ULD-Datenschützerin Marit Hansen verklagt Schleswig-Holstein

Hintergrund sind die fast vier Jahre langen, 2019 jedoch eingestellten Ermittlungen gegen Hansen wegen mutmaßlichen Betrugs bei der Abrechnung von Projektfördermitteln. Hansen spricht von "Pleiten und Pannen": Die Datenschützerin wirft der Staatsanwaltschaft vor, das im Oktober 2015 eingeleitete Verfahren verzögert und ihr sowie dem ULD insgesamt geschadet zu haben. Zudem seien die Ermittlungen „von Pleiten und Pannen“ geprägt gewesen. Unter anderem seien Datenbestände mitgenommen worden, deren Beschlagnahme vom Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt gewesen sei. Auch habe der zuständige Staatsanwalt zwei Zeugen ohne Aussagegenehmigung vernommen. Schließlich sei eine wichtige, entlastende Information mehr als elf Monate nicht zu den Akten gelangt. Vor allem aber hätten sich die Ermittler durch die Anzeige eines gekündigten ULD-Mitarbeiters auf die falsche Spur bringen lassen. Hansen: „Der Anfangsverdacht beruhte auf gravierenden Fehlinformationen.“ Gericht billigte ihr Entschädigung zu: Gestützt wird diese Aussage nicht nur durch eine Überprüfung der Abrechnungspraxis durch das Bundesforschungsministerium, sondern auch durch eine Entscheidung des Amtsgerichts Kiel, das der ULD-Chefin einen Entschädigungsanspruch zugebilligt hat. Doch das reicht Hansen (50) nicht. Sie sieht durch die 44 Monate langen Ermittlungen ihren Ruf beschädigt und zum Teil auch die Arbeit des ULD beeinträchtigt. Mit ihrer Klage, die sich gegen das zuständige Justizministerium richtet, will die Diplom-Informatikerin vom Schleswiger Gericht feststellen lassen, dass die Dauer des Verfahrens unangemessen war und dies der Staatsanwaltschaft auch bewusst gewesen sei: „Eine Strafverfolgungsbehörde in einem Rechtsstaat darf Ermittlungen nicht verschleppen.“ Verärgert ist die Datenschützerin auch darüber, dass die Staatsanwaltschaft in der Begründung der Verfahrenseinstellung die Möglichkeit einer geringen Schuld offen gelassen hat: „Alle Abrechnungen waren sauber, und das ist auch belegt.“ Fast vier Jahre unter Betrugsverdacht: Ende Oktober 2015 hatte ein Ex-Mitarbeiter des Landesdatenschutzzentrums Strafanzeige gegen die oberste Datenschützerin Schleswig-Holsteins erstattet und ihr vorgeworfen, bei der Abrechnung von Förderprojekten betrogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft sah einen Anfangsverdacht: Bei der Abrechnung drittmittelgeförderter Projekte sollen Arbeitszeiten und Auslagen als projektbezogen angegeben und abgerechnet worden sein, obwohl sie es nicht gewesen seien. Mitarbeiter seien aufgefordert worden, Zeiten und Auslagen falsch zu erfassen. Mit dem unzutreffend erfassten Aufwand sollen die Beschuldigten – Hansen und einer ihrer Mitarbeiter – dann zu Unrecht Fördergelder erhalten haben. Dreimal wechselte die Zuständigkeit: Ermittler des Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft rückten auf richterlichen Beschluss zur Razzia im ULD aus, beschlagnahmten Akten und Datenträger. Doch das Verfahren kam ins Stocken. Viermal legte die ULD-Chefin Beschwerde ein. Dreimal wechselte im Laufe der Ermittlungen der zuständige Staatsanwalt. „Die lange Zeit war sehr frustrierend für mich und meine Familie“, sagt Hansen, die nach eigenen Angaben auch beruflich gelitten hat. ULD soll Grote-Rücktritt prüfen: Die Angelegenheit hat politische Brisanz. Das ULD ist in Sachen Datenschutz Aufsichtsbehörde für Staatsanwaltschaft und Ministerien. Die Staatsanwaltschaft steht wegen ihrer Rolle rund um den Rücktritt von Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) und einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni in der Kritik. Hansen soll die Umstände des Grote-Rücktritts datenschutzrechtlich durchleuchten. Dabei geht es auch um die Weitergabe sogenannter Bestra-Berichte und um eine mögliche Verletzung des Briefgeheimnisses: Das Innenministerium hatte rund 30 Briefe, die nach Grotes Ausscheiden im Minister-Büro aufgelaufen waren, lose in einem Din-A4-Umschlag an dessen Privatadresse in Norderstedt geschickt – ausnahmslos geöffnet und aus den Briefumschlägen genommen. Trotz ihrer Klage sieht sich Hansen nicht als befangen an: „Die Prüfung richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben des Datenschutzrechts.“ Forschungsministerium fand keine Fehler: Erst zum Ende des Verfahrens, so Hansen, habe die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage dem Bundesforschungsministerium (BMBF) die Ermittlungsakten zur Verfügung gestellt. Dort gab man eine vertiefte Prüfung der Fördermittelverwendung in Auftrag. Das dreiköpfige Prüfteam aus Berlin war im Oktober 2019 mehrere Tage vor Ort und durchleuchtete die Abrechnungen zahlreicher Projekte. Resultat: keinerlei Fehler, keinerlei Betrug. Frustriert ist Hansen darüber, dass dieser Sachverstand nicht frühzeitig genutzt wurde: „Dann hätten sich die Vorwürfe schnell aufklären lassen.“ Schieflaufen könne immer etwas: „Aber dann muss man auch dazu stehen und sich möglicherweise entschuldigen.“ Staatsanwaltschaft weist Vorwürfe zurück: Dafür sieht man bei der Staatsanwaltschaft keinerlei Veranlassung. Das Verfahren sei „stets angemessen gefördert“ worden, sagt Oberstaatsanwalt Henning Hadeler. Die Dauer begründet er mit dem „besonderen Umfang“ durch die notwendige Vernehmung zahlreicher Zeugen und Sachverständiger, zeitintensiver Auswertetätigkeit bei der Polizei sowie „einer Schwierigkeit der Rechtslage“. Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Corona in Schleswig-Holstein: So viele Genesene und Erkrankte gibt es aktuell Sülfeld: 10 Covid-19-Fälle im Altenheim 30 neue Corona-Fälle im Kreis Schleswig-Flensburg: Ausbruch bei Wurstbetrieb und im Pflegeheim Ärger über Kita-Notbetreuung im Kreis Plön #SHbleibstark: Künstlerhilfe aus dem Automaten Lockerung ab Montag: Tagesgäste dürfen wieder auf die Insel Helgoland Cinemaxx Kiel öffnet wieder nach Zwangspause Schleswig-Holstein: Was an den Stränden erlaubt ist Agentur für Arbeit: 1000 neue Mitarbeiter für Kurzarbeiter-Anträge In Corona-Zeiten: Was junge Menschen in Schleswig-Holstein erleben können Bad Segeberg bekommt ein Autokino Was ist eigentlich ein Tagestourist? Fünf Spiele in 20 Tagen: Heißer Juni für Holstein Kiel Einschulung für August 2020 geplant Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite.

Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft - Chef-Datenschützerin verklagt das Land Schleswig-Holstein