Lockdown: Handel in Schleswig-Holstein erleichert, doch Kunden fehlen

Der Einzelhandel in Schleswig-Holstein ist erleichtert, weil es keine weiteren Einschränkungen im zwieten Lockdown geben soll, berichtet Mareike Petersen vom Handelsverband Nord. Die Beschränkungen in anderen Bundesländern bei der Zahl der Kunden sei durch nichts zu rechtfertigen. Dort muss ab 800 Quadratmetern Verkaufsfläche auf eine Person 20 Quadratmeter Fläche kommen. Die Beschränkungen können vor allem im Lebensmittelhandel für Probleme sorgen. Nicht unrealistisch ist es Petersen zufolge, dass Hamburger ins Umland nach Schleswig-Holstein fahren, um dort einzukaufen. Vertrauen in Sicherheit jetzt entscheidend: Seit Ende des Frühjahrslockdowns hätten die Gewerbetreibenden verantwortungsbewusst gehandelt, sagt Björn Petersen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schleswig-Holstein. Sie hätten stringente Hygienekonzepte erarbeitet und ein angenehmes und sicheres Einkaufserlebnis ermöglicht. „Die Entscheidung, angesichts der vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen weiterhin darauf zu vertrauen, sendet ein ermutigendes Signal. Denn gerade jetzt ist das Vertrauen in die Sicherheit entscheidend, damit unsere Geschäfte vom Weihnachtsgeschäft profitieren können.“ Weiter Flaute im Textil-Einzelhandel: Doch dieses Geschäft macht dem Handel weiter Sorgen: In jeder Hinsicht gelte der Ist-Zustand aus dem aktuellen Monat weiter, sagt Petersen. „Die Kunden kommen genauso wenig im im November.“ Angesichts des Lockdowns sei die Konsumlaune weiterhin niedrig. „Da kommen Unsicherheit, Maskenpflicht, fehlende Weihnachtsmärkte und der Appell zusammen, soziale Kontakte zu meiden“, so die Handelsverbands-Expertin. Das bedeutet: Während in einigen Bereichen, wie dem Lebensmitteleinzelhandel oder Geschäften mit Wohnaccessoires mehr los ist, herrscht in anderen, wie dem Textil-Einzelhandel, weiterhin Flaute. Das belegt auch der Konsumklima-Index: Der Lockdown, der in die Verlängerung bis Weihnachten geht, habe die Verbraucherstimmung spürbar gedämpft, teilte das Konsumforschungsunternehmen GfK gestern mit. „Der weitere Verlauf des Infektionsgeschehens in den kommenden Wochen wird maßgeblich darüber bestimmen, ob sich das Konsumklima wieder stabilisieren kann“, sagte GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl. Gehen Sie nicht mit der ganzen Familie los: Immerhin herrscht auch im Lebensmittelhandel Erleichterung, dass es im Norden keine strikteren Beschränkungen für Kunden gibt. Der Schlemmermarkt von Marten Freund an der Holtenauer Straße ist zum Beispiel über 2000 Quadratmeter groß. Trotzdem wird es voller, wie Freund berichtet. Gerade am Sonnabend kämen viele Kunden zum Einkaufen. „Deshalb appelliere ich dringend: Gehen Sie nicht mit der ganzen Familie und auch nicht zusammen mit Ihrer Frau oder ihrem Mann einkaufen.“ Es müsse nicht sein, dass zwei oder mehr Personen aus einem Haushalt ihren Einkaufswagen durch die Gänge schieben. „Da kann ihr Mann oder Ihre Frau doch auch vor der Tür warten und ihnen später mit dem Einkauf helfen“, sagt er. Denn Freund sieht schon den Ansturm in den Dezembertagen, und dann könne er auch nicht mehr garantieren, dass er den Zugang beschränken müsse, wenn zu viele Kunden im Geschäft seien – und es könne so auch Schlangen vor der Tür geben. Corona-Regeln für Dezember: Teil-Lockdown bleibt, Schleswig-Holstein hält an 10-Personen-Regel fest Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein An diesen Schulen und Kitas gibt es Corona-Fälle Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Partyservice mit Umsatzeinbrüchen: „Machen Sie sich rechtzeitig Gedanken über ihre Weihnachtseinkäufe“, rät Freund und fügt hinzu: „Man muss auch nicht stets zur gleichen Zeit Einkaufen gehen. Vielleicht