Erziehermangel in Segeberger Kitas: Kreispolitik machtlos, Appell ans Land

Neu gebaute Kitas können nicht vollständig öffnen, in anderen Einrichtungen werden Betreuungsgruppen geschlossen, weil es nicht genug Erzieher und Sozialpädagogische Assistenten gibt. Stipendien, Prämien, Zuschüsse – Kreisverwaltung und Kommunalpolitik suchen verzweifelt nach Lösungen, um mehr Fachkräfte auszubilden und anzuwerben. Aber: „Alles, was wir anschieben können, ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Torben Wenzel, Fachdienstleiter in der Kreisverwaltung, im Jugendhilfeausschuss. Kritik geht vor allem ans Land. Die Kita „Itzer Lindwürmchen“ in Itzstedt ist nur das neueste Beispiel von vielen: 2,2 Millionen Euro wurden in den Neubau investiert, der bald bezogen werden soll. Doch statt der möglichen 140 Kinder, die hier betreut werden könnten, sind es aktuell nicht einmal 90. An Kindern, die auf einen Platz warten, mangelt es nicht, aber an Erziehern: Sieben Stellen sind offen. Erzieherausbildung: Kitas brauchen mehr Geld vom Land: „Wir bauen für viel Geld und machen dann Gruppen wieder zu“, beklagt Kreistagsabgeordnete Cordula Schultz, die selbst in Trappenkamp eine Kindertagesstätte leitet. So wird etwa in der Vicelin-Kita in Bornhöved zum Sommer eine Gruppe geschlossen. Seit Monaten ist die Segeberger Kreispolitik an dem Problem dran, denn es werden in den kommenden Jahren hunderte zusätzliche Fachkräfte benötigt. Unter anderem hat der Kreis Segeberg beschlossen, die praxisintegrierte Ausbildung für Erzieher und Erzieherinnen (PiA) zu fördern, die ähnlich wie eine duale Ausbildung funktioniert. Betriebe, die eine Pia-Stelle anbieten, erhalten 2000 Euro vom Kreis. Allerdings kosten PiA-Stellen pro Jahr 20.000 Euro, die nicht refinanziert werden können von den Einrichtungsträgern. Bei Nutzung aller Fördermöglichkeiten von Land und Kreis, könnten Betriebe maximal 40 Prozent der Kosten einer PiA-Kraft decken, rechnet die Kreisverwaltung in einem Strategiepapier zur Fachkräftegewinnung aus. Mit einer Verdopplung des Kreiszuschusses könnte die Quote auf 50 Prozent erhöht werden. Ab dem 2. Lehrjahr könnten Pia-Schüler unter Umständen als zweite Fachkraft in Gruppen eingesetzt und die Personalkosten dann beim Land abgerechnet werden. Ob das mit dem Status eines Auszubildenden kompatibel ist, sei jedoch strittig. Deshalb fordert der Kreis die Kostenübernahme für PiA-Stellen vom Land – bürokratische Förderprogramme seien dann zudem unnötig. Bisher blieben Appelle erfolglos. Geplante Halteprämien für Erzieher im Kreis Segeberg nicht rechtens: Die Idee der Kreispolitik, finanzielle Anreize zu schaffen, um junge Fachkräfte nach Segeberg zu locken, ist dagegen gescheitert, tarifrechtliche Beschränkungen würden Halteprämien oder ähnliche Zahlungen verhindern, heißt es im Strategiepapier der Kreisverwaltung. Im Kreis Pinneberg gebe es zwar ein Programm, in dem Stipendien in Höhe der Mindestausbildungsvergütung für angehende Erzieher vergeben werden. Diese könne aber nur dann ausgezahlt werden, schränkt Kreismitarbeiter Michael Krützfeldt ein, wenn die Auszubildenden keine andere Förderung erhielten. 90 Prozent würden aber bereits gefördert, etwa mit dem Aufstiegs-Bafög. Dagegen stehe ein hoher bürokratischer Aufwand. In der Aussprache um die Möglichkeiten wurde die Verzweiflung der Akteure deutlich, deren Handlungsspielraum auf Kreisebene begrenzt ist. So wird im Strategiepapier über die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, etwa Spanien, nachgedacht. Ausschussmitglied Rainer Schuchardt ist skeptisch: Nach seinen Erfahrungen mit spanischen Kräften im Krankentransportwesen, kämen diese nur nach Deutschland, wenn sie zu Hause keine Arbeit finden. „Und sobald sie eine haben, sind sie wieder weg.