Gasthof Rickert in Groß Niendorf schließt: Abschiedsfeier mit ganzem Dorf

„Ich bin 67, irgendwann ist Schluss mit lustig“, begründet Klaus Rickert das Ende von „Rickerts Gasthof“. In 4. Generation hatte er mit Frau Silke (62) den traditionsreichen Gasthof seit 1998 geführt und nun soll zum Jahresende Schluss sein – aber nicht ohne einen würdigen Abschied mit vielen Dorfbewohnern. Vor 136 übernahm Familie Rickert den Gasthof in Groß Niendorf: Erstmals in der Dorfchronik wird die damalige „Hirtenkate“ 1862 erwähnt, als ein Daniel Friedrich Beckmann die Hofstelle von seinem Vater erbte. 1875 verkaufte der an einen Friedrich Schiller aus Lübeck. Mit Ernst Adolph Rickert begann dann 1885 vor 136 Jahren das Geschäft als Utspann, also Rasthof für Pferdegespanne. Die Kutscher konnten hier essen, trinken und auch Kolonialwaren erwerben. Vor 100 Jahren erbte Albert Rickert den Hof und fügte eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit 27 Hektar Eigenland, 24 Milchkühen, 30 Hühnern und zwei Pferden hinzu, wie es in der Dorfchronik heißt. Älteren Anwohnern ist er noch als Zigarrenraucher bekannt, der seine Stumpen bis zum letzten Rest schmökte. 51 Jahre führte er den Gasthof, bis er 1972 an seinen Sohn Werner übergab. Von dem wird überliefert, dass er mit 240 Pfund wohl gebaut war und Streithähne in der Kneipe gern am Kragen packte und draußen zum Abkühlen über die Pferdeanbindestangen hängte. Rickerts Gasthof schließt Silvester und wird verkauft: Die jetzige und damit 4. Generation trat dann mit Klaus und Silke Rickert 1998 an und schließt jetzt zu Silvester nach 23 Jahren die Pforten des Gasthofes. „Wir wollen den Hof, der ja als Kulturdenkmal eingetragen ist, verkaufen“, sagt Klaus Rickert. Es gäbe schon Interessenten, die dort etwas anderes planten. Was genau, könne er noch nicht sagen aber ein Gasthof wird es nicht bleiben. Lesen Sie auch Hotel und Restaurant Scheelke in Henstedt-Ulzburg schließt nach 120 Jahren Immenhof Schackendorf – einst beliebter Landgasthof nun „Schandfleck“ im Dorf Damit verlieren nun viele Vereine und Institutionen ihre Heimat. Ob Seniorenclub, Rasensportverein, Sparclub, Vogelschießer oder die Plattdeutsche Theatergruppe - alle müssen sich nun eine neue Heimat für ihre Veranstaltungen suchen. „Wir üben jetzt täglich in der Diele eines Bauernhofes“, verrät Kathi Teegen, Hornmeisterin der „Jagdhornbläser Leezen-Nahe und Umgebung“. Die erste Wahl für die Anderen wird wohl der vor acht Jahren erstellte Anbau ans Dorfhaus sein. Dazu müsste die Gemeinde aber zunächst den damaligen Beschluss aufheben, dort keine privaten Feierlichkeiten zuzulassen. Den hatte man nämlich einstimmig zum Schutz von Rickerts Gasthof erlassen. Abschied vom Gasthof mit Treckertour durch Groß Niendorf: Ganz sang- und klanglos wollten die Groß Niendorfer ihre Feierstätte aber nicht untergehen lassen. Am Sonntagmorgen formierte sich eine festlich geschmückte Kolonne von Oldtimer-Treckern der „Oldie-Schlepperfreunde Raum Segeberg e.V.“ und forderte das Gastwirtehepaar mit lautem Hupen zum Aufsteigen auf. Eine Stunde lang ging es im Schrittempo durch das ganze Dorf, alle Anwohner wussten Bescheid und klatschten oder winkten beim Vorbeifahren. Hier und da musste auch angehalten und eine mehr oder weniger alkoholhaltige Erfrischung zu sich genommen werden. Zielpunkt war der Dorfplatz. Umringt von mehr als 100 Bürgern übergab Initiatorin Ute Kluckert das Abschiedsgeschenk der Gemeinde, eine Original Tischdecke aus der Gastwirtschaft mit einem zentralen Foto und den Unterschriften aller Dorfbewohner. Tagelang war sie mit Freundinnen von Haus zu Haus gezogen, um die Unterschriften und eine kleine Geldspende einzusammeln. In Rente geht das Ehepaar Rickert noch nicht: Überwältigt bedankten sich die Wirtsleute für die Überraschung, von der sie nichts geahnt hatten. „Ich hätte Verdacht schöpfen müssen, als mich gestern eine Freundin gefragt hat, ob ich eine warme Jacke habe“, erzählt Silke Rickert. Sie wird im neuen Jahr bei der Gemeinde anfangen und dort alle möglichen Aufgaben für das Dorf erledigen. „Ich brauche Leute um mich herum“, verrät sie. Ehemann Klaus wird auch nicht zum Rentner. Seit 40 Jahren fährt er schon nebenbei einen Milch-Lkw und dabei soll es auch erst einmal bleiben. Beide erinnern sich noch gern an die Faschingsfeiern der Feuerwehr oder die Kindervogelschießen in ihrem Gasthof. Manchmal sei der Saal, der für rund 100 Gäste gebaut ist, mit fast 300 Gästen überfüllt gewesen. Und in der Sektbar, für eine Handvoll Gäste geplant, hätte sie einmal 35 Leute gezählt, sagt Silke Rickert. „Aber es war schon ein hartes Brot, morgens vor sechs mit den Vorbereitungen anzufangen und dann bis zum nächsten Morgen um die gleiche Zeit durchzumachen“, meint sie. Besonders in Erinnerung ist den Beiden noch der „Kegelgarten“ gegenüber auf der anderen Seite der B 432. „Da mussten wir immer mit den vollen Tablets über die Straße spurten, um die Gäste dort zu bedienen, das war saugefährlich“, erinnert sich Silke Rickert. Doch das ist nun Geschichte.

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