Corona-Lockdown: Händler in Schleswig-Holstein demonstrieren Optimismus

Der Siegeszug des Online-Shoppings scheint unaufhaltsam, die Folgen für die Innenstädte werden gravierend sein und vielen Händlern steht das Wasser bis zum Hals – und doch gibt es Kieler Einzelhändler, die Optimismus an den Tag legen. Teils, weil sie von einem großen Nachholbedarf nach der Pandemie ausgehen, teils glauben sie auch nicht an den Erfolg des Online-Handels allein. Gerade, wer sehr spezialisierte, beratungsintensive Ware anbietet, kann sich nicht allein auf Online verlassen. Rainer Ziplinsky, Geschäftsführer von Zippels Läuferwelt, kann mit dem Clock & Collect-Geschäft immerhin rund 25 Prozent des Umsatzes aus der Vor-Lockdown-Zeit machen. Das ist viel, im Schnitt kommt der Handel nur auf zehn Prozent. „Und ich glaube, dass es noch mehr wird. Denn im Frühjahr fangen noch viel mehr Leute an zu Laufen.“ Kieler Einzelhändler und die Online-Shops: Schon seit 2011 beschäftigt er sich mit dem Thema Online-Shop, berichtet Ziplinsky, doch bisher habe er kein Konzept gefunden, wie die Beratung bei den Laufschuhen ins Netz verlagert werden könne. Schließlich sei er ein Fachhändler und keiner, der einfach Ware versende. „Das ist nicht unsere Qualität.“ Einen Online-Shop einzurichten sei zudem mindestens so teuer, wie eine neue Filiale zu eröffnen. Davon hat Zippels bereits fünf in Schleswig-Holstein. Seit 39 Jahren betreibe er das Geschäft in Kiel und die Kundenwünsche in Sachen Beratung hätten sich gar nicht so verändert. Bei ihm gehören zum Beispiel auch Tipps für den Marathonlauf oder für einen Physiotherapeuten mit dazu. „Die Online-Händler sind ja auch nicht unbedingt Händler, sondern IT-Fachleute, die Shops betreiben“, sagt er. Doch auf Dauer werde man um das Thema Online-Shop wohl nicht herumkommen, räumt Ziplinsky ein. Online-Shop kostet Kapazitäten: Ausschließlich im Geschäft bietet Özlem Tamer vom Milara Fashion am Alten Markt ihre Mode an. „Die persönliche Beratung gehört bei uns dazu, wir sind ein Familienunternehmen“, sagt Tamer. Aber: „Wir bekommen die Ware nicht an den Kunden.“ Einen Online-Shop kann sie nicht anbieten, dafür habe sie nicht die Kapazitäten. „Aber für Kunden, die etwas im Schaufenster entdecken, und mich anrufen, mache ich Click & Collect.“ Dafür müsse sie aber eigens ins Geschäft fahren. Im Online-Handel würden die ganz großen Anbieter dominieren, findet Tamer. „Meine Kunden wollen die Ware anfassen und erleben.“ "Mir fehlt da etwas die Zügigkeit": Sie fordert: „Es muss bald wieder losgehen, am besten ab 15. Februar. Bis Ostern können wir nicht warten.“ Sie hätte kein Verständnis, wenn bei einem niedrigen Inzidenzwert die Friseure wieder öffnen dürften, die Einzelhändler aber nicht. Dem Ministerpräsidenten mit seinem Vorstoß eines Lockerungsplans kann sie viel abgewinnen: „Hut ab, dass er es angesprochen hat.“ Sie erwartet aber auch von der Politik, dass sie dem Handel helfe. „Mir fehlt da etwas die Zügigkeit.“ Auch bei Milara Fashion sind die Lager gefüllt. „Da steckt viel Geld in dem Laden“, sagt Tamer. Und nach Ostern wolle wohl keiner mehr einen Winterpulli kaufen – die Zeit dränge. Buchhandlung mit Online-Geschäft: Nicht nur in seinem Geschäft, auch Online bietet dagegen Wolfgang Erichsen seine Waren an. Er ist Buchhändler in der Dänischen Straße in Kiel. Und im Lockdown läuft bei ihm das Click & Buy-Geschäft. „Die Leute bestellen per Telefon oder Mail, oder über den Online-Shop. Und sie lassen weniger liefern als im ersten Lockdown, sondern holen persönlich ab. Ich habe den Eindruck, die sind froh, auch einmal herauszukommen.“ Dem Lockdown entsprechend ist zwar auch bei Erichsen & Niehrenheim der Umsatz um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen, was aber immer noch ein gutes Stück laufendes Geschäft lässt. „Das Online im Moment so profitiert, das wundert mich überhaupt nicht“, sagt Erichsen. „Aber nach dem Lockdown wird das Geschäft ganz schnell wieder zurückkommen. Sicher, in einigen Bereichen wie dem Holstenfleet wird es dauern, bis die Gastronomie voll in Betrieb ist. Aber ich bin optimistisch.“ Lesen Sie auch: Prien kündigt flexible Prüfungsregeln für Schulen an Perspektivplan: Diese Lockerungen sieht der Stufenplan vor Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. SPD fordert "Innenstadt-Gipfel": Die Lage der Innenstädte und des Einzelhandels müsse zur Chefsache gemacht werden, fordert die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli und drängt auf einen „Innenstadt-Gipfel“. Midyatli: „Die Schließung der Karstadt-Filialen war das erste große Warnzeichen. Jetzt kommen die Einschläge näher.“ Sie erinnert an die Insolvenz von Esprit und Arko und daran, dass immer mehr kleine Einzelhändler im verlängerten Lockdown aufgäben. „Hinzu kommt, dass es den Innenstädten schon vor der Pandemie nicht gut ging. In vielen Orten im Land gab es bereits vor 2020 Leerstand.“ Dabei seien die Innenstädte wichtige Identitätskerne der Städte. Gerade für Schleswig-Holstein sei das eine besondere Attraktivitätsfrage. „Wir wollen, dass Menschen zu uns kommen, um hier ihren Urlaub zu verbringen“, sagt die SPD-Landeschefin. „Dafür reichen nicht nur tolle Strände, zwei Meere, hunderte Seen, kulturelle Highlights und malerische Fahrradwege. Wir brauchen auch Innenstädte, die zum Shoppen und Verweilen einladen.“ Lage der Städte müsse Chefsache werden: Die Zukunft der Innenstädte in Schleswig-Holstein müsse zur Chefsache gemacht werden. „Ich fordere von Ministerpräsident Daniel Günther, dass er zu einem Innenstadt-Gipfel einlädt“, sagt Midyatli. „Wir brauchen kurzfristige Antworten für die Stützung des Einzelhandels und langfristige Konzepte für die Weiterentwicklung der Innenstädte.“ Was in den nächsten Monaten wegbreche, komme so schnell nicht wieder. Die Landesregierung verweist darauf, dass es neben den Hilfsprogrammen des Bundes ja auch den Härtefall-Fonds des Landes gebe, der auch dem Handel zugutekomme. Die Probleme diskutiere man bereits mit Einzelhandel und Kammern, etwa auf dem „Runden Tisch starke Zentren“, der erst vor einer Woche zusammen kam.