Darknet-Affäre Bad Bramstedt: Staatsanwalt stellt Ermittlungen ein

Der Versuch, den Vorstand des städtischen Seniorenbeirates nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Hartmut Heidrich (77) wieder zu vervollständigen, blieb am Donnerstag ergebnislos. Niemand aus der im Schloss tagenden Runde wollte das Vorstandsamt übernehmen. Bürgermeisterin Verena Jeske erklärte vor dem Beirat ihr Bedauern über die Vorgänge, zumal die Vorwürfe gegen Heidrich juristisch haltlos waren, denn: Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Heidrich eingestellt. Heidrich war Ende letzten Jahres bei der Polizei angezeigt worden, im Zusammenhang mit Theaterfahrten nach Hamburg öffentlich zum Kauf gefälschter Impfausweise aufgerufen zu haben. Er selbst sagte, er habe in dem verhängnisvollen Schreiben an die Theaterbesucher nur auf verschärfte Hygienebestimmungen in Hamburger Theatern hinweisen wollen. Ein Grund für diese Bestimmungen seien im Darknet erhältliche gefälschte Impfausweise. Heidrich drückte das allerdings missverständlich aus, als er schrieb: „Für diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, gibt es im Darknet, ein spezieller Bereich im Internet, Angebote gegen Geld für gefälschte Impfausweise mit personenbezogenen Daten.“ Staatsanwalt: Wir haben auch den Zusammenhang bewertet: Oberstaatsanwalt Henning Hadeler (Kiel) erklärte dazu auf Anfrage, es habe sich kein „hinreichender Tatverdacht“ ergeben, die Ermittlungen seien eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Kiel habe nicht nur diesen einen Satz bewertet, sondern auch den gesamten Zusammenhang. Eine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat sei daraus nicht beweisbar. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann auch als schallende Ohrfeige für den Hauptausschuss der Stadt gewertet werden. Der hatte in einer internen Sitzung beschlossen, Heidrich solle zurücktreten und sich bei den Theaterbesuchern schriftlich entschuldigen. Anders als die Staatsanwaltschaft hatte der Hauptausschuss den Beschuldigten aber nicht einmal angehört. Bürgermeisterin Verena Jeske hatte jedoch vor der Hauptausschusssitzung im Dezember „regen E-Mail-Verkehr“ mit Heidrich, wie sie am Donnerstag im Seniorenbeirat erklärte. Sie war ins Schloss gekommen, weil in der Diskussion um Heidrich viel „ungesundes Halbwissen“ im Umlauf sei. Zwei Bürger hätten sie damals unabhängig voneinander auf das umstrittene Schreiben hingewiesen. Daraufhin habe sie den Hauptausschussvorsitzenden Stefan Brumm (CDU) informiert. „Ich habe versucht, die Angelegenheit unter dem Deckel zu halten, weil mir schon klar war, dass sonst schmutzige Wäsche gewaschen wird.“ Sie habe auch angeboten, sich im Namen der Stadt bei den Theaterfahrern zu entschuldigen. „Das wurde aber im Hauptausschuss abgelehnt und mit Nachdruck der Rücktritt von Herrn Heidrich gefordert.“ Sie bedaure das, da sie Heidrich als „einen lebensbejahenden und freundlichen Menschen“ kenne. Heidrich: Die Bürgermeisterin hätte mit mir sprechen müssen: Heidrich, der nicht nur den Vorsitz abgegeben hat, sondern auch aus dem Beirat ausgetreten ist, war zu der Sitzung am Donnerstag nicht gekommen. Gegenüber KN-online kritisierte er die Bürgermeisterin. „Sie hätte mit mir sprechen müssen, anstatt nur zwei E-Mails auszutauschen. Und der Hauptausschuss hätte das Versäumnis der Bürgermeisterin ausgleichen, und mich anhören können.“ Dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt wurden, habe er erwartet. Die Polizei habe ihn nur einmal vernommen. „Schon eine Woche später bekam ich den Einstellungsbescheid.“ Der Seniorenbeirat war seinem Vorsitzenden allerdings auch nicht zur Seite gesprungen, was schon im Januar zu interner Kritik am Vorstand und Amtsniederlegung einiger weiterer Vorstandsmitglieder geführt hatte. „Es wäre schon gut gewesen, wenn wir alle geschlossen zurückgetreten wären“, sagte Bernhard-Michael Domberg, der die katholische Kirche im Beirat vertritt. „Ich bedaure, dass wir das nicht gemacht haben.“ Nun galt es, den Vorstand wieder zu komplettieren, was aber misslang. Die Wahl eines neuen Vorsitzenden kam nicht zustande. Niemand in der Runde war bereit, das Amt zu übernehmen. Die Folge: Die bisherige Stellvertreterin von Heidrich, Karen Hemlcke, wird den Vorsitz weiterhin kommissarisch ausüben. Als neuen stellvertretenden Vorsitzende wählte die Runde Jürgen Rohde, Schriftführer wurde Uwe Peter Winkel. Im Sommer wird der Seniorenbeirat Bad Bramstedt neu gewählt: Helmcke hatte allerdings zur Bedingung für ihre kommissarische Leitung gemacht, dass der Beirat vorzeitig neu gewählt werde. So wurde es dann auch beschlossen. Anstatt erst im Frühjahr 2023 wird die Briefwahl nun im Sommer dieses Jahres erfolgen – vorausgesetzt, es finden sich genügend Kandidaten für die 16-köpfige Interessenvertretung. Wahlberechtigt sind alle Bad Bramstedt ab dem 60. Lebensjahr. Aus dem Beirat kam auch der Vorschlag, Hartmut Heidrich, um eine erneute Kandidatur zu bitten. Der winkte im Gespräch mit KN-online ab: „Das Kapitel habe ich abgeschlossen und solange mir Verwaltungsspitze und Hauptausschuss eine Straftat zutrauen, kommt das ohnehin nicht infrage.“