Polizei SH unter Corona: Weniger Einsätze, trotzdem gleiche Überstunden

Klar scheint eines: Corona drückt die Zahl der Verbrechen. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) hat diese Woche bereits genaue Bilanzen für 2020 verkündet. In der Hansestadt gingen die Einbrüche um 20 Prozent zurück, Kleindiebstähle gar um 25 Prozent. Die schleswig-holsteinischen Behörden wollen vor der offiziellen Kriminalstatistik von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im März keine Zahlen herausgeben. Lesen Sie auch: Corona macht Wohnungen in Kiel sicherer Das Landeskriminalamt räumt auf Nachfrage aber ein: Seit März vergangenen Jahres sind die Einbruchszahlen in Schleswig-Holstein deutlich zurückgegangen. Zunächst sanken auch die Zahlen häuslicher Gewalt – am Jahresende stiegen sie jedoch wieder. Klar sei aber: 2020 wurde in Schleswig-Holstein insgesamt weniger häusliche Gewalt als im Vorjahr gemeldet. Auch die Unfallzahlen sanken. Gewerkschaften sehen ruhige Einsatzlage: Nichts zu tun also für die Ordnungshüter? Das will das Landespolizeiamt nicht so stehen lassen. "Einsatztaktische Schwerpunkte" hätten sich verschoben, formuliert Sprecher Marcel Schmidt. Die Gewerkschaften werden deutlicher: "Es ist ja kein Geheimnis, dass die Einsatzlage insgesamt eher ruhig ist", sagt Torsten Gronau, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er nennt nur ein Beispiel: "Im Hamburger Randgebiet wäre jetzt die Hochphase der Einbrecher." Doch Homeoffice und Lernen auf Distanz verhindern die Taten. Großeinsätze fielen aus: Auch andere personalintensive Einsätze fielen schlicht weg. Beispiel Kiel: Keine Konzerte, keine echte Kieler Woche, kein Weihnachtsmarkt, keine Fans bei Holstein-Spielen. Da drängt sich die Frage auf, ob die Polizei die Gelegenheit nutzen konnte, um ein ganz anderes Problem zu lösen. Lesen Sie auch: Rekord: Mehr als 500.000 Überstunden Mehr als 500.000 Überstunden haben sich laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) angesammelt. Dieser Berg wurde aber auch durch Corona nicht kleiner. Die Herausforderungen seien nun schlicht andere, erklärt Landespolizeisprecher Schmidt. Die Arbeit sei umstrukturiert worden, es herrsche Maskenpflicht, die Kernarbeitszeiten seien ausgedehnt worden. Gewerkschaften fordern mehr Homeoffice: Schmidt verweist auch auf die 600 Beschäftigten, die täglich im Homeoffice sind. Angesichts von 9000 Mitarbeitern in der Landespolizei ist die Zahl jedoch überschaubar. Die flexible Heimarbeit sei ausbaufähig, finden die Gewerkschaften. "Aktuell fährt die Landespolizei den Kurs: Es ist wenig von zu Hause aus zu erledigen." Das sei nicht zeitgemäß, sagt Torsten Jäger, Landeschef der GdP. Gronau kritisiert: "Beim Homeoffice hängen wir hinterher – und das als Teil der Verwaltung." Bei Vorgesetzten herrsche die veraltete Auffassung: "Polizeiarbeit ist nichts, was am Küchentisch erledigt werden kann." Aus Sicht der Gewerkschafter hat Corona aber auch Mehrarbeit beschert. Viele Extra-Streifen kontrollieren die Regeln. Gronau: "Die Menschen zeigen weiter Verständnis, aber reagieren gereizter." Hat Corona zu einer Übersterblichkeit geführt? Neues Anmeldeverfahren zur Impfung: Leitungen waren dicht Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Streit um Großeinsatz in Flensburg: Allerdings gab es auch intern gereizte Reaktionen. So entbrannte ein offener Streit um einen der wenigen geplanten Großeinsätze in Flensburg zum Jahreswechsel. Als der von Aktivisten besetzte Bahnhofswald geräumt werden sollte, protestierte die GdP. Angesichts des Virusgeschehens sei ein solches Manöver unverantwortlich. Schließlich wurde der Amtshilfe-Einsatz von Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) abgesagt. Im Nachhinein beeilten sich GdP und Innenministerium zu betonen, die Landespolizei sei stets einsatzbereit. Die Pandemie verändert nun einmal alles. Die Überstunden aber bleiben.