„KI-Transfer-Hub“: Schleswig-Holstein gibt Gas bei Künstlicher Intelligenz

Autonome Roboter im Weltraumeinsatz, selbstlernende Systeme, die den Verlauf von Krankheiten und die Wirksamkeit einer Therapie einschätzen, intelligente Anwendungen zur besseren Prognose von Unwettern oder Erdbeben: Künstliche Intelligenz ist ein Megatrend. Doch inwieweit spielt da Schleswig-Holstein mit? Ein neues Netzwerk aus Wissenschaft und Unternehmen im Land soll dafür sorgen, dass gute Ideen nicht versanden, sondern möglichst schnell zu Wertschöpfung und Jobs führen. Künstliche Intelligenz in Schleswig-Holstein: Es gibt viele Hindernisse: Doch der Weg ist steinig, Zögerlichkeit und Bedenken in vielen Betrieben und die Sorge vor Fremdbeherrschung durch Software und Roboter bremsen das Vorhaben. Und die nicht gerade einfache Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Privatwirtschaft ist auch kein Turbo für den Technologietransfer. Mit dem neuen „KI-Transfer-Hub SH“ soll nun alles besser werden. Das Erfolgsbeispiel Bareways: Moritz von Grotthus (50) gehört zu denjenigen, die das neue Netzwerk erst mal richtig gut finden. Schließlich könne ein enger Austausch zwischen den Akteuren gerade dem Mittelstand helfen, die enormen Chancen Künstlicher Intelligenz zu nutzen. Doch der Gründer des Lübecker Startups Bareways warnt auch vor zu hohen Erwartungen: „Künstliche Intelligenz ist ein Buzzword, ein Oberbegriff für eine Ansammlung von Software zur Nutzung großer Datenmengen.“ Dabei sei das, was man heute KI nennt, keineswegs neu, sondern locker 40 Jahre alt, sagt der Jurist und passionierte Jäger, der über mehrere Stationen aus dem Frankfurter Raum nach Schleswig-Holstein kam und hier bereits ein Start-up zum Erfolg geführt hat: Gestigon, ebenfalls aus Lübeck, hat sich innerhalb weniger Jahre vom Niemand zu einem Top-Anbieter für das berührungslose Bedienen von Maschinen entwickelt. Lesen Sie hier: GPT-3: Diese KI schreibt wie ein Mensch – wird sie zum Problem? Gestensteuerung ist eines der ganz großen Zukunftsthemen für Autobauer, Anbieter von Unterhaltungselektronik und Medizintechnik. Ohne KI hätte es Gestigon nicht gegeben und auch nicht die 65 Arbeitsplätze, die das Unternehmen heute bietet. Und ohne KI würde es auch Bareways nicht geben. Das 2019 gegründete Unternehmen entwickelt ein intelligentes Navigationssystem, das Autofahrern gerade für lange Strecken oder Touren in der Pampa optimale Routenempfehlungen gibt und dafür auch Wetterprognosen integriert. Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen: Mit einer virtuellen Expertenrunde vor mehr als 200 Zuschauern ging das „KI-Transfer-Hub SH“ gestern offiziell an den Start. Das Netzwerk soll die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz in der Wirtschaft sichtbar machen und den Wissenstransfer beschleunigen. Unter anderem dabei: Uni und Fachhochschule in Kiel, Universität und Technische Hochschule Lübeck, die Uni-Transfer-Klinik Lübeck und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft WTSH. Öffentlich gefördert wird das zunächst bis 2023 angelegte Vorhaben mit knapp drei Millionen Euro. Schleswig-Holstein hat Potenziale der KI erkannt: Insgesamt schießt Schleswig-Holstein rund 40 Millionen in KI-Entwicklungen. Gut angelegtes Geld, findet der Ministerpräsident: „Das Land hat die Potenziale der Künstlichen Intelligenz erkannt und will damit bundesweit eine führende Rolle übernehmen“, sagt Daniel Günther (CDU). Zentrale Botschaft der Veranstaltung: KI ist nicht nur ein Thema für hoch spezialisierte Unternehmen in den Metropolen weltweit, sondern bietet auch kleinen Unternehmen enorme Möglichkeiten. Lesen Sie hier: Hightechpatente - Europa fällt bei vierter Industrieller Revolution zurück „Keine Firma, keine Branche sollte glauben, KI komme für sie nicht infrage“, sagt Wolfgang Hildesheim, Experte für Künstliche Intelligenz beim IT-Riesen IBM. Als Beispiel für eine mittelstandsnahe Nutzung sieht er etwa intelligente Bot-Systeme, die Kunden die Funktionsweise von Produkten erklären oder die Wartung unterstützen. In der Landwirtschaft („Smart Farming“) könne KI etwa die Gewichtskontrolle in der Schweinemast erleichtern. Noch hat KI viel Luft nach oben: Noch ist KI nur in zarten Ansätzen die Basis für Jobs und Wertschöpfung im Norden. Doch das muss sich zeitnah ändern, wenn Schleswig-Holstein im internationalen Wettbewerb auf Augenhöhe mit Chinesen oder Amerikanern auftreten will. Immerhin: Es gibt Erfolgsbeispiele. Elokon aus Tornesch etwa mit Assistenzsystemen für den sicheren Betrieb von Gabelstaplern. Oder Perfood aus Lübeck: Das Start-up nutzt KI für die Digitalisierung medizinischer Therapien, etwa bei Übergewicht oder Migräne. Und dann gibt es die Naeco Blue GmbH aus Bad Schwartau mit Software für standortgenaue Einspeiseprognosen für Wind- und Solarenergie. „Die Hürde, Expertise auf dem Gebiet der KI aufzubauen, ist recht hoch“, sagt Andreas Hennig, Projektleiter des KI-Transfer-Hubs SH: „Genau das wollen wir ändern.“