Ein Projekt ist Andreas Böhle zu wenig

Seine Frau Beeke sähe ihn lieber öfter zu Hause, aber Andreas Böhle war immer ein Macher, und das hat sich auch im Ruhestand nicht geändert. „Ich bin vom festen Glauben beseelt, dass das, was ich anpacke, was wird“, sagt der 78-Jährige. Ein großes Haus für alle Menschen: Der pensionierte Diplom-Kaufmann sucht immer neue Herausforderungen. Als die Osterstraße im beliebten Hamburger Stadtteil Eimsbüttel durch den Umbau immer schicker wurde, sah er sich gefordert. Böhle wohnt hier: „Eimsbüttel hat alles, was ich mir vom Leben vorstelle.“ Mit einem guten Dutzend Mitstreitern war er der Meinung, dass es im näheren Umfeld der Osterstraße ein Haus geben müsse, in dem sich Bürger treffen, klönen und Kreatives ausprobieren können, ein Haus, wo Jung und Alt zusammenkommen. „Nach eineinhalb Jahren Planung haben wir die passenden Räume gefunden und dort das Kreativhaus Eimsbüttel gegründet“, so Böhle. Ein ganzes Haus haben sie zwar nicht, aber drei große Räume in der Telemannschule. Das Team arbeitet schon am Programm für 2021: Wegen der Corona-Pandemie ist das Kreativhaus, das im Oktober 2019 eröffnet wurden, derzeit geschlossen, aber die Mitstreiter kümmern sich um das Programm für kommendes Jahr. 250 Veranstaltungen fanden bereits statt, viele sollen folgen: Flohmarkt, Singen, Malen, Sticken, Werken, Yoga, Meditation, Ausstellungen. Schlechte Nachrichten gibt es genug. In unserer Serie „Nicht meckern – machen!“ erzählen wir deshalb eine Woche lang Geschichten, die Mut machen. Die Kieler Nachrichten berichten gemeinsam mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, dem „Hamburger Abendblatt“ und NDR Info (jeden Morgen um 7.48 Uhr) über Menschen, die im Norden etwas bewegen. Die Autorin dieses Beitrages ist Redakteurin des „Hamburger Abendblatts“. Hilfe zum Selbst-Machen: Die Fotografin Frederika Hoffmann ist seit Juni 2019 dabei und Mitglied des Vereinsvorstands. Sie organisiert gerade eine große Corona-Ausstellung für das Frühjahr. „Es haben sich schon viele Eimsbüttler beworben“, sagt sie. „Wir wollen, dass die Leute selbst kreativ werden“, erklärt Böhle, die Kindern und Jugendlichen gern „konstruktives Werkeln“ vermitteln möchte – also beispielsweise, von der Entwurfszeichnung bis zum fertigen Vogelhaus alles selbst zu machen. In den oberen Etagen stehen dem Kreativhaus zwei weitere große Räume zur Verfügung. Auch die Uni ist mit an Bord: Finanziert wird das Haus nach Angaben von Böhle teilweise durch eine Zusammenarbeit mit der HafenCity Universität Hamburg, die sich an einem Forschungsprojekt beteiligt, bei dem es darum geht, wie man der Verödung von Innenstädten vorbeugt. Der Verein habe auch viele Sachspenden erhalten und ein paar Sponsoren gewinnen können. Jede Woche dienstags gibt es eine Sprechstunde. Arbeit auch im Tauschhaus: Daneben ist Böhle auch noch der „Chef“ des Tauschhauses Stellingen. Mit dem zwei mal einen Meter großen, grün gestrichenen Holzhäuschen mit Dachüberstand und Windschutz hat er die ursprüngliche Idee eines Tauschtisches, den es an der Stelle schon seit 2012 gab, ausgebaut. Er hat mit dem Bezirksamt einen Vertrag abgeschlossen, in dem er sich dazu verpflichtet, die Fläche um das Tauschhaus ordentlich zu halten. Denn es gibt immer wieder Menschen, die dort ihren Sperrmüll entsorgen. Böhle hat deshalb das Beet hinter dem Häuschen bepflanzt, damit niemand in dem umzäunten kleinen Bereich seinen Müll entsorgt. Der Bedarf ist riesengroß: Die Bürger müssen aber keine Tauschobjekte mitbringen, um etwas mitzunehmen. Wegen Corona ist allerdings nur die Abteilung mit den Büchern geöffnet. Im ersten Lockdown im Frühjahr, als auch Büchereien und Buchläden geschlossen waren, „gingen die weg wie warme Semmeln“, sagt Böhle. An „schlechten“ Tagen seien 50 Bücher geholt worden, an guten bis zu 250 Bücher. Außerhalb des Lockdowns gibt es auch Kleider für Kinder und Erwachsene, Schuhe, Spielzeug, Küchenutensilien, darüber hinaus Lebensmittel. Zusammengezählt ergebe der monatliche Durchsatz bis zu vier große Lastwagen voll, hat Böhle ausgerechnet. Bis zu 800 Besucher pro Tag finden dort Dinge, die sie gebrauchen können. „Wir wollten, dass die Sachen im Kreislauf bleiben.“ Lesen Sie auch Teil 1: Das rollende Klassenzimmer Lesen Sie auch Teil 2: Die Rendsburger Helfer geben nicht auf Auch das Gespräch ist wichtig: Ältere Menschen aus dem Viertel kämen am Tauschhaus ins Gespräch mit anderen, damit sei auch ein sozialer Zweck erfüllt. Und die Helfer des Projektes bekämen für ihre Arbeit ein positives Feedback. „Wir wollten, dass der öffentliche Raum wieder von Menschen erobert wird“, sagt Böhle. Er kommt fast täglich zum Tauschhaus – zu unterschiedlichen Zeiten, damit Müllsünder sich nie sicher sein können, nicht ertappt zu werden. Seine Frau Beeke kennt das schon. Von Elisabeth Jessen

Serie "Nicht meckern - machen!" 2020: Ein Projekt ist Andreas Böhle zu wenig