Anti-Nazi-Demo Heikendorf: 500 Teilnehmer setzten Zeichen gegen Rechts

Bis zuletzt blieb es spannend: Würde die Veranstaltung trotz jüngster Corona-Beschränkungen überhaupt stattfinden? Ja, war sich Veranstalter Jörg Bremermann sicher, argumentierte mit einem nach wie vor weitreichend geschützten Demonstrationsrecht - und lag mit seiner Einschätzung richtig. Kreis und Polizei hatten jedenfalls keine Einwände gegen die Veranstaltung, natürlich nur unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Und die wurden auch weitestgehend befolgt: Fast alle trugen Masken, achteten - so gut es bei einer Demo eben geht - auf Abstände. Auch sonst hatten die Beamten keinen Grund einzuschreiten. In den rund zweieinhalb Stunden um die Mittagszeit herum gab weder Zwischenfälle noch Provokationen - nicht von Seiten der Demonstranten, nicht von Seiten der rechten Szene. Alles blieb friedlich, sowohl bei einem etwa vier Kilometer langen Protestzug durch die Gemeinde als auch bei der Abschlusskundgebung auf dem Dorfplatz. Heikendorfern reichte es mit rechten Umtrieben : Als sich gegen 11 Uhr der Dorfplatz vor dem Heikendorfer Rathaus mit immer mehr Demo-Teilnehmern füllte, war das Ziel von Jörg Bremermann mit seiner quasi im Alleingang organisierten Veranstaltung schon fast erreicht: "Ich finde es so was von großartig, dass so viele gekommen sind, um in unserer Gemeinde ein Zeichen gegen Rechts zu setzen", rief der Heikendorfer mit leichtem Beben in der Stimme der applaudierenden Menge zur Begrüßung zu. Offenbar reichte es vielen Heikendorfern mit jetzt bekannt gewordenen rechten Umtrieben in ihrer Gemeinde: mal war es ein Banner mit fremdenfeindlichem Spruch („Kehrt in die Heimat zurück! Sie braucht euch!“) auf einem Kinderspielplatz am Künstlermuseum, mal waren es nächtliche „Schießübungen“ mit halbautomatischen Waffen in Waldstücken bei Kitzeberg sowie zwischen Mordhorstweg und Korügen. Jüngster bekannt gewordener Vorfall: Anfang September schmierten Unbekannte ein Hakenkreuz auf die Bücherei-Glastüre genau über dem dort angebrachten „Refugees Welcome“-Plakat (KN-online berichtete mehrfach). Protest der Heikendorfer war erstaunlich entspannt: Die Antwort der Heikendorfer auf die rechten Provokationen fiel aber überraschend entspannt aus. Während des etwa vier Kilometer langen Demo-Zuges durch die Gemeinde gab es weder Pfeifkonzerte, Getrommel noch nennenswerte Sprechchöre. Auch die sonst bei solchen Anti-Nazi-Demos üblichen Störungen durch vermummte Autonome oder Antifa-Aktivisten blieben komplett aus. Stattdessen wurde sichtbar, dass sich hier eine echte Bürgerbewegung in Gang setzte. Senioren mit Rollatoren zogen ebenso mit wie Jugendliche auf Skateboards samt Freundesclique. Manche hatten Schilder gemalt, auf denen zum Beispiel stand: "Heikendorf gegen Nazis" oder "Ich bin gegen Nazis, aber ich rede mit euch!" - und das sogar mit Handynummer unter dem Gesprächsangebot. Lesen Sie auch: Polizei sucht Zeugen von Beinahe-Crash am Wehdenweg "Demokratie und Freiheit sind nicht selbstverständlich": Die Abschlusskundgebung auf dem Dorfplatz wirkte wie eine Ermutigung zu weiterer Wachsamkeit. "Es ist unglaublich wichtig, Gesicht zu zeigen und die Stimme zu erheben gegen Nazismus und Faschismus, so wie es in Heikendorf gerade passiert", rief der DGB-Chef der Kiel-Region, Frank Hornschu, den Menschen in einer leidenschaftlichen Rede zu: "Denn Demokratie und Freiheit sind eben nicht selbstverständlich." Deshalb dürften rechte Umtriebe nicht ohne Widerspruch bleiben. Einen ganz ähnlichen Tenor hatte der Redebeitrag eines prominenten Gastes. Birgit Lohmeyer, bundesweit bekannte gewordene Aktivistin (gemeinsam mit Ehemann Horst) im Kampf gegen die rechte Mehrheit in ihrem Heimatdorf Jamel, sprach den Heikendorfern Mut zu: "Ihr seid ein wichtiger Baustein einer Bewegung gegen Rechts. Macht bitte weiter mit phantasievollen Aktionen und lasst euch nicht einschüchtern."