VW-Busse und Campingvans: Großes Geschäft mit kleinen Campern

„Ich würde mich schon als Branchengewinner in der Corona-Krise bezeichnen“, sagt Rainer Klug von Camper-Mobil in Kiel. Wer seinen Wagen bei ihm ausbauen lassen will, braucht momentan Geduld. Bis zum Ende der Sommerferien ist das Team, zu dem neben Klug noch ein Kfz-Mechatroniker und ein Tischler gehören, ausgebucht. Allein zwölf Zelt- oder Hochdächer sind vorbestellt. „Uns fehlt es nicht an Aufträgen, sondern an Platz und Material“, sagt Klug. Schon jetzt beträgt die Lieferzeit für Dächer mindestens zwölf Wochen. Der Architekt, der selbst einen T3-Bus besitzt, baut seit 20 Jahren Camping-Vans aus. „Im Gegensatz zu den großen Wohnmobilen ist man im Campingbus viel flexibler und wendiger. Ich kann durch kleine italienische Städte fahren, überall halten, ein zwei Nächte schlafen und wieder weiter“, beschreibt er seine Faszination, die scheinbar immer mehr Menschen mit ihm teilen. Lesen Sie auch: Immer mehr Wohnmobile - Parkprobleme in Kiel Dass der Handel mit den Modellen von VW vor allem in Schleswig-Holstein floriert und die Preise massiv angestiegen sind, beobachtet Rainer Klug seit mehreren Jahren: „Im Norden ist der Markt durch die Surfer kaputtgegangen.“ Wer sich beim Autokauf südlich von Hannover orientiere, könne laut Klug viel Geld sparen. VW-Busse kämen inzwischen kaum noch in seine Werkstatt – da sei die Konkurrenz durch andere Händler, die beispielsweise vorgefertigte Module einbauen, inzwischen zu groß. Stattdessen werden in der kleinen Werkstatt im Kieler Norden Sprinter oder Kastenwagen veredelt. Wer selbst aktiv werden möchte, kann sich in der Werkstatt beraten lassen und Zubehör kaufen. Flexibel Urlaub machen und unabhängig sein: Doch nicht nur Verkauf und Ausbau erleben einen Aufwärtstrend. Als 2019 Hotels und Ferienhäuser zeitweise keine Gäste beherbergen durften, wechselten viele zum Hotel auf Rädern. Wer im Sommer 2020 kurzfristig einen Camper mieten wollte, hatte kaum Chancen. „Wenn wir 50 Bullis gehabt hätte, hätten wir auch 50 vermieten können“, erinnert sich Marc Steen von My Bulli Adventure aus Kiel. Nachdem alle Reisen im Frühjahrslockdown 2020 storniert werden mussten und im Frühsommer die ersten Lockerung kamen, begann der Run auf die Camping-Vans. Das Problem: Die neuen Fahrzeuge, die Steen bei Volkswagen bestellt hatte, wurden erst mitten in der Saison geliefert, denn in Wolfsburg ruhte die Produktion wegen der Corona-Krise wochenlang. Die Firma My Bulli Adventure gehört Rainer Cords und wurde von ihm 2016 gegründet. Zwischen fünf und acht VW-T6-California-Busse gehören zur Flotte. Das Interesse an den Bussen sei immer groß gewesen, habe aber durch Corona noch einen Extraschub erfahren. Statt nach Dänemark oder Schweden zu fahren, steuerten die Leihcamper 2020 allerdings lieber Ziele in Schleswig-Holstein an. Von allen Camper-Vans sind VW-Busse am beliebtesten. Um 32 Prozent ist der Verkauf der sogenannten Bullis von 2019 auf 2020 gestiegen, erzählt Ulf Ewert vom ADAC Schleswig-Holstein. Das ist das vierte Rekordjahr und das siebte Wachstumsjahr. Der Handel mit den kleinen Campern erlebe schon länger einen Aufschwung. „Aufgrund des guten Wiederverkaufswerts sind die Fahrzeuge mancherorts schon zur Geldanlage geworden“, berichtet Ewert. Ein gebrauchter VW-Bus kann je nach Baujahr, Ausstattung und Kilometerzahl im Netz zwischen 5000 und 50000 Euro kosten. Neu kosten die T6-California-Modelle zwischen 50000 und 70000 Euro. Sie sind serienmäßig mit Küchenzeilen, Aufstelldach und umklappbarer Rückbank ausgestattet. 2021: Ein Bulli-Jahr mit Ansage? Lesen Sie auch: Urlaubsplanung 2021 - aber wie? Auch in diesem Jahr ist ein Urlaub bisher kaum planbar. Reisebüros berichten von der Unsicherheit ihrer Kunden. Die wenigstens denken momentan daran, einen Flug in ein anderes Land oder eine Kreuzfahrt zu buchen. Auch bei Steen hielten sich die Anfragen bis vor Kurzem noch in Grenzen. „Jetzt kommen die ersten Anfragen für die Sommerferien in Schleswig-Holstein.“ Auf den Stellplätzen sieht das anders aus. „Viele Gäste, die aufgrund der Krise im vergangenen Jahr zum ersten Mal bei uns waren, haben sich schon angemeldet“, sagt Hanno Köhler vom Campingplatz Heidkoppel. Dort verzeichne man seit einigen Jahren einen Anstieg sowohl bei Wohnwagen, großen Wohnmobilen und Campingbussen als auch bei Zelten. „Sich einfach in den Bus setzen und den nächsten Campingplatz ansteuern, ist kaum noch möglich, weil alles besetzt ist“, bedauert Rainer Klug. Dabei mache die Flexibilität den eigentlichen Reiz aus. Jetzt müsse man im Vorweg reservieren, und selbst Geheimtipps seien dank der sozialen Netzwerke schon lange nicht mehr geheim. „Nach Corona, wenn man wieder fliegen kann, wird das mit Sicherheit etwas abebben.“