Trotz EuGH-Urteil: Dänemark hält an Grenzkontrollen zu Deutschland fest

In Schleswig-Holstein wächst das Unverständnis über Dänemarks Europa-Politik. Urlauber müssen sich auch in der bevorstehenden Ferienzeit auf stichprobenartige Grenzkontrollen einstellen. Dabei hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) erst kürzlich Österreich ermahnt, dass Überprüfungen an den EU-Binnengrenzen nur im Sonderfall und für längstens sechs Monate zulässig sind. Konkret hatte Österreich an seinen Grenzen zu Ungarn und Slowenien Reisende kontrolliert. Auch Dänemark hatte 2016 die Migrationskrise zum Anlass genommen, an den Grenzen zu Deutschland erneut Polizeibeamte zu stationieren und die Frist hierfür alle halbe Jahr zu verlängern. Daran werde man auch nach dem 11. Mai festhalten, heißt es jetzt aus Kopenhagen. Schleswig-Holsteins Landesregierung reagiert verschnupft. „Ganz allgemein hat aus Sicht der Landesregierung die Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen einen hohen Stellenwert und gilt zu Recht als eine der großen Errungenschaften des Schengen-Abkommens“, sagt Europa-Minister Claus Christian Claussen (CDU). „Wünschenswert wäre der weitere Abbau von Grenzkontrollen – nicht die Wiedereinführung beziehungsweise Beibehaltung.“ Dänischer Minister Tesfaye: „Ernsthafte Bedrohungen“: Der dänische, sozialdemokratische Justizminister Mattias Tesfaye hatte seinen Kurs in der Zeitung „Der Nordschleswiger“, die in Apenrade erscheint, verteidigt. Man habe vor dem EuGH verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten selbst dafür verantwortlich seien, „sich vor ernsthaften Bedrohungen zu schützen“, und dass sich „ernsthafte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit nicht von vornherein zeitlich begrenzen“ ließen. Dänemarks Regierung setze sich dafür ein, „dass die Schengen-Regeln geändert werden, so dass die Mitgliedsländer größere Selbstbestimmung über die Grenzkontrollen erhalten“. Politiker aus Schleswig-Holstein lehnen das ab. „Wir haben ohnehin ein zunehmendes Problem mit Lieferketten“, moniert der Europa-Abgeordnete Niclas Herbst (CDU). „Da ist jede Unterbrechung schädlich. Dänemark hätte die vergangenen sechs Monate lieber nutzen sollen, um die polizeiliche Zusammenarbeit mit Deutschland zu verbessern.“ Seine Kollegin Delara Burkhardt (SPD) mahnt ihren Genossen Tesfaye, zu sozialdemokratischen Grundwerten zurückzukehren. Grenzkontrollen erschwerten unnötig den Arbeitstag von gut 14 000 Pendlerinnen und Pendlern. „Dänemark bricht ein europäisches Versprechen. Der Rückzug in den Nationalstaat löst kein Problem.“ Lesen Sie auch Welche Corona-Regeln gelten in Europas Urlaubsländern überhaupt noch? Der Kommentar von Christian Hiersemenzel: Schleswig-Holstein muss endlich Klartext reden Rasmus Andresen (Grüne) ruft die Europäische Kommission auf, künftig Ausnahme-Begründungen kritischer zu überprüfen: „Ein Wegducken wie in der Vergangenheit gegenüber der dänischen Regierung darf es nicht geben.“ Das sieht seine FDP-Kollegin Svenja Hahn ähnlich: „Die EU-Kommission muss endlich als Hüterin der Verträge handeln und ein sofortiges Ende der Kontrollen verlangen.“ Selbst Lars Harms, SSW-Chef im Kieler Landtag, spart nicht mit Kritik: „Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums sind das falsche Signal.“ Viel wichtiger sei es, die europäischen Außengrenzen zu schützen.