Anfang 2018 machten die schweren Belästigungsvorwürfe gegen Detlef Hardt bundesweit für Schlagzeilen. Zwei Frauen hatten Strafanzeige gegen den ehemaligen Opferschützer erstattet. Nach Bekanntwerden hatten sich mehr und mehr vermeintliche Betroffene gemeldet: Die Staatsanwaltschaft bearbeitete schließlich 29 Vorgänge. In 20 Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, 16 davon eingestellt.
Gericht will acht Zeugen befragen
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft in vier Fällen Anklage gegen den früheren Leiter der Lübecker Außenstelle des Weißen Rings erhoben. Das Landgericht Lübeck hatte jedoch entschieden, nur den Vorwurf des Exhibitionismus zu verhandeln und das Amtsgericht Lübeck für zuständig erklärt. Nun steht das Strafverfahren gegen den pensionierten Polizeibeamten an: Laut Anklage muss sich der 74-Jährige wegen einer exhibitionistischen Handlung gegenüber einer damals 38 Jahre alten Frau verantworten. Er soll im Rahmen eines Beratungsgesprächs unaufgefordert sein Geschlechtsteil entblößt und die Frau aufgefordert haben, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Für den Prozess hat das Amtsgericht vier Verhandlungstage angesetzt. Acht zeugen sollen gehört werden.
Hardt bestreitet die Vorwürfe
Da der Beschuldigte den Tatvorwurf als „absurd“ bestreitet und bis heute von einer „Verleumdungskampagne“ spricht, wird in dem Prozess Aussage gegen Aussage stehen. Hardt gilt in der Hansestadt als gut vernetzt und hat enge Kontakte in Gesellschaft und Politik.
Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den 73-Jährigen war der Landesvorstand des Weißen Ringes in die Kritik geraten. Schließlich legten sowohl der Landesvorsitzende Uwe Döring als auch sein Stellvertreter Uwe Rath ihre Ämter nieder, weil sie um den Ruf der Hilfsorganisation fürchteten. Im August wurde die frühere Innenstaatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD) zur neuen Landesvorsitzenden gewählt.
Polizeigewerkschaft fordert weitere Untersuchung
Auch die Landespolizei musste sich unangenehme Fragen stellen lassen, nachdem bekannt geworden war, dass die Polizeispitze bereits im Juli 2017 über die Vorwürfe gegen Hardt informiert worden war. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert eine Untersuchung: "Es muss dringend aufgeklärt werden, ob den Vorwürfen gegen Detlef Hardt, die lange vor den öffentlich thematisierten Strafanzeigen gegen ihn ein offenes Geheimnis in Behördenkreisen waren, aus falscher Rücksichtnahme oder wegen seiner guten Kontakte nicht mit der erforderlich gewesenen Konsequenz nachgegangen wurde", sagt DPolG-Landesvize Thomas Nommensen.