Aussicht nach dem Lockdown in Schleswig-Holstein: Handel drängt auf klaren Fahrplan

„Der Textil-Einzelhandel steht quasi vor dem Kollaps“, sagt Mareike Petersen, Geschäftsführerin vom Handelsverband Nord. Gegenüber dem restlichen Handel leide der Textilbereich speziell unter vier Faktoren: Sie Geschäfte müssen die Ware, die sie verkaufen wollen, lange vorher bestellen, wie Petersen erklärt, und die Mode könne auch nicht beliebig lange in den Geschäften liegen bleiben. Zudem seien die Margen im Textilhandel besonders gering, sodass schon kleinere Umsatzausfälle reichen, um Händler in Schieflage zu bringen. Ihre Geschäfte liegen außerdem oft in den Bereichen der Städte, die vom Lockdown besonders betroffen sind, etwa in den Innenstädten oder den Tourismusgebieten. Und schließlich sei das „Click & Buy“-Prinzip, also Bestellen und Abholen, das oft noch etwas zum Umsatz beisteuere, bei Textilien schwerer umzusetzen. Die Ware abzuholen, das sei bei Kleidung, die anprobiert werden müsse, schwieriger. Der reine Online-Handel bietet deshalb großzügige Rücksendemöglichkeiten an. Lesen Sie auch: Lockdown, Situation an Schulen: So geht es in Schleswig-Holstein weiter Bewegungsradius eingeschränkt: Was das für Städte und Orte in Schleswig-Holstein bedeutet Schulen und Kitas im Lockdown: Das müssen Eltern jetzt wissen Land Schleswig-Holstein streicht Kita-Gebühren für Januar Wer hat in Schleswig-Holstein Anspruch auf Notbetreuung? Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Lockdown in Schleswig-Holstein: Einzelhandel vermisst klares Konzept: Mit dem „Click & Collect“-Prinzip konnten abseits vom Mode-Einzelhandel immerhin einige Bereiche noch für Umsatz sorgen, wie Petersen weiter berichtet, und so ein kleines Stück vom Weihnachtsgeschäft retten. Das gelte für typische Geschenkartikel, die etwa vom kleinen Einzelhändler um die Ecke gekauft werden. Der Einzelhandel vermisst vor allem ein klares Konzept, erklärt Petersen. Dann könnten die Händler auch wieder mit etwas mehr Sicherheit Ware einkaufen. „Wir brauchen einen klaren Fahrplan, sonst sind keine Planungen möglich“, sagt die Handelsexpertin über den verlängerten Lockdown. Und: „Es muss eine bessere finanzielle Unterstützung her.“ An den November- und Dezemberhilfen in der Gastronomie darf der Handel nicht teilhaben, ihm steht nur die neue Überbrückungshilfe III zu. Doch da sind die finanziellen Hilfen nach den Umsatzausfällen streng gestaffelt und viele Händler bekämen nur kleinere Summen. Einzelhändler, die von ihren Einnahmen leben müssten, blieben auf der Strecke, weil nur die Fixkosten gedeckt werden. Tourismus bleibt in Schleswig-Holstein ebenso geschlossen: Ebenso geschlossen wie der Handel bleiben Gastronomie und der Tourismus. „Wer nicht mit der Verlängerung des Lockdowns bis Anfang Februar gerechnet hat, der hat wohl auf das Prinzip Hoffnung gebaut“, sagt Stefan Scholtis, Geschäftsführer vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Er lässt gerade bei seinen Mitgliedsbetrieben in Schleswig-Holstein abfragen, wie viele Hilfen diese bisher eigentlich bekommen haben. Denn für das Überleben der Betriebe sei jetzt entscheidend, dass die versprochenen Hilfen endlich fließen, so Scholtis. Das bestätigt Karsten von Borstel, Sprecher der IHK SH. Damit die Akzeptanz des Lockdowns nicht schwinde, sei es wichtig, dass die Zahlungen nun schnell und unbürokratisch kommen. Bei allem Verständnis für die Maßnahmen: „Die IHK Schleswig-Holstein sieht jede Verlängerung des Lockdowns mit Sorge für die regionale Wirtschaft. Denn Umsatzrückgänge und ungewisse Zukunftsaussichten begleiten viele Unternehmen und Branchen schon seit Wochen, oftmals sogar seit Monaten.“ Besonders sorgenvoll sieht die Kammer, dass beim Bundesfinanzministerium noch von „einigen Wochen“ bis zum Programmstart der Überbrückungshilfe III die Rede sei. Friseure und Kosmetiker leiden unter der Schließung: Auch im Handwerk ist man wegen der Verlängerung alarmiert – vor allem, wenn es um Salons, Ladengeschäfte oder Gastronomiebereiche von Handwerksbetrieben geht, wie Andreas Katschke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck, sagt. „Unmittelbar betroffen sind zum Beispiel Friseure und Kosmetiker. Aber es gebe auch viele andere Gewerke wie Gebäudereiniger, die bereits starke Einschränkungen und Umsatzeinbußen in Kauf nehmen mussten. „Für sie ist die anhaltende Situation eine weitere enorme Kraftanstrengung“, sagt Katschke. Auch er sagt: „Umso wichtiger ist deshalb die zügige Auszahlung der finanziellen Hilfen.“ Die Kritik daran hat auch die Landespolitik erreicht. Mehrfach hatte der Wirtschaftsminister auf eine schnellere Auszahlung der Hilfen des Bundes gedrängt. Jetzt kritisiert Kay Richert, Wirtschaftsexperte der FDP im Land, den Kurs des Bundes: „Vielen Gewerbetreibenden steht das Wasser bis zum Hals, einige haben für das Versagen der GroKo bereits mit ihrer Existenz bezahlt.“