“ Fachkräfte aus dem Ausland für Segeberger Kitas? Torben Wenzel berichtete in dem Zusammenhang von einem Modellversuch in Mönchengladbach (NRW), dort seien drei spanische Fachkräfte angeworben worden. Gebraucht würden jedoch 700. „Das ist auch ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Wenzel. Aber man versuche, die Thematik vielfältig zu beleuchten, „Best-Practice-Beispiele“ aufzeigen. Auch an die Anwerbung von Fachkräften unter den ukrainischen Geflüchteten wurde beim Kreis bereits gedacht, ergänzte Kreismitarbeiter Michael Krützfeldt. Allerdings müssten sie als Erzieher ein Deutschniveau auf Level C1 nachweisen, für eine Sozialpädagogische Assistentin (SPA) sei es etwas niedriger: B2. „Wenn keine Deutschkenntnisse vorliegen, dauert das ein bis zwei Jahre. Einen schnellen Einstieg gibt es nicht.“ Immer wieder wurden Probleme bei der Finanzierung des Personals nach den Vorgaben des Landes deutlich in der Debatte. So sollen als Zweitkräfte in Kitagruppen SPA eingesetzt werden, diese gibt es jedoch kaum. „Die meisten SPA gehen nach ihrer Ausbildung studieren“, schilderte etwa Monika Saggau aus ihrer Zeit als Kitaleiterin in Bad Segeberg. Ein anderes Ausschussmitglied berichtet zudem von großen Hürden, eine Erzieherin als zweite Fachkraft einzustellen. Grundschullehrer in Kitas? – „Da wird Geld verbrannt“: Für die SPA-Ausbildung will der Kreis nun weitere Zielgruppen erschließen, etwa Menschen mit erstem Bildungsabschluss, für die der Beruf einer SPA einen Erfolg darstellt, führte Krützfeldt aus. Eine SPA-Klasse gebe es derzeit in Norderstedt, aber nicht in Bad Segeberg – es habe zu wenig Lehrpersonal vom Land gegeben. „Wir brauchen aber auch helfende Hände“, sagte Cordula Schultz. Etwa als Drittkräfte in der Krippe. Das Problem dieses Mal: Auch für Beschäftigte ohne Fachqualifikation ist keine Refinanzierung durch das Land vorgesehen. Dabei könnten helfende Hände die wenigen Fachkräfte entlasten. Lesen Sie auch Erziehermangel: Bürgermeister in Kaltenkirchen fordert schnelle Schritte vom Land Stattdessen, so kritisierte Schultz, lege das Land ein Qualifizierungsprogramm auf, dass sich etwa an Grundschullehrer wendet, um in Kitas eingesetzt werden zu können. „Auch Grundschulen suchen nach Lehrern und nun greifen wir die in den Kitas ab? Das kann doch nicht wahr sein“, wurde Schultz deutlich. Sie habe aber auch bei der Schule angerufen, die diese Qualifikation durchführen sollte: Der Kurs sei ausgefallen, es habe keine Bewerbungen gegeben. „Da wird Geld, Zeit und Arbeit verbrannt“, schimpfte Schultz. „Die Richtung muss sein, viel mehr Leute in die SPA-Ausbildung zu bringen.“ Dafür könnte die vom Kreis gestartete Werbekampagne für den Erzieherberuf ausgeweitet werden auf die sozialpädagogischen Assistenten, lautet eine weitere Überlegung. Land SH gegen 2. Berufsfachschule für Erzieher in Norderstedt: Es bräuchte aber auch mehr Ausbildungskapazitäten. Schon länger drängt der Kreis Segeberg auf eine zweite Berufsfachschule für Erzieher in Norderstedt. Dort gibt es bisher nur einen Ableger von der Hauptstelle in Bad Segeberg, das Personal muss pendeln. Von der Kreispolitik war Landrat Jan Peter Schröder aufgefordert worden, sich beim Land dafür einzusetzen. Die Antwort aus Kiel war offenbar ernüchternd: Der Wirtschaftsminister, so berichtet Fachdienstleiter Wenzel, sei weiterhin gegen zwei Berufsfachschulen für Erzieher in einem Kreis. Von einer „alten Denke“, sprach Wenzel. Die Kreisverwaltung bleibe bei der Auffassung, dass es zur Fachkräftegewinnung gerade im Hamburger Rand mit Norderstedt, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt, Henstedt-Ulzburg, weiterhin notwendig sei, eine solche Schule vor Ort zu haben. „Wenn die Schwierigkeit im Ministerium nicht aufgenommen wird, brauchen wir uns keine Fachkräftestrategie zu überlegen und Hunderttausende Euro in die Hand zu nehmen“, klagte Wenzel im Jugendhilfeausschuss. „Wir geben aber nicht auf“, beteuerte er. Das Thema werde nun auch in den Städte- und Gemeindetag und den Landkreistag gegeben. Am Ende aber bleiben dem Kreis Segeberg offenbar kaum andere Optionen, als zu appellieren – und zu hoffen.