Baugewerbe: Mehr Straßen, weniger Wohnungen gebaut

Doch der Boom ist nicht gleich verteilt: Im Wirtschaftsbau, also bei der Errichtung von Bürogebäuden und Fabriken etwa, liegt das Plus bei satten 14 Prozent (knapp 400 Millionen Euro Umsatz im ersten halben Jahr). Und auch der Straßenbau in Schleswig-Holstein schreitet voran, mit einem Umsatzplus bei den Baufirmen von zehn Prozent auf 135 Millionen Euro. Ebenso ist der öffentliche Hochbau um 14,1 Prozent auf 58 Millionen Euro gestiegen. Beim Wohnungsbau dagegen gibt es Rückgänge: Das Umsatzminus liegt bei minus sechs Prozent und beträgt nur noch 500 Millionen Euro im ersten Halbjahr. In Hamburg ist die Situation übrigens genau umgekehrt: Einem kräftigen Plus im Wohnungsbau steht ein Minus im Straßenbau gegenüber. Großstadt für Investoren sichere Adresse: In den vergangenen Jahren habe es deutliche Zuwächse beim Wohnungsbau in Schleswig-Holstein gegeben, sagt Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer des Baugewerbeverbandes. In den vergangenen Jahren habe man das Plus an Baugenehmigungen abgearbeitet. In Hamburg dagegen werde der Wohnungsbau politisch gezielter gefördert, um ein Abwandern ins Umland zu verhindern. „Vielleicht ist die Großstadt Hamburg auch in der Krise vielen Investoren eine sichere Anlaufadresse“, sagt Schareck. Sorgen macht sich Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, angesichts der Zahlen noch nicht, schließlich bewege man sich auf einem hohen Niveau. „Der Rückgang zeigt auch, dass Wohnungsunternehmen bei ihren Bauprojekten nach wie vor mit Engpässen bei den Bauunternehmen zu kämpfen haben“, erklärt Breitner. „Oft ist es schwierig, überhaupt ein Unternehmen zu finden, das einen Auftrag ausführen kann.“ Im Norden gibt es Bauüberhang: Das spiegele auch der hohe „ Bauüberhang “ in Schleswig-Holstein wider. Dieser Überhang stellt den Wert von genehmigten, aber noch nicht begonnenen Bauvorhaben dar. Breitner: „Die Bauwirtschaft müsste ihre Kapazitäten erhöhen. Dazu bedarf es aber des anhaltenden Vertrauens in die Konjunktur und schlicht mehr Fachkräfte.“ Die Mitgliedsunternehmen der Wohnungswirtschaft berichteten, dass es durch die Corona-Pandemie vermehrt zu leichten Verzögerungen bei laufenden Bauprojekten gekommen sei – doch an den geplanten Projekten werde festgehalten. Auch beim Bauindustrieverband für Schleswig-Holstein und Hamburg geht man von Schwankungen beim Auftragsvolumen aus, die für das Minus beim Wohnungsbau sorgen, wie eine Sprecherin erklärt. Bau ist "begünstigte Branche": Doch insgesamt sei die Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein recht ausgewogen, wie Georg Schareck vom Baugewerbeverband erklärt. Großen Baustellen stünden auch viele kleinere Projekte gegenüber. Allerdings: „Wir haben noch viel Beschäftigung, aber es kommen insgesamt weniger Aufträge herein.“ Ob wirklich ein Einbruch auf dem Bau bevorsteht, könne man erst im Frühjahr kommenden Jahres sagen. Doch im privaten Bau zeige sich bereits ein Rückgang, und im gewerblichen Bau sei dieser noch deutlicher spürbar. „Die Unternehmen melden mir jetzt schon, dass viele Projekte im gewerblichen Bereich noch einmal geprüft werden, es gibt bereits Rückrufe und Stornierungen.“ Die Statistik zählt, auch der Vereinfachung wegen, Unternehmen ab 20 Mitarbeitern, das umfasst derzeit 396 Betriebe in Schleswig-Holstein. In der Corona-Krise und dem Lockdown konnten die Unternehmen weitgehend arbeiten, auch wenn in kleineren Betrieben manchmal Mitarbeiter ausfielen. Alles in allem, sagt Schareck, sei das Baugewerbe deshalb doch eine „begünstige Branche“. Auch im Bauindustrieverband hofft man jetzt, dass das „ordentliche Auftragspolster“ noch eine Weile reicht.