Erziehungs- und Familienberatung im Kreis Segeberg zieht Bilanz nach dem zweiten Corona-Jahr

Über 1000 Familien und damit mehr als 1600 Personen nahmen im vergangenen Jahr die Hilfe der Erziehungs- und Familienberatung der Therapiehilfe an und versuchten so, ihren Alltag in den Griff zu bekommen. Und das Leben ist auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie nicht einfacher für Familien geworden. Das sagen Marius Neuhaus und seine Kolleginnen Hilka Wessa und Marleen Schmidt von der Beratungsstelle in Kaltenkirchen. Auch in Henstedt-Ulzburg, Bad Bramstedt, Bornhöved, Trappenkamp und Nahe sind Eltern und Kinder mit Schwierigkeiten in den dortigen Einrichtungen der Beratungsstelle willkommen. Zweites Corona-Jahr zeigt Familien ihre Grenzen auf: Neben Schwierigkeiten, die beispielsweise durch die Trennung der Eltern auftreten, ist weiter verstärkt die Corona-Pandemie der Auslöser für immense Probleme. „Die Familien können einfach nicht mehr“, sagt Diplom-Pädagogin Hilka Wessa. Mütter und Väter würden berichten, dass es im ersten Jahr der Pandemie darum gegangen sei, es irgendwie gemeinsam zu schaffen und den Alltag zu bewältigen. Danach sei erst Luft gewesen, um zu schauen, was die Situation mit einem gemacht habe. Pure Erschöpfung habe sich breit gemacht. Auch Dünnhäutigkeit sei zu spüren. Die Auswirkungen in den kommenden Jahren gerade auf Kinder und Jugendliche seien noch gar nicht absehbar, meint Psychologin Schmidt. „Die Defizite werden sich erst noch zeigen“, ist sie sich sicher. Wer glaube, nach einem Jahr stelle sich eine gewisse „Corona-Routine“ ein, der täusche sich. „Je länger das dauert, desto schlimmer wird es.“ Kinder und Jugendliche hätten sich erstmal mit den Umständen arrangiert, „die gehen da tapfer durch. Aber irgendwann können sie nicht mehr“, sagt Wessa. Jede Woche bietet die Erziehungs- und Familienberatung der Therapiehilfe gGmbH im Kreis Segeberg digitale Vorträge, die für die Teilnehmenden kostenfrei sind. Am Donnerstag, 27. Januar, geht es ab 19.30 Uhr um das Thema „Das Kind mit anderen Augen sehen“. Manchmal entsteht aus einer kurzen stressigen Phase ein andauernder Konflikt zwischen Eltern und Kind, heißt es in der Ankündigung. Im Vortrag werde beleuchtet, wann und ob solche Phasen „normal“ seien, und wie man als Eltern mit dieser Situation umgehen könne. „Hierzu wird eine hilfreiche Übung vermittelt, die Eltern dazu anleitet, einen neuen positiven Blick auf das Kind und schwierige alltägliche Situationen zu gewinnen“, teilt die Beratungsstelle mit. Eltern können in der Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Familie online“ Fragen stellen. Weitere Infos unter Telefon 04193/966450 oder per E-Mail unter info@sozialeberatung-henstedt-ulzburg.de. Es gebe durchaus Mädchen und Jungen, die noch nie eine „normale“ Schulzeit kennengelernt haben. Für Abc-Schützen der Jahre 2020 und 2021 sei der Besuch die Grundschule keineswegs so normal wie für andere Schulkinder. Die soziale Kompetenz und das Miteinander, das in der Schule vermittelt werde, gerate in der Pandemie in den Hintergrund, wenn es „Abstand halten“ oder Homeschooling heiße. Rechtfertigen nach den Weihnachtspartys im Joy: Nach den Weihnachtspartys unter anderem in der Discothek Joy in Henstedt-Ulzburg mit den explodierenden Corona-Infektionszahlen im Anschluss hätten die Jugendlichen sich rechtfertigen müssen, „weil sie einfach nur mal wieder feiern wollten“, beschreibt Hilka Wessa. Schon bei dem ersten Anruf in der Beratungsstelle und der Nachfrage, um welches Thema es denn gehe, falle oft der Begriff „Corona“ und die Folgen für den Alltag. „Das platzt den Anrufern regelrecht aus den Knopflöchern“, hat Wessa festgestellt. Die Hilfesuchenden kommen aus jeder gesellschaftlichen Schicht, sagt Diplom-Sozialpädagoge Marius Neuhaus. Vom Lastwagenfahrer bis zum Akademiker sei alles dabei. Mittlerweile sei es für viele Menschen kein Problem mehr, sich Hilfe zu suchen. Nur wenige Familien kommen über das Jugendamt auf die Beratungsstelle zu. Man brauche sich nicht zu schämen, weil man Schwierigkeiten im Miteinander habe. „Der Druck auf alle ist einfach groß“, meint Neuhaus. Die Angebote der Erziehungs- und Familienberatung sind kostenfrei. Im Gegensatz zu einer Therapie wird die Hilfe für eine überschaubare Anzahl an Terminen gegeben. Jeder, der anrufe, bekomme innerhalb der nächsten vier Wochen einen Beratungstermin. „Wir weisen niemanden ab“, betont Hilka Wessa. Wer in Pandemie-Zeiten kein persönliches Treffen wünsche, dem könne per Telefon oder digital geholfen werden. Lesen Sie auch So leiden die Gastronomen unter den Corona-Regeln Ein eigener Weg für Fußgänger in Bad Segeberg Immer mehr Corona-Fälle in Kitas Der Beratungsstelle, die zur Therapiehilfe gGmbH mit Sitz in Hamburg gehört, sucht zurzeit Wege, um unter Jugendlichen bekannter zu werden. „Wir müssen einfach flexibler werden“, sagt Neuhaus. Ein junger Mensch mit Problemen brauche schnell und jederzeit die Möglichkeit, ein Beratungsgespräch zu führen. „Da können wir nicht mit festen Terminen in der Woche kommen“, meinen die Experten. Leider mache der Datenschutz viele augenscheinlich einfache Wege – wie beispielsweise der Auftritt in den sozialen Netzwerken oder das Nutzen von Messenger-Diensten – einen Strich durch die Rechnung. Die Hauptstelle der Erziehungs- und Familienberatung ist in Kaltenkirchen an der Straße Flottkamp 13 zu finden. Telefonisch sind die Mitarbeitenden unter 04191/4599 erreichbar, eb-kaltenkirchen@therapiehilfe.de.