Kieler Modelabel startet nach Insolvenz neu: Wie aus Shisha Noorlys wurde

Dies ist eine Geschichte vom Straucheln, Hinfallen und wieder Aufstehen – eine Geschichte, wie sie die Pandemie massenhaft produziert. Doch in dieser Geschichte hat nicht allein Corona Träume zerstört, sondern auch der fatale Bedeutungswandel eines Wortes, das sich ein studentisches Start-up 2004 als Markennamen für selbst designte Surf-Klamotten ausgesucht und zu beachtlichem Erfolg im Netz und stationären Handel geführt hatte: Shisha. Ein Modelabel zu gründen – das war zunächst eine Schnapsidee, die Christoph Schwarz (44) und seinem damaligen Mitbewohner Till Dunemann – beide damals Mitte 20 – nach einer Surfsession auf den Malediven kam. Till ging dann als Surflehrer nach Ägypten und brachte eine Wasserpfeife mit. Schwarz erinnert sich: „Seitdem nannten uns alle die Shisha Dudes.“ T-Shirt-Druck in der Studenten-WG: In der Kieler Studenten-WG begannen die Jungs, auf dem Küchentisch T-Shirts zu drucken und an Surfshops zu verkaufen. „Der Name Shisha klang damals sympathisch und weckte keine befremdlichen Assoziationen“, sagt Schwarz. Das Label wuchs zu einer ernstzunehmenden Marke heran, auch große Händler wie Zalando, About You und DefShop wurden auf die Kieler aufmerksam. Fataler Boom der Wasserpfeifen: Doch mit dem Wasserpfeifen-Boom und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren hat der Name seine Unschuld verloren. Immer schwerer fiel es den Kielern, bei der Google-Suche gegen die Flut an Rauchgeräten und Tabakerzeugnissen anzukommen. Das bekamen auch die Handelspartner zu spüren, als sie versuchten, den Markennamen Shisha im Online-Marketing zu pushen: Algorithmen stuften die PR als Tabakwerbung ein und blockten sie. PR als Tabakwerbung geblockt: Eine fatale Entwicklung: Schnell sprangen die ersten großen Kunden ab, der Absatz geriet ins Stocken. Auch weil das Streben nach ökologischen und nachhaltigen Produkten nicht mehr zum Namen Shisha passte, gründete man eine zweite Marke: „Noorlys“. Ein Schicksalsschlag folgte auf den anderen: Doch wie es in Krisen so ist, häuften sich die Schicksalsschläge. Schwarz erinnert sich: „Als wir gebeutelt von den Ereignissen vor Corona ins Jahr 2020 blickten, hatten wir etliche Maßnahmen zur Restrukturierung unseres Unternehmens umgesetzt, sodass wir sehr optimistisch waren.“ Doch mit Corona kam Sand ins Getriebe. Die Pandemie traf das Land besonders heftig, in denen die Shirts und andere Textilien hergestellt werden: Portugal. Spinnereien, Färbereien, Textildruckereien, Nähereien – sie alle waren vom Lockdown gebeutelt. Lesen Sie hier: Drei Wege zu umweltbewusster Mode Vor dem ersten Lockdown war Shisha noch gut auf die Saison vorbereitet – doch dann kam es zur Schließung aller Läden. Das Unternehmen war gezwungen, Ware teilweise Monate zurückzuhalten. Diese Verzögerung wirbelte den Produktionsrhythmus derart durcheinander, dass man die Händler nicht mehr rechtzeitig beliefern konnte. Es fehlte auch Ware für den Onlineshop. Und: Alle wichtigen Verkaufsevents und Festivals wurden abgesagt. Dann auch noch ein niederschmetternder Anruf der Hausbank, die im August – mitten in der Pandemie – auf die umgehende Rückzahlung einer Kreditlinie pochte. Das bedeutete: Insolvenzantrag. "Firmenretter" als Helfer in der Not: Doch glücklicherweise hatte das Unternehmen die Unterstützung des Betriebswirts Oliver Reetz vom Beratungsunternehmen Firmenretter aus Schwentinental. Gemeinsam tüftelte man ein Modell für den Neustart im Rahmen einer übertragenden Sanierung aus: Markenrechte, Ware, Büroeinrichtung und Fahrzeuge gingen in eine neue Gesellschaft über. Der neue Name: Noorlys. Der Neustart läuft gut – trotz Corona. Zu kaufen sind die in Kiel entworfenen Klamotten – vom Sweatshirt über Hosen bis zu Kleidern und Jumpsuits – in mehr als 60 Läden entlang der norddeutschen Küste, aber auch in mehreren Stores an der dänischen Westküste. Das Team packt jedes Online-Paket selber: Die Fäden laufen am Kieler Theodor-Heuss-Ring zusammen, hier ist die Noorlys-Zentrale mit Design- und Fotostudio, Büro, Lager und einen eigenen Laden. Von hier beliefert das fünfköpfige Team seine Händler – und packt jedes Onlineshop-Paket selbst. Noorlys gegen Fast-Fashion-Industrie: Die Noorlys-Mannschaft sieht sich durch die Krise auch gestärkt. Der Gründer fasst es so zusammen: „So schwer uns die Insolvenz fiel – sie hat uns nicht den Mut genommen, unseren Kampf gegen die Fast-Fashion-Industrie weiterzuführen.“ Lesen Sie hier: Als Mutter im Job diskriminiert: Sophie Jöhnk gründete ihre eigene Marke