drehen Sie Ihren Tagesablauf etwas um, gehen erst in den Supermarkt und lesen dann Ihre Zeitung“, rät er zum „antizyklischen Einkauf“. Während der Lebensmittelmarkt gut liefe, müsse der Party-Service mit Umsatzeinbrüchen kämpfen – viel werde nicht bestellt, sagt Freund. Er hofft auf Weihnachten als Lichtblick, denn zum Fest würden viele Kunden bestellen. Dass jetzt die Adventszeit beginne und es auch im Supermarkt voller werde, berichtet auch Anke Knop, stellvertretende Marktleiterin bei Edeka Johannsen in Gettorf. „Es gilt ja weiter die Regel, dass der Einkauf kein Familienausflug sein soll. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber man sollte nicht in der Gruppe zum Einkauf gehen.“ Die Lage bei der Gastronomie im Land: Wenigstens gebe es jetzt eine klare Ansage für die Gastronomie, sagt Axel Strehl, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga im Land. Dafür sei er Ministerpräsident Günther dankbar, denn in anderen Ländern bleibe die Lage über Weihnachten unklar. Hier wisse man, dass bis Januar nicht mehr geöffnet werde. Wobei es auch nicht viel gebracht hätte, für wenige Tage zwischen Weihnachten und Neujahr den Betrieb hochzufahren, sagt Strehl, der selbst ein Restaurant in Ahrensburg betreibt. Aber er ist überzeugt, dass die Gastronomie mit den Hilfen durch die zwei Monate, die geschlossen sein muss, einigermaßen durchkommen könne. Kurzarbeit bringe oft nicht viel: Dass die November-Hilfen immer noch nicht fließen, das sei das „einzige Manko“, das er im Moment ausmacht. Der Ersatz von 75 Prozent des Umsatzes sei die richtige Größe. Strehl glaubt übrigens nicht, dass es sich lohne, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken: Sie seien viel zu wertvoll, als dass man riskieren sollte, sie zu verlieren. Und: „Finanziell gewinnen Sie als Gastronom nicht viel damit, weil die Kurzarbeit bei den Hilfen gegengerechnet wird.“ Bei der IHK zu Kiel hofft Julia Körner, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, dass alle Unternehmen weiterhin umsichtig agieren. „Denn dann wären Erleichterungen für die zurzeit zu weitgehender Untätigkeit verdammten Gastronomen, Hoteliers und Freizeitanbieter in Sichtweite. November-Hilfen müssen fließen: Diese Branchen haben wirksame Hygienekonzepte in der Anwendung. Wir appellieren daher an die Politik, bei dauerhaft geringerem Infektionsgeschehen Erleichterungen zuzulassen, wie sie auch in den neuen Beschlüssen vorgesehen sind.“ Es sei aber wichtig, dass die November-Hilfen zumindest in Anteilen auch noch im November fließen. „Die Verlängerung des Lockdowns mit den Hilfen müsste in Ordnung sein“, sagt Agron Salihu von der Fischküche Laboe. Schlimm sei es für die Mitarbeiter, weil ihnen das Trinkgeld fehle, und auch für die Aushilfen wie Studenten, die meist nicht mehr beschäftigt werden können. Betriebe, die keine ausreichende Rücklage gebildet hätten und jetzt auf das Geld der November-Hilfen warten müssten, gerieten in die Klemme. Das ziehe sich schon hin, sagt Salihu. Außer-Haus-Geschäft macht auch Spaß: Auch er betreibt Außer-Haus-Geschäft in Laboe, aber nicht unbedingt, weil es sich lohne, sondern weil er so die Mitarbeiter beschäftigen könne, zumindest zeitweise. „Die wissen so, dass sie gebraucht werden.“ Er hat sie nicht in Kurzarbeit geschickt, denn er weiß: „Die Angestellten sind das Kapital von morgen.“ Im Restaurant Schone Aussichten in Kiel bietet Geschäftsführer Dea-Young Lee Einweckgläser mit Gerichten zum Mitnehmen an, die im Saal aufgebaut sind – dort wo eigentlich jetzt gefeiert werden würde. Er sagt: „Das muss zwar noch anlaufen, aber es macht schon jetzt sehr viel Spaß.“ Zwar vermisst Lee das Dezember-Geschäft, doch auch er glaubt, dass man mit den Hilfsmaßnahmen durchkommen könnte – wenn sie denn endlich fließen würden.