Ob in Bredenbek, Holtsee, Rieseby, Schmalensee oder Bargteheide oder in vielen Gemeinden an der Westküste: Fast überall, wo neue Windkraftanlagen geplant werden, bestehende vergrößert (Repowering) oder Windparks erweitert werden sollen, gründen sich Bürgerinitiativen. Die Windkraftkritiker tauschen sich im Internet mit Namen wie Gegenwind oder Windwahn aus. Ihre Argumente sind vielfältig und von Ort zu Ort verschieden. Aber die Angst vor dem Infraschall und dessen möglicherweise gesundheitsschädliche Folgen findet sich fast überall.
Der Ausbau der Windindustrie schreite in Schleswig-Holstein „erschreckend voran“, sagt der Eckernförder Mediziner und Psychotherapeut Christian Rohrbacher. Selbst in Naturschutzgebieten wie dem Naturpark Schlei würden Anlagen genehmigt – „ohne Rücksicht auf schützenswerte Vogelarten wie Seeadler, Uhu, Kranich oder Singschwan“ – und ohne die „verheerenden Wirkungen der Riesenanlagen“ auf die Menschen zu berücksichtigen. Rohrbachers Argumente sind unter den Kritikern weit verbreitet: Demnach gefährden Windkraftanlagen vor allem die Gesundheit der Menschen, die in einem Umkreis von zwei bis drei Kilometern leben. Sie seien hörbarem Lärm ausgesetzt, vor allem aber dem nicht hörbaren Infraschall (siehe Stichwort). Internationale Studien hätten gezeigt, dass Dauerbelastung durch Infraschall krank machen könne.
Rohrbacher beruft sich unter anderem auf eine schwedische Studie, derzufolge etwa 30 Prozent der Anwohner in der Nähe von Windkraftanlagen über Beschwerden berichteten: Migräne, Schwindel, hoher Blutdruck, Seh- und Schlafstörungen, Angstzustände oder Beklemmungen. Die Schweden erklären das so: Die Schalldruckwellen bewirken im flüssigkeitsgefüllten Hohlraum des Innenohres eine Art Massage-Effekt des Gehör- und Gleichgewichtssinnes. Und dieser andauernde „pulsierende Schalldruck“ könne bei Menschen mit „sensorischer Überempfindlichkeit“ zu den oben erwähnten Beschwerden führen.
Aufwind haben die Windkraftkritiker durch eine Diskussion in Dänemark bekommen. Dort sorgte der Bericht eines Nerzzüchters für Aufsehen: Infraschallwellen eines nahegelegenen Windparks hätten seine Tiere verrückt gemacht, sie hätten sich gegenseitig gebissen, tiefe Wunden zugefügt oder sogar getötet. In der Folge meldeten sich überall im Land weitere Schallopfer. Das Parlament in Kopenhagen beschäftigte sich damit, und die Regierung gab eine umfassende Studie in Auftrag. Ergebnisse sollen bis 2017 vorliegen. Einige Kommunen haben Windkraftplanungen bis dahin auf Eis gelegt. In Dänemark haben sich die Wellen aber mittlerweile wieder gelegt, auch weil sich andere Nerzzüchter gemeldet haben, deren Farmen ebenfalls in direkter Nachbarschaft zu Windparks liegen – und deren Nerze friedlich sind.
Windkraftplaner und Windparkbetreiber in Deutschland verweisen hingegen auf eine Reihe von Studien, die keine Hinweise auf gesundheitsschädliche Folgen des Infraschalls gefunden haben. Nicole Knudsen vom Bundesverband Windenergie (BWE) in Schleswig-Holstein nennt beispielsweise eine Arbeit des renommierten Massachusetts Institute oft Technology (MIT), Messungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und den Zwischenbericht einer Studie der Landesanstalt Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. „Alle vorliegenden Messungen zeigen übereinstimmend, dass Infraschall von Windkraftanlagen auch im Nahbereich der Anlagen deutlich unterhalb der menschlichen Hörschwelle, Wahrnehmungsschwelle und damit auch deutlich unterhalb einer denkbaren Wirkschwelle liegt“, so der BWE. Zu diesem Schluss kommt auch das Ministerium für Energiewende in Kiel: Die Infraschallpegel von Windkraftanlagen könnten „nach heutigem Stand der Wissenschaft“ beim Menschen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit hervorrufen.
Das Umweltbundesamt beschäftigt sich auch mit dem Thema, hat 1200 Publikationen gesichtet, die seit 1950 zum Thema Infraschall und Einwirkungen auf den Menschen erschienen sind, und kommt zu dem Ergebnis: „Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind nach derzeitigem Wissensstand nicht zu erwarten.“ Das Amt hält jedoch weitere Forschungsarbeiten für notwendig und hat in diesem Jahr eine auf drei Jahre angelegte Studie zu den „Wirkungen von Infraschallimmissionen“ gestartet – allerdings stehen dabei „Windenergieanlagen nicht im Fokus“.
Beim BWE nimmt man die Ängste und Beschwerden der Anwohner ernst, sagt der Landesvorsitzende Reinhard Christiansen. „Wir machen uns deswegen dafür stark, dass die vorgeschriebenen Abstände auch eingehalten werden.“
Doch genau das ist der Punkt: Die gesetzlich vorgeschrieben Abstände zu Häusern und Orten von 400 Metern (Einzelhäuser im Außenbereich) bis 800 Metern (Siedlungen) sind Christian Rohrbacher aus Eckernförde viel zu wenig: „Mindestens zwei bis drei Kilometer Abstand zu jeglicher Wohnstätte“ fordert er. Nur dann seien die dort lebenden Menschen einigermaßen sicher. Der Konflikt um die Windkraft und die Diskussionen um Lärm und Infraschall dürften sich daher in den nächsten Jahren wohl eher noch verschärfen. Denn der Ausbau schreitet voran.