Bernd Buchholz im Interview: Tourismus muss sicherer werden

Der Tourismus ist für Schleswig-Holstein wichtig, liegt aber komplett brach. Wann könnte es denn wieder losgehen? Bernd Buchholz: Es ist angesichts der Infektionszahlen heute unmöglich zu sagen, wann es wieder losgeht – darauf müssen sich Hotellerie und Gastronomie einstellen. Aber wir dürfen jetzt nicht abwarten, sondern müssen den Tourismus sicherer machen. Auf Sylt ist das erste große Testzentrum für Antigen-Schnelltests in Betrieb. Nun halten sich dort keine Touristen auf, aber Einheimische und Zweitwohnungsbesitzer. Die Testkapazitäten werden voll genutzt. Das zeigt: Es gibt ein Sicherheitsbedürfnis. Hoteliers könnten zudem überlegen, wie sie in Zusammenschlüssen Testkapazitäten aufbauen. Das könnte ein Weg zu mehr Sicherheit sein, solange eine weitestgehende Impfung noch nicht gewährleistet ist. Also kann man jetzt schon für die Zeit nach dem Lockdown planen? Unbedingt. Resignation ist keine Option. Wir sollten Tourismus besser möglich machen, etwa durch mehr Digitalisierung. Die Strandampeln in der Lübecker Bucht oder in St. Peter-Ording wurden diesen Sommer sehr gut angenommen und sind mit dem deutschen Tourismuspreis ausgezeichnet worden. Kleine und mittlere Betriebe könnten nun an digitalen Meldescheinen, Rechnungen oder besseren Buchungen arbeiten. Wir hatten Ende Oktober schon wieder hohe Auslastungszahlen. Und die staatlichen Hilfen für Gastronomie und Hotellerie sind auch nicht gerade gering. Die Landgasthöfe und Betriebe im Hinterland litten besonders unter der Krise. Hat sich das mit den Hilfsprogrammen erledigt? Nein. Für die meisten werden die November- und Dezemberhilfen aber auskömmlich sein. Natürlich fehlen im Dezember die Weihnachtsfeiern, mit denen sich sonst ein gewisses Polster aufbauen lässt. Doch die Unterstützung geht ja auch 2021 mit den Überbrückungshilfen weiter. Das Überleben vieler Betriebe lässt sich so sichern, auch wenn man 2021 schon mit einigen Insolvenzen rechnen muss. Das Hauptproblem haben übrigens eher größere Betriebe, die mehr als eine Million Euro Unterstützung brauchen. Da hat die Europäische Kommission die Abrechnung auf Umsatzbasis noch nicht genehmigt – das muss geklärt werden. Inwieweit ändert sich der Tourismus durch die Krise? Ich glaube, dass der Fernreisetourismus noch sehr viel länger brachliegen wird als der inländische. Im Sommer haben wir gesehen, dass viele Menschen länger geblieben sind, während der Trend vor der Krise zu kürzeren Urlauben ging. Wir hatten eigentlich für November eine gute Buchungslage in Schleswig-Holstein, bevor der Lockdown kam. Die wichtigste Botschaft für die Zeit nach der Pandemie lautet aber: Wir sind auf dem Weg, eine Ganzjahresdestination zu werden. Zum Urlaub gehört ja oft auch Shopping. Aber gerade in den Urlaubsorten hat die Krise die Händler jetzt getroffen. Wird es in den Urlaubsorten jetzt viele geschlossene Geschäfte geben? Wir haben sehr dafür gekämpft, dass die Hilfen des Bundes auch auf den Handel ausgeweitet werden. Einzelhändler in Tourismusorten wurden nicht vergessen, denn sie partizipieren an der jüngsten Tranche der Überbrückungshilfe. Heißt konkret: Wenn über 70 Prozent des Umsatzes weggebrochen sind, werden 90 Prozent der Fixkosten als staatlicher Zuschuss erstattet. Aber die Hilfe springt schon bei 40 Prozent Umsatzeinbruch an und steigert sich nach oben. Die CDU-Fraktion forderte eine Steuer für Online-Versender. Wäre das nicht sinnvoll? Nein. Wir müssen dazu aufrufen, dass unsere stationären Einzelhändler den Strukturwandel annehmen und auf mehreren Kanälen unterwegs sind. Jeder, der bisher nur im stationären Handel tätig ist, braucht einen Online-Absatzkanal für die Zukunft. Viele üben das noch mit „Click & Collect“. Doch auch diese Umsätze würde man mit einer Paketsteuer belegen. Den Strukturwandel, der sowieso kommt, kann man so nicht verhindern. Amazon liefert häufig noch am schnellsten und bietet Kundenservice – von dem sich mancher Händler etwas abschneiden könnte. Amazon ist logistisch natürlich ziemlich perfekt aufgestellt mit seinen drei Verteilzentren im Norden. Ich glaube aber, es kommt nicht nur auf schnellen Versand an. Wenn ein Einzelhändler seinem Kunden sagt, bei Deinem nächsten Spaziergang durch die Innenstadt kannst du Ware abholen, dann ist das attraktiv. Die Lieferung nach Hause ist bequem, aber sie macht auch viel Pappe im Papiercontainer aus. Der Handel kann auch versuchen, den Vorteil der Beratung stärker zu nutzen, auch virtuell. Denn es gibt im Netz ja in Wahrheit keine Beratung. Manche Produkte brauchen aber eine Beratung, die nur der Handel bieten kann, nicht Kundenrezensionen im Netz. 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Außerdem bauen wir die industrielle Nutzung von erneuerbarer Energie aus. Beim Thema Wasserstoff: Haben wir jetzt mit dem neuen EEG bessere Voraussetzungen? Wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Anachronismus, der nur für den Anschub der Erneuerbaren richtig war. Heute stehen uns viele Regelungen im Weg. Für die Produktion von Wasserstoff ist es aber wichtig, dass die Umwandlung in Wasserstoff von der EEG-Umlage befreit wurde. Aber es geht um mehr. In der Wärmeproduktion etwa müsste es genauso sein. Das EEG bedarf einer großen Reform, da muss noch viel mehr Marktwirtschaft hinein. Viele glauben, es mit staatlicher Lenkung hinzubekommen. Aber das EEG zeigt, dass solche Planungen immer zu Fehlsteuerungen führen. Die Erkenntnis dafür ist zumindest bei den Grünen eher gestiegen als gesunken. Das kann ich zumindest für die Landesregierung sagen.