Wie Distanzunterricht funktionieren kann

Schüler und Eltern haben sich darüber beklagt, dass Lehrer nur Arbeitsblätter als PDF auf die Lernplattformen stellen. Wie müssen gute Arbeitsaufträge formuliert sein? Johanna Fleckenstein: Es ist per se nichts falsch daran, Aufgabenzettel hochzuladen oder Aufgaben aus dem Buch zu stellen. Ein Aufgabenzettel, wenn er gut konzipiert ist, kann total sinnvoll sein. Wichtig ist zum einen, dass die Aufgaben auf Anhieb verständlich sind, weil die Schüler nicht die Möglichkeit haben, online direkt Nachfragen zu stellen. Und zum anderen brauchen die Schüler Feedback. Lesen Sie auch: Corona-Bekämpfungsverordnung beschlossen: Garg informiert über verschärfte Corona-Regeln Schulen und Kitas im Lockdown: Das müssen Eltern jetzt wissen Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Zu wenig Rückmeldung von den Lehrern, das gilt als eines der größten Defizite. Wie kann man das lösen? Gerade in den höheren Klassenstufen, wenn es um komplexe schriftliche Leistungen geht, dauert es sehr lange, für alle Feedback zu geben. Das können Lehrer zeitlich nicht leisten. Wir wissen aber aus der Forschung, dass es wichtig für den Lernerfolg ist, dass Feedback zeitnah erfolgt. Im Zweifelsfall muss man Aufgabenformate finden, für die das Feedback nicht so aufwendig ist. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Lösungshinweise offen oder versteckt auf dem Zettel enthalten sind. Solche Möglichkeiten nutzen Lehrkräfte ja bereits. Es gibt zudem Lerntools, die zum Teil basierend auf künstlicher Intelligenz, komplexe Schülerantworten verstehen, beurteilen und Rückmeldung dazu geben können. Ein Beispiel ist Bettermarks für Mathematik. Um so etwas flächendeckend anbieten zu können, bräuchten wir mehr Investitionen in solche Programme und wissenschaftliche Evaluation, ob die wirklich Lernzuwachs bringen. Die Schülersprecher der Gymnasien und Gemeinschaftsschulen haben sich mehr Videokonferenzen gewünscht. Wäre das aus pädagogischer Sicht sinnvoll? Ja, zusätzlich zu Aufgaben im Netz braucht es synchrone Lernformen mit direktem Kontakt zu Lehrkräften. In Videokonferenzen habe ich die Möglichkeit, Aufgaben im Klassenverband zu besprechen, sodass ich nicht unbedingt individuelle Rückmeldungen geben muss. Ich kann so Defizite identifizieren und Probleme besprechen. Es muss nicht immer der Lehrer dabei sein. Ich kann auch Gruppen organisieren, in denen Schüler virtuell gemeinsam etwas erarbeiten oder sich über Lösungen austauschen. Lesen Sie auch Homeschooling: Tipps für Eltern Distanzlernen an der Grundschule bleibt eine Herausforderung Mancher blickt neidisch in die Niederlande oder nach Skandinavien, wo das digitale Lernen reibungsloser zu laufen schien als hier. Warum sind andere Länder weiter als wir? Es gab ganz unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen. Es gibt viele Länder, die uns voraus sind, in der Ausstattung mit Endgeräten und digitaler Infrastruktur. Sie waren schneller und besser in der Vorbereitung des Distanzunterrichts und haben sofort angefangen, Lehrkräfte fortzubilden für die Nutzung bestimmter Software und Tools. Ich habe gelesen, dass in Estland jede Schule eine Person hat, die für solche Schulungen von Lehrern zuständig ist – und zwar schon vor Corona. Aber man muss auch differenziert hinschauen. Lesen Sie auch: Technik führt zu Bedenken Dass digitaler Unterricht läuft, heißt nicht zwangsläufig, dass die Schüler dabei auch viel lernen. Eine Studie zum Lernzuwachs in den Niederlanden während der Schulschließung ist beispielsweise ernüchternd. Die Kinder haben kaum etwas in der Zeit gelernt. Und dort gab es große soziale Unterschiede, obwohl die digitale Ausstattung vorhanden war.

Wie Distanzunterricht funktionieren kann - Expertin aus Kiel im Interview