Studentenwerk SH: Scrabbeln und helfen statt Miete zahlen

Seit 2012 besteht das Projekt beim Studentenwerk Schleswig-Holstein. Eine Studentin, die darüber eine Bleibe gefunden hat, ist Hamideh Torshizifarouji. Die 30-jährige Informatikstudentin aus dem Iran wohnt bei Dortje Gomer in Schwentinental. Seit Beginn des Projektes nimmt Gomer Studierende auf. 2016 ist "Hami", wie Gomer sie nennt, nach Deutschland gekommen, seit September 2017 wohnt sie mit der 86-jährigen Rentnerin zusammen. Vorher lebte sie im Wohnheim, doch dort fühlte sie sich allein. Von einer Freundin erfuhr sie dann von Wohnen für Hilfe und meldete sich an. Bei Wohnen für Hilfe muss es passen: Deutsche und internationale Studenten machen zu gleichen Teilen mit, die meisten Zimmerangebote kommen von Senioren, erklärt Projektleiterin Alexandra Dreibach. Bevor eine Wohnpartnerschaft zustande kommt, treffen sie sich mit den Studenten, damit beide Seiten herausfinden können, ob es passt. Bei Gomer und Torshizifarouji war das schnell der Fall. "Ich fand Frau Gomer sehr lustig", sagt die Studentin. Am Anfang sei ihr Deutsch nicht so gut gewesen, das habe sie gestresst. "Ich sollte etwas aus der Schublade holen, aber wusste nicht, was eine Schublade ist." Beide lernen voneinander: Inzwischen ist das anders. Redewendungen wie "ein dickes Fell haben" sind in ihren Wortschatz übergegangen – auch weil sie beinahe jeden Tag gemeinsam Scrabble spielen. "Wenn sie Worte nicht kennt, erkläre ich sie ihr", sagt Gomer. Sonntags kocht Hamideh, nachmittags macht sie Cappuccino, am Abend schaut sie nach dem Rechten. "Manchmal ist Frau Gomer dann vor dem Fernseher eingeschlafen", erzählt sie. Für beide ist das Projekt mehr Zusammenleben als Hilfe. "Ich fühle mich hier wie in einer Familie", sagt Hamideh. Sie lernen auch viel voneinander – Gomer etwas über den Iran, Hamideh Dinge über Deutschland, wie Laterne laufen. "Das kannte ich nicht", sagt sie. Wohnen für Hilfe war ein "Glücksgriff": "Um Hilfe und Gesellschaft zu haben, ist es ein optimales System – aber man muss offen sein", sagt der 23-jährige Khashayar Hashemi aus Bremerhaven. Er wohnt in der Souterrainwohnung von Koene Oberman und Annelie Langer in Stampe. Hashemi ist durch Zufall auf das Projekt gestoßen – das Wohnheim hatte ihm gerade kurzfristig abgesagt, da sah er in der Mensa ein Plakat von Wohnen für Hilfe. "Das war ein Glücksgriff", sagt er zwei Jahre später. So lange wohnt er nun schon bei den beiden. Normalerweise sollen die Studierenden eine Stunde pro bewohntem Quadratmeter helfen. Dafür zahlen sie nur die Nebenkosten. Bei Hashemi wären das rund 55 Quadratmeter – neben dem Studium schwer machbar. Also haben sie sich auf 30 Stunden im Monat geeinigt. An festen Tagen abarbeiten muss er sie nicht. Das sei allein wegen der vorlesungsfreien Zeit schon nicht machbar, wenn "Khashi" nicht immer da ist, erklärt Langer. Das Semester hat begonnen, und noch nicht alle Studenten sind in einer Wohnung oder WG untergekommen. Auch das Studentenwohnheim ist voll. In diesem Wintersemester bietet die DJH Jugendherberge Kiel eine Übergangslösung für Erstsemester an: Sie können in der Jugendherberge ein Zimmer mieten, bis sie eine dauerhafte Lösung gefunden haben. In der Kieler Herberge können Studenten für 150 Euro pro Woche oder 480 Euro pro Monat in einem Einzelzimmer unterkommen, 270 Euro pro Woche und 900 Euro pro Monat kostet ein Doppelzimmer – inklusive Frühstück. „Wir möchten mit dem Angebot jungen Menschen helfen, auch in diesen Zeiten coronakonform und flexibel in ihr Studium zu starten“, erklärte der Geschäftsführer des DJH-Landesverbandes Nordmark, Stefan Wehrheim. So könnten auch viele Betten genutzt werden, die wegen abgesagter Klassenfahrten leer stünden. Neben der Jugendherberge Kiel haben die Jugendherbergen in Flensburg, in Hamburg die „Horner Rennbahn“, die Herberge in der Heide und die Lübecker Herberge „Vor der Heide“ das Angebot gestartet. Verständnis ist essenziell bei dem Projekt des Studentenwerks: Hashemi hilft viel im Haushalt und im großen Garten. Mit Oberman hat er einen Baum gefällt und zu Kaminholz verarbeitet. Im Winter haben sie Möbel geschliffen und neu lackiert. Wenn Langer und Oberman auf See sind, kümmert er sich um die beiden Katzen. Oberman ist Kapitän auf Traditionsseglern, Langer entwickelt eine Burnout-Prävention und betriebliche Gesundheitsfürsorge, die auf solchen Schiffen stattfinden. Deshalb sind beide oft länger weg. So haben sie sich entschieden, die Souterrainwohnung über das Projekt anzubieten statt sie zu vermieten. Toleranz sei dabei ganz wichtig. "Man lebt in einem Haus und da muss man Verständnis füreinander haben – wir für Khashi und Khashi für uns", sagt Oberman. Hashemi studiert Politikwissenschaft, Islamwissenschaft, Geschichte und europäische Ethnologie – vier Jahre hat er inklusive Master noch vor sich. Wenn er möchte, kann er so lang bei Oberman und Langer wohnen bleiben. "Ich möchte gern Khashis Masterparty hier feiern", sagt Oberman.