanisches Fracking-Gas fließen“, nannte Meyer als weiteren Kritikpunkt.
Die Grünen hätten im Europawahlkampf konsequent die Klimakarte gespielt und sich so als stärkste politische Kraft in Schleswig-Holstein von der Konkurrenz abgesetzt. Mit der Wählergunst gehe aber auch eine Bringschuld einher. „Die Wählerinnen und Wähler erwarten zu recht, dass die Grünen jetzt auch liefern.“
Als Konsequenz aus der Niederlage bei der Europawahl sollte die Nord-CDU nach Ansicht von Peter Harry Carstensen vor allem auf mehr Bürgernähe setzen. „Politik muss mehr zu den Menschen hingehen“, sagte der frühere Ministerpräsident und Ehrenvorsitzende der Nord-CDU am Montag.
„Ich habe früher mal gesagt „Politiker brauchen nicht nur einen Hintern zum Sitzen bei den Sitzungen. Sie brauchen im Wesentlichen Augen und Ohren. Mir fehlen die Ohren. Mir fehlt das Ohr an der Bevölkerung.“ Das sei früher besser gewesen, sagte Carstensen.
Nach ihrem fulminanten Wahlsieg bei der Europawahl in Hamburg setzt sich der Erfolgstrend der Grünen nach ersten Ergebnissen auch bei den Bezirksversammlungswahlen fort. Vier Stunden nach Beginn der Auszählung lagen sie am Montag um 12.00 Uhr bei hamburgweit 30,2 Prozent, wie Landeswahlleiter Oliver Rudolf mitteilte. Das wäre ein Plus von 12 Prozentpunkten gegenüber den vorangegangenen Bezirkswahlen, bei denen die Partei 18,2 Prozent der Stimmen erhalten hatten.
Das Ergebnis der Europawahl wird nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Wilhelm Knelangen wahrscheinlich das Klima in der Kieler Jamaika-Koalition beeinflussen. Es sei bei der Wahl indirekt auch um Schleswig-Holstein gegangen, sagte Knelangen am Montag der Deutschen-Presse-Agentur. Die Grünen hätten sehr, sehr stark abgeschnitten. "Das wird sich sicherlich auf das Klima in der Koalition auswirken." Die Grünen hatten im Land mit 29,1 Prozent die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther auf Platz zwei verdrängt. Die Christdemokraten schafften nur 26,2 Prozent.
"Die Grünen stehen jetzt vor der Frage, ob sie sich möglicherweise um ganz andere Dinge bewerben, als es in der Vergangenheit der Fall war", sagte Knelangen. "Beispielsweise werden jetzt sicherlich Überlegungen angestellt, ob sie nicht auch eine Regierung führen können." Die SPD, die von 31,9 auf 17,1 Prozent abstürzte, sei in einer historischen Schwächephase.Die Ergebnisse, auch in ländlicher strukturierten Wahlkreisen, zeigten deutlich, dass die Grünen sich in einem Allzeithoch befinden, sagte der Kieler Politikwissenschaftler. "Und das weckt in der Regel auch Fantasien." Die Grünen könnten jetzt selbstbewusster auftreten, etwa im koalitionsinternen Konflikt um den Ausbau der Windenergie. Die Grünen wollten den Ausbau in den Vordergrund stellen, CDU und FDP dagegen die Rücksichtnahme auf die Menschen, die in der Nähe von Windkraftanlagen leben.
Bei der Europawahl hat die CDU in Schleswig-Holstein nicht nur erhebliche Stimmenverluste eingefahren. Der CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Daniel Günther verfehlte auch weit das von ihm vor der Wahl verkündete Ziel, mit Abstand stärkster Landesverband seiner Partei zu werden. 26,2 Prozent reichten im parteiinternen Rennen nur für den sechsten Platz. Davor rangierten die Landesverbände im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Schleswig-Holstein ist im neuen EU-Parlament zum ersten Mal mit vier Abgeordneten vertreten. Dies geht aus dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters hervor. Mandate holten demnach Niclas Herbst von der CDU, die Sozialdemokratin Delara Burkhardt, der Grüne Rasmus Andresen und der Pirat Patrick Breyer.
Herbst (46) schaffte es als Spitzenkandidat der Nord-CDU, Burkhardt (26) auf Platz 5 der SPD-Bundesliste und Andresen (33) auf Platz 16 der Bundesliste seiner Partei. Für Breyer (42), Ex-Landtagsfraktionschef der Piraten im Norden, wurde es eine Zitterpartie bis in die späte Nacht hinein. Die Piraten holten 0,7 Prozent der Stimmen, und das reichte für ihn als Spitzenkandidat seiner Bundespartei. Zur Europawahl gibt es keine Sperrklausel. Bisher war Schleswig-Holstein im Europaparlament maximal mit drei Abgeordneten vertreten.
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Von KN-online