SPD-Fraktionschef Stegner zur Bürgerschaftswahl in Hamburg

Herr Stegner, Hand aufs Herz: Schauen Sie neidisch auf Hamburg? Ralf Stegner: Nein, Hamburg ist unsere Hochburg. Wenn wir dort ein gutes Ergebnis haben, motiviert das alle anderen. Es führt auch zu positiven Effekten in unseren Wahlkreisen am Hamburger Rand. Worin bestehen die Effekte? Die Menschen sehen eine erfolgreiche Regierung und orientieren sich oft mehr an Hamburg und weniger an Kiel. Wenn die SPD dort gut ist, profitiert davon auch die SPD Schleswig-Holstein. Wir haben eben nicht nur Kiel, Lübeck und den Norden, sondern auch viele Wählerinnen und Wähler am Hamburger Rand. Um die müssen wir uns ebenfalls kümmern. Großes Dossier: Alles zur Bürgerschaftswahl in Hamburg lesen Sie hier Ist Schleswig-Holsteins SPD zu links? Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Zu meinen, man könnte andere kopieren, ist immer falsch. Es gibt aber viele Gemeinsamkeiten: Die Hamburger SPD hat sich sehr stark für gebührenfreie Bildung in den Kitas eingesetzt, das tun wir auch. Sie investiert massiv in bezahlbares Wohnen – auch das wollen wir. Dass aber eine Partei, die jahrzehntelang in Hamburg regiert, eine engere Verflechtung mit der Wirtschaft hat und es insofern in der Klientel mit einer desolaten CDU ein bisschen leichter hat als die schleswig-holsteinische SPD, das muss man schon sagen. Aber man kann lernen: Erstens: Gute Regierungsarbeit zahlt sich immer aus. Zweitens: Man kann eine sozialökologische Politik auch im Wettbewerb mit den Grünen machen, ohne dass das insgesamt für ein progressives Lager von SPD, Grünen und Linke zum Nachteil gereicht. In Schleswig-Holstein würde ich statt auf die Linken auf den SSW setzen. Und viertens: Die SPD ist und bleibt das verlässlichste Bollwerk gegen rechte Hetze. Früher hieß es, dass man Wahlen nur in der Mitte gewinnt. Da zitiere ich mal Björn Engholm: In der Mitte ist es so eng, dass kaum noch Stehplätze vorhanden sind. Ich kann die Mitte nicht damit definieren, was die IHK richtig findet oder die CDU so festlegt. Mitte ist nichts Statisches, sondern dass man für die Themen, die die Menschen interessieren, vernünftige und praxistaugliche Antworten findet. Die SPD hat einen Hamburg-Wahlkampf geführt. Wir werden mit Sicherheit einen Schleswig-Holstein-Wahlkampf machen. Die Landesvorsitzende Serpil Midyatli hat darauf hingewiesen, dass die Lage in Schleswig-Holstein so wechselhaft sei wie noch nie. Wie lange braucht die Nord-SPD, um sich zu erholen? Bis zur nächsten Landtagswahl sind es noch über zwei Jahre. Deshalb kann man noch überhaupt nicht einschätzen, wie die Lage dann ist. Und so schlecht sind wir hier nicht aufgestellt. Wir sind die seriöse Oppositionspartei und erkennbar die Alternative zur zerstrittenen Jamaika-Koalition und dem, was die Regierung daraus macht. Wir müssen auf dem Platz sein, wenn der Wahlkampf beginnt – ein paar Monate vor der Wahl. Wer allzu früh beginnt, der begeht einen Fehler. Die CDU hat in Schleswig-Holstein einen sehr beliebten und starken Ministerpräsidenten, der auch ein Bollwerk gegen Rechts ist. Macht das die Lage für die SPD schwieriger? Nein, im Kampf gegen die rechten Demokratiefeinde ist die SPD das Original. Man darf Herrn Günther nicht unterschätzen, aber die letzte Umfrage hat gezeigt, dass es sehr viel Günther-Effekt nicht gibt. Gäbe es den, müsste die Union deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen. Zudem hat Daniel Günther auch in der Bundes-CDU deutlich weniger zu melden, als man meinen könnte. Und die Landes-CDU ist konservativer als das, was er sagt. Wenn er Bodo Ramelow lobt, knirscht es im Gebälk. Lesen Sie auch: Günther fordert CDU-Parteitag weit vor Sommerpause Sie sprechen von „progressiven Kräften“. Könnte sich die SPD eine Koalition auch als Juniorpartnerin an der Seite von Grünen und SSW vorstellen? Die SPD kämpft immer um Platz 1. Alle wissen, dass die Küstenkoalition viel geleistet hat. Sie ist nicht wegen ihrer Arbeit abgewählt worden, das hätte man gewinnen können, ich würde sogar sagen müssen. Die CDU ist erst am Beginn ihrer Richtungs- und Führungskrise – etwas, womit die SPD fast 15 Jahren zu kämpfen hatte. Davon erholen wir uns gerade. Die FDP hat nach der Jamaika-Absage im Bund mit dem Thüringer-Debakel den zweiten gravierenden Fehler gemacht. Wir Sozialdemokraten müssen aus eigener Kraft so stark wie möglich werden. Ob das am Ende für eine Küstenkoalition mit Grünen und SSW oder eine Ampel reicht, wird man sehen. Strategie der Hamburger SPD war es, sich so stark wie möglich von der Bundes-SPD abzugrenzen. Wäre das auch eine Strategie für die Nord-SPD? Wir haben hier noch nie Wahlkämpfe mit besonders viel Berliner Prominenz gemacht. Wir hatten immer einen eigenen Kopf. Dabei kämpfen wir nicht gegen die Bundespartei, legen aber auch nicht die Hand an die Mütze, nur weil im Willy-Brandt-Haus jemand pfeift. Damit fangen wir auch nicht an. Am Ende steht SPD drauf, da unterscheiden die Wählerinnen und Wähler nicht groß. Man sollte sich deshalb niemals gegen den eigenen Verein stellen. Weitere Nachrichten aus Schleswig-Holstein lesen Sie hier.

Nach der Bürgerschaftswahl - Ist Schleswig-Holsteins SPD zu links, Ralf Stegner?