Während Corona-Pandemie: Deutlich weniger Erkältungskrankheiten in SH

Abstand, Hygiene, Atemmaske und Lüften (AHA + L) – diese von vielen befolgten Regeln haben schon jetzt zu einem deutlichen Rückgang der Erkältungs- und Infektionskrankheiten geführt, die sonst in jeder Wintersaison auftreten. Das bestätigen Apotheker und Ärzte in der Region Kiel. Lässt sich daraus ableiten, dass diese Regeln zur Eindämmung von Covid-19-Infektionen hochwirksam sind – trotz hoher Inzidenz-Zahlen? „Ja, da stimme ich zu – wenn der Faktor Mensch nicht wäre“, sagt Rüdiger Metzner, Inhaber der Flora-Apotheke am Bahnhof in Neumünster. „Nehmen Sie nur die Bilder aus dem Harz vom vergangenen Wochenende: Sobald viele Menschen sich nicht mehr an die Regeln halten, fällt das Gebäude in sich zusammen.“ Gleichwohl gebe es nach Daten des Robert-Koch-Instituts „sehr, sehr viel weniger Influenza-Fälle als in den Vorjahren“, so Metzner. Auch die grippalen Infekte, ob durch Rhinoviren oder bakteriell verursacht, seien deutlich zurückgegangen. Lesen Sie auch: Corona-Appell von Daniel Günther: Möglichst niemanden mehr treffen 22 Fälle: Impfteam war trotz Corona-Ausbruch im Lotti-Huber-Haus in Kiel Schulen und Kitas im Lockdown: Das müssen Eltern jetzt wissen Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Erkältungspräparate während der Corona-Pandemie deutlich weniger nachgefragt: In der Folge seien sowohl der Verkauf von frei verkäuflichen als auch der Verkauf von rezeptpflichtigen Medikamenten gegen Erkältungskrankheiten, darunter Antibiotika gegen bakterielle Infekte, zurückgegangen, „das ist nicht wegzudiskutieren. Ginge man wissenschaftlich vor, müsste man allerdings fragen: Liegt das daran, dass die Leute vermehrt zu Hause bleiben und seltener zum Arzt gehen? Oder daran, dass die Infektionsrate deutlich niedriger ist?“ „Infektpatienten sehen wir wesentlich seltener als gewöhnlich im Winter“, erklärt Dr. Martin Wellbrock, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in der Praxis HNO am Kuhberg in Neumünster. „Nasennebenhöhlenentzündungen oder Mandelentzündungen haben fast Seltenheitswert, auch kindliche Mittelohrenentzündungen sind in diesem Jahr deutlich rückläufig. Da kann man sich schon fragen, ob auch in Jahren nach Corona einer passiven Infektprophylaxe eine größere Bedeutung zukommen sollte.“ Weniger Händeschütteln und Türgriff-Kontakte, mehr Abstand: Dr. Kay Hauschild, Inhaber der Aesculap-Apotheke in der Holstenstraße in Kiel und der Schwentine-Apotheke in Preetz, registrierte in den vergangenen Wochen und auch schon im ersten Lockdown – ab Mitte März 2020 – eine sinkende Nachfrage nach Erkältungspräparaten, „die üblicherweise besonders häufig in den Monaten November, Dezember, Februar und März, manchmal auch im Januar, nachgefragt werden.“ Ohne dass er dies quantifizieren könne: „Das ist nicht nur unser Eindruck allein. Wir denken, dass die Abstands- und Hygienemaßnahmen ursächlich sein könnten.“ Frank Jaschkowski, Geschäftsführender Apotheker der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, bestätigt den Trend: „Wir haben signifikant deutlich weniger Erkältungs- und Infektionskrankheiten. Der Zusammenhang mit den AHA-L-Regeln und dem Verzicht auf Händeschütteln und Türgriff-Kontakte ist eindeutig. Vielleicht wird das dazu führen, dass diese Regeln auch nach Corona als empfehlenswert angesehen werden.“ Atmen durch die Nase senkt das Erkältungsrisiko: Auch das Klima spiele für gehäuftes Auftreten von Erkältungskrankheiten eine Rolle: „Erkältung kommt von kalt, aber zurzeit ist dieser Winter ja recht mild.“ Jaschkowski und Metzner weisen darauf hin, dass generell Atmen durch die Nase das Erkältungsrisiko senke. Denn die Nase filtert die eingeatmete Luft und wärmt diese an. In der Folge kühlt der Rachen weniger stark aus. Beim Atmen durch den Mund hingegen trifft kalte Luft direkt auf die Rachenschleimhaut, die beim Auskühlen schlechter durchblutet wird, wodurch die Widerstandsfähigkeit Erregern gegenüber abnimmt. Wer also Schnupfen hat und durch den Mund atmen muss, ist doppelt beeinträchtigt.