Sinkende Milch- und Butterpreise: Das steckt hinter dem Bauernprotest in Schleswig-Holstein

In Nortorf und Gleschendorf demonstrierten am Sonntag jeweils rund 100 Landwirte per Traktor-Kolonne vor den örtlichen Aldi-Zentrallagern gegen die Preispolitik des Konzerns. Und auch vor einer Meierei in Barmstedt zeigten am Montagabend knapp 20 Bauern ihren Unmut. Worum geht es genau? Lesen Sie auch: Landwirte protestieren vor Aldi-Zentrallager Kurz gesagt geht es den Landwirten um ihre Existenz und einen Wandel des Systems. Neben den Schweinebauern, die durch coronabedingte Schlachthofschließungen und die Afrikanische Schweinepest hart getroffen werden, brauchen vor allem die Milchbauern schnelle Unterstützung, sagt Uta von Schmidt-Kühl, Vorsitzende des Vereins Land schafft Verbindung. „Die Milchkrise dauert schon seit Jahren an. Sie ist als Branche am stärksten betroffen“, ergänzt die Vereinsvorsitzende. Lesen Sie auch: Wie wichtig ist die Landwirtschaft noch? Laut Jann Harro Petersen, LSV-Milchgruppenchef, haben in den vergangenen vier Jahren in Deutschland 20 Prozent der Milchviehbetreiber aufgeben müssen. Nach Zahlen des Statistikamts Nord war bereits 2017 in Schleswig-Holstein die Zahl der Betriebe auf 4200 gesunken – zehn Prozent weniger als drei Jahre zuvor. Daten aus den vergangenen Jahren sollen im Januar 2021 vorgestellt werden. Petersen, der etwa 140 Milchkühe auf seinem Hof in Tating im Kreis Nordfriesland hat, berät ehrenamtlich rund 300 Betriebe in Geschäftsfragen. Die Entwicklung der vergangenen zehn bis 15 Jahre sei eindeutig: Immer weniger gehe es um Investitionsfragen in Infrastruktur, sondern um Probleme bei der Liquidität und Überbrückungskredite. Aldi verweist auf saisonale Schwankungen beim Butterpreis: Neben der bedrohlichen Entwicklung richtet sich die aktuelle Empörung direkt gegen Butterpreis-Verhandlungen zwischen Aldi und den verarbeitenden Meiereien. Der Butterpreis wird alle vier Wochen neu verhandelt. Die Lebensmitteleinzelhändler (LEH) schreiben dazu Angebote aus und führen Gespräche mit den Meiereien. Kurz vor Weihnachten erreichte die Landwirte die Nachricht, dass eine Butterpreis-Senkung von 60 Cent im Raum stehe. Normal sind zehn bis 15 Cent, da nach Weihnachten die Nachfrage sinkt. So begründete auch Aldi die Preisbildung am Dienstagnachmittag per Pressemitteilung. „Dieses Prinzip spiegelt sich in den Angeboten der Molkereien wider, wie sie allen Händlern um diese Jahreszeit unterbreitet werden. Wir reden hier also über saisonale Angebotspreise“, heißt es in dem Schreiben. Lesen Sie auch: Landwirte sind wütend und enttäuscht Neben dem drastischen Preisverfall erzürnte die Landwirte besonders der Zeitpunkt der Nachricht. Denn in den vergangenen Wochen hatten Vertreter des LSV einen Teilerfolg erreicht. Die Landwirte hatten seit Ende Oktober direkt mit LEH-Vertretern Gespräche geführt. Mitte Dezember hatte es laut Petersen eine Konferenz zwischen Landwirten und Vertretern von Vorstand und Geschäftsführung der Konzerne Aldi, Rewe, Lidl und Edeka gegeben. Im Januar sollte es weitergehen. „Alles, was in den letzten acht Wochen besprochen wurde, wird durch das aktuelle Angebot konterkariert“, sagt Petersen. Für ihn und weitere LSV-Mitstreiter braucht es einen Wandel im System, zum Beispiel über langfristige Verträge mit Meiereien zur Planungssicherheit. An diesen Wandel glaubt Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer vom Milchindustrie-Verband, nicht. Er habe Verständnis für die Proteste, doch der Markt bleibe seiner Einschätzung nach auch in Zukunft schwankend – solange die Rahmenbedingungen so bleiben. „Wenn wir solche liberalisierten Märkte haben, werden wir auch in Zukunft damit leben müssen.“