Das Kabinett in Kiel habe ausdrücklich eine Öffnungsklausel gefordert, so Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU). Neudeutsch ist von einer Opt-Out-Lösung die Rede. „Diese Forderung der Landesregierung wird nun durch die Opt-Out-Lösung erfolgreich umgesetzt“, sagte Grote. „Wir werden unseren Zeitplan zur Finalisierung der Regionalplanung Wind umsetzen und diese Klausel ziehen.“
Die Opt-Out-Lösung sieht vor, dass ein Bundesland innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Neuregelung geringere Abstände gesetzlich festlegen kann.
Albrecht: Erneutes Nachbessern kommt nicht infrage
Schleswig-Holsteins Landesplanung soll bis spätestens Ende 2020 gerichtsfest vorliegen. Sie sieht zwar die von Berlin geforderten Regelabstände neuer und repowerter Windräder von bis zu 1000 Metern in Nachbarschaft zu Dörfern und Gemeinden vor.
Bei Einzelhäusern und Höfen im sogenannten Außenbereich sollen es mit 500 Metern aber deutlich weniger sein, weil man sich andernfalls vom politisch gesetzten Ziel verabschieden müsste, zwei Prozent der Landesflächen für Windkraft zu reservieren. Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) betonte: „Ein erneutes Nachbessern der Abstandsregelungen im Lichte bundesweiter Vorgaben kommt für mich nicht infrage.“
Von Kalben: Weitere Verzögerung wäre "Vollkatastrophe"
Am Montag legte die Grünen-Landtagsfraktionschefin Eka von Kalben nach: „Es ist ein Unding, dass man meint, ohne Windkraft vorankommen zu können und Bayern völlig davon ausnimmt.“ Alle Länder müssten sämtliche regenerative Kapazitäten nutzen. „Der Stromhunger der Menschheit steigt täglich durch die Digitalisierung und die Erwärmung der Erde.“
Schleswig-Holstein wolle nicht nur die Klimaziele erreichen, sondern betrachte Windenergie auch als Wirtschaftsfaktor. Eine weitere Verzögerung der Landesplanung wäre aus ihrer Sicht „klima- und wirtschaftspolitisch eine Vollkatastrophe“.
Allerdings bleiben Schleswig-Holsteins Grüne beim Klimapaket gesprächsbereit – anders als die Kollegen in Hamburg. Dort hat Umweltsenator Jens Kerstan der mitregierenden SPD bereits seine Ablehnung angekündigt, sollte es nicht zu Nachbesserungen kommen.
Verband fordert ein Nein zu den pauschalen Abständen im Bundesrat
Marcus Hrach, Landesgeschäftsführer des Bundesverbands Windenergie (BWE), findet es zwar gut, dass sich Schleswig-Holstein klar zur Öffnungsklausel bekennt. „Wir appellieren aber an die Landesregierung, dass sie im Bundesrat alles dafür tut, dass die einheitlichen Mindestabstände gar nicht erst eingeführt werden.“
Sie schränkten die Handlungsmöglichkeiten vor Ort massiv ein und sorgten für mehr Frustration, statt mehr Akzeptanz zu erreichen, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Durch eine Einführung würden bundesweit bis zu 50 Prozent weniger an Flächen für Windkraft zur Verfügung stehen als bisher, so Hrach.
„Das ist besonders ärgerlich, da seit vielen Jahren wissenschaftlich bewiesen ist, dass die Höhe der Abstände keinen Einfluss auf die Akzeptanz der Windenergie hat.“
Festlegung der Abstände soll weiter Ländersache bleiben
Torsten Levsen, Vorstandsvorsitzender des Sehestedter Windanlagerbauers Denker & Wulf, nennt das Ergebnis des Klimakabinetts „eine Tragödie für die Windbranche“. Nach dem jahrelangen Moratorium stehe damit der neu entwickelte Regionalplan sofort wieder infrage.
„Ich hätte gedacht, wenn 1,4 Millionen Menschen in Deutschland für das Klima auf die Straße gehen, dass wir dann auch endlich mal einen Schritt nach vorne gehen.“ Der Ausbau von Windkraft an Land sei nötig, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. „Wenn sich die Regeln aber alle paar Monate ändern, werden wir nie fertig.“ Die Festlegung der Abstände solle Ländersache bleiben.
Windkraftgegner begrüßen neue Regelung
Beifall für die 1000-Meter-Regel gab es vom ausbaukritischen Verein Vernunftkraft. „Die Maßnahmen ermöglichen eine wesentlich optimalere und konfliktärmere Energiewende ohne das Risiko, durch einen massiven Akzeptanzverlust das ganze Vorhaben zu riskieren“, so die Vorsitzende Susanne Kirchhof. Sie vertraue „auf das Wort von CDU und FDP“, die Ausbauplanung mit Respekt vor den betroffenen Menschen zu gestalten. Das gehe nur über „akzeptable und gleiche Abstände“, nicht über die Aufweichung der neuen Abstandsregelung.
Von Anne Holbach und Christian Hiersemenzel