Masken zum Schutz vor Corona verschollen: Ärzte aus SH schlagen Alarm

Alle Artikel zur persönlichen Schutzausrüstung (PSA) seien aktuell Mangelware, bestätigt Oliver Grieve, Sprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Allein dort werden campusübergreifend täglich mehr als 1000 Atemschutzmasken benötigt. Und das könnte sich mit der zunehmenden Zahl an Corona-Infizierten noch erhöhen. Im Städtischen Krankenhaus Kiel reichen FFP-2-Masken und Schutzkleidung „noch zwei Wochen“, sagt eine Sprecherin. FFP-3 Masken seien allerdings derzeit nicht zu bekommen. „Bisher ist leider auch das von der Bundesregierung angekündigte Material noch nicht eingetroffen. Wir bekommen aber aus der Notreserve des Landes Schleswig-Holstein Nachschub.“ Man erwarte und sei auch zuversichtlich, dass „die Politik alle Hebel in Bewegung setzt, um die für alle Kliniken dringend notwendigen Schutzmasken zur Verfügung stellen zu können“. Hermann Bölting, Geschäftsführer der Klinik Preetz, sagt offen: „Die Schutzausrüstung ist ein ganz großes Problem. Beim Schutzmaterial gehen unsere Vorräte zur Neige. Das ist eine große Sorge, die wir haben.“ Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) in Bad Segeberg wird von Arztpraxen bestürmt, die dringend Schutzausrüstungen und vor allem FFP-Masken benötigen. „In der Nacht zu Mittwoch sind hier 14.000 Masken eingetroffen“, sagt Nikolaus Schmidt von der KVSH. Man habe eine Bereitschaft eingerichtet, damit auch nachts und am Wochenende das Material sofort umgepackt und an die Kreisstellen verteilt werden kann. „Wir sitzen auf heißen Kohlen, denn die Lieferung reicht ja nicht annähernd.“ Die KVSH habe 100.000 Masken unter „Eilt sehr“ bestellt und warte nun auf weitere Lieferung – wohl wissend, dass bei 4600 niedergelassen Ärzten selbst die 100.000 Masken nur vorübergehend reichen. Kittel statt Schutzanzüge gegen Corona: "Unzumutbares Risiko": In Hamburg droht mangels Schutzausrüstung bereits ein kurzfristiges Ende des Arztrufs. „Wenn bis zum Wochenende keine weitere Schutzausrüstung in Hamburg eingeht, kann der Arztruf Hamburg nicht weiter arbeiten.“ Auch die Führungskraft eines Rettungsdienstes befürchtet eine akute Mangelsituation. „Noch haben wir keine großen Fallzahlen. Aber im Laufe der kommenden Woche werden die Zahlen der Erkrankten steigen und damit die Corona-Transporte. Unsere PSA werden dann sehr schnell aufgebraucht sein, und wir wollen nicht in Kitteln Corona-Patienten transportieren.“ Genau das habe aber das Robert-Koch-Institut empfohlen: „Sind keine Vollschutzanzüge mehr vorhanden, sollen wir flüssigkeitsdichte Kittel nehmen. Doch damit sind Hals, Haar und Teile des Gesichts frei. Ich halte das für ein unzumutbares Risiko.“ Das Coronavirus sei offiziell in die Gefährdungsklasse 3 eingestuft wurden. Damit seien auch Schutzmaßnahmen der Stufe 3 erforderlich – und das bedeute Vollschutzanzüge. Auch Christian Kühn, Sachverständiger für das Gesundheitswesen aus Bovenau bei Rendsburg, kritisiert eine mangelnde Vorsorge des Staates. „Die Bundesregierung und die Länder haben ihre eigenen Pandemie-Pläne und auch die Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nicht befolgt. Sie hätten Reserven an persönlicher Schutzausrüstung für die Einrichtungen der kritischen Infrastruktur – etwa Kliniken und Rettungswesen – vorhalten müssen.“ Geschäftemacher nutzen den Mangel aus: Weil 90 Prozent der Sicherheitsausrüstungen in China produziert würden, sei die Mangelsituation in Deutschland absehbar gewesen. „Das Bundesgesundheitsministerium wurde bereits Anfang Februar gewarnt, dass in vielen Rettungsdiensten die PSA zu Ende geht“, sagt Kühn, der als staatlich geprüfter Sicherheitsingenieur in Krisenstäben von Rettungsdiensten und Gesundheitsunternehmen sitzt und dort die Probleme hautnah miterlebt. Er fordert, dass die Bestände, die die Bundesregierung über Hauptzollamt und Bundeswehr auf dem Markt hat aufkaufen lassen, zügig an Rettungsdienste und andere relevante Gesundheitseinrichtungen verteilt werden. Das fordert auch der Zeuge, der seit 30 Jahren im Rettungsdienst tätig ist. „Es geht nicht nur um die persönliche Schutzausrüstung. Längst sind Decken, Laken, Einweg-Beatmungsartikel und Desinfektionsmittel ein Problem.“ Das würden immer mehr Geschäftemacher ausnutzen. „Zunehmend kaufen Zwischenhändler Bestände auf und bieten sie den Kliniken überteuert an. Da werden jetzt Preise um 400 bis 500 Prozent über den Vor-Corona-Zeiten verlangt.“ Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. 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