Arbeitsmarkt in SH: Nach der Corona-Krise droht bald Fachkräftemangel

Erstmals nach 14 Jahren geht die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland wieder zurück, wie der jüngste Bericht des Statistischen Bundesamtes zeigt. Der langjährige Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt scheint damit beendet zu sein. Die Statistiker rechnen langfristig jetzt mit einem Mangel an Arbeitskräften im Land. Am Rückgang der Erwerbstätigkeit sei nicht eben nur die Corona-Pandemie Schuld, sondern auch der demografische Wandel, wie Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) erklärte. „Es stehen schlicht weniger potenziell Erwerbstätige zur Verfügung.“ Corona-Krise: Faktor Fachkräftemangel rückt ins Bewusstsein: Zwar ist in Schleswig-Holstein die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch nicht zurückgegangen, sondern nach den jüngsten Daten von Oktober um 0,4 Prozent gestiegen. Buchholz mahnt aber: „Der grundsätzliche Bedarf an Fachkräften und Spezialisten ist und bleibt hoch, besonders, wenn wir wieder in den wirtschaftlichen Aufschwung kommen.“ Umso notwendiger sei es, dass die Unternehmen im Land ausbilden und in ihren Bemühungen auch im Jahr 2020 nicht nachließen. „Das Risiko des Fachkräftemangels wird von unseren Unternehmen zurzeit noch geringer eingeschätzt als vor der Krise“, sagt Thore Hansen, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der IHK zu Kiel. „Allerdings rückt dieser Faktor wieder stärker ins Bewusstsein – etwa die Hälfte schätzt ihn als Geschäftsrisiko ein, wie unsere Herbstumfrage gezeigt hat.“ Der öffentliche Dienst sucht Handwerker: Schon heute trifft der Fachkräftemangel einige Bereiche stärker. So suchen viele Handwerksfirmen Mitarbeiter. Aber: „Die Wechselbereitschaft zwischen den Betrieben ist bei null“, stellt Sabrina Lutz, Fachkräfteberaterin bei der Handwerkskammer Lübeck, fest. „Extrem ist groß ist aber die Bereitschaft, aus dem Handwerk in den öffentlichen Dienst zu gehen. Dort suchen die Beschäftigten Sicherheit.“ Früher habe das Handwerk eher mit der Industrie konkurriert, doch das sei momentan kaum wahrnehmbar. „Aber der öffentliche Dienst und seine Dienstleistungsfirmen sucht Beschäftigte im Handwerk.“ Dabei ginge es den Mitarbeitern meist weniger um den Verdienst, sondern um die Arbeitsbedingungen. Für viele Betriebe komme es darauf an, ihre Beschäftigten zu halten, wie Lutz aus der Erfahrung in der Betriebsberatung berichtet. „Bei den Mitarbeitern muss man für Ruhe und Sicherheit sorgen. In kleineren Firmen ist es oft auch einfacher, Lösungen etwa für die Kinderbetreuung zu finden.“ Oft mangelt es an Flexibilität: Doch auf der anderen Seite fürchten im Handel oder in der Gastronomie viele Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz. Könnten sie etwa umsatteln? „Es gibt zahlreiche Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Aber auch Allrounder können im Handwerk eine Anstellung finden“, sagt Lutz. Allerdings müssten solche Umstiege begleitet werden. Und Lutz räumt auch ein: Auf beiden Seiten, bei Arbeitnehmern wie bei Arbeitgebern, fehle es oft noch an Flexibilität, um Quereinsteigern eine Chance zu geben. Der Mangel an Fachkräften ist aber auch in der Industrie ein großes Thema: 41 Prozent der Firmen in Norddeutschland klagen über die schlechte Verfügbarkeit geeigneter Arbeitnehmer, wie Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer von Nordmetall, sagt. Diese Problematik dauere an, und werde die Wirtschaft stark beschäftigen, wenn die Konjunktur sich erhole. „Deshalb sind nicht nur die Unternehmen in der Industrie, sondern weit darüber hinaus gut beraten, ihre erprobten Fachkräfte zu halten, soweit es die Lage zulässt“, streicht Fickinger heraus. Er verweist auf Ausbildung und Duales Studium, aber auch auf Umschulung und Weiterbildung. Allerdings, so betont Fickinger, bedürfe es dafür bestimmt keiner starren politischen Vorgaben, wie etwa eine Mindestqualifizierungszeit von 120 Stunden in der Weiterbildung. Mangel geht nicht mit der Corona-Krise: Hansen sagt, der Fachkräftemangel verschwinde nicht durch die Krise, deshalb hielten viele Unternehmen an ihren Mitarbeitern und Auszubildenden fest. Künftig würden Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung benötigt. Der IHK-Experte: „Mit der Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität gehen auch wir davon aus, dass wieder mehr Beschäftigungsverhältnisse zustande kommen und das Interesse an der Dualen Ausbildung steigt."