Versuchte Tötung in Preetz: Tochter wollte Vater "erlösen"

Zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall muss sich die Tochter wegen versuchten Totschlags verantworten. Tatort war die Wohnung der Eltern in Preetz. Dort trank die Tochter laut Anklage mit ihrem Vater mehrere Flaschen Bier. Als der 75-Jährige einschlief, schüttete sie ihm die Flüssigkeit aus einer Medikamentenflasche ins Trinkglas, so der Vorwurf von Staatsanwältin Gesine Ohst. Nach dem Aufwachen trank der Vater die Mixtur und schlief erneut ein. Zum Prozessauftakt vor der Schwurgerichtskammer räumte die ehemalige Förderschülerin die Tat ein. „Wenn man ein Reh anfährt, soll man es ja auch nicht leiden lassen“, sagte die verheiratete Frau, die selbst keine Kinder hat. Bei ihrer Großmutter habe sie schlimme Folgen einer Demenz erlebt: Halbnackt sei die Oma durch die Straßen geirrt. „Das wollte ich meinem Papa ersparen.“ Die Tochter glaubte, dass ihr ein Engel die Tat befahl: Weil der 75-Jährige „immer wieder Sachen vergessen und Leute verwechselt“ habe, habe sie an Demenz oder Alzheimer gedacht, so die Angeklagte. „Er hat auch mal mit einem Tannenbaum gesprochen.“ Tatsächlich soll ein Schlaganfall Ursache für die Ausfallerscheinungen des an Alkohol gewöhnten Senioren gewesen sein. Auch die Tochter war offenbar nicht vor eingebildeten Stimmen gefeit: In der Tatnacht habe ihr ein Engel eingeredet, sie müsse den Vater erlösen. Das dafür eingesetzte Medikament habe sie selbst gegen „psychogene Anfälle“ bekommen. Die braune Flasche mit dem weißen Deckel habe sie nach Verlassen der elterlichen Wohnung in einer Mülltonne entsorgt. Obwohl sich die damals in der Nachbarschaft lebende Tochter drei Tage später auf Geheiß einer „weiblichen, guten Stimme“ gegenüber einer Ärztin des Uni-Klinikums und einem Polizeibeamten offenbarte, blieb die Flasche verschwunden. Aus Rezepten schließt die Staatsanwaltschaft jedoch auf Diazepam oder Promethazin. Vater und Tochter hatten in der Tatnacht reichlich Alkohol getrunken: Beide Präparate werden als Beruhigungsmittel eingesetzt, teilte ein Sachverständiger auf Nachfrage mit. Das erste gegen Angst und innere Unruhe, das zweite als Einschlafhilfe. Zu ihren eigenen Trinkmengen am 7. Juni 2018 machte die Angeklagte unterschiedliche Angaben. Bis zu sieben Halbe Bier, vier Feiglinge und drei Korn-Cola-Mischungen will sie in jener Nacht konsumiert haben. Zusätzlich könnte auch Küstennebel die Schuldfähigkeit der zeitweise in Heimen aufgewachsenen Frau beeinträchtigt haben. Nach der Tat war sie vier Monate lang in der Psychiatrie. Ihr Verteidiger Urs-Erdmann Pause sieht noch weitere mildernde Umstände: Seine Mandantin habe die Tat noch in der Nacht telefonisch ihrer Mutter gebeichtet, die dann den Rettungsdienst alarmierte. Lesen sie auch: Machete-Angreifer muss in Psychiatrie Dieses Verhalten komme einem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch schon sehr nahe, sagt der Rechtsanwalt. Zumal der Versuch untauglich gewesen sei, denn die Dosis wäre nicht tödlich gewesen. Inzwischen leben beide Eltern in einem Heim, die Tochter arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Rechtsanwalt Pause will auf Bewährung plädieren.