Impfpflicht: So ist Lage in Segeberger Kliniken, Heimen und Arztpraxen

Bis Mitte März müssen Mitarbeiter aus Betrieben, die mit verletzlichen Menschen zu tun haben, ihre Corona-Impfung nachweisen. Das werden die meisten können, zeigt eine Umfrage von KN-online in Einrichtungen im Kreis Segeberg. Es wird also keinen großen Aderlass geben. Vorbehalte gegen das Impfen gibt es offenbar vor allem in patientenfernen Jobs. Dr. Artur Bahr, Leiter des Hygienestabs beim kirchennahen Landesverein für Innere Mission (Rickling), sieht den Personalfolgen der Impfpflicht gelassen entgegen. Knapp 3000 Beschäftigte sind unter anderem im Psychiatrischen Zentrum, in der Klinik und in Altenheimen an verschiedenen Orten tätig. Impfquote beim Landesverein für Innere Mission bei 90 Prozent: „Die Impfquote ist hoch, schätze ich auf etwa 90 Prozent“, sagt Bahr. Allerdings gebe es auch Mitarbeitende, die aus mehreren Gründen Bedenken hätten: Aus Angst vor dem Impfen. Weil sie auf andere Impfstoffe warten. Weil sie sich nicht impfen lassen dürfen. Weil sie Falschnachrichten glauben. Weil sie jung sind und sich nicht betroffen fühlen. Einige werden sich noch überzeugen lassen, der Druck sei sinnvoll, sagt Bahr. „Aber ein kleiner Stamm von vielleicht fünf Prozent wird schwer zu erreichen sein. Dann ist es eben so, dass sie nicht mehr im Betrieb arbeiten dürften. Das ist schmerzlich, aber wir müssen diesen Schritt machen.“ Für Arbeit im Landesverein braucht es auch Empathie: Er frage sich: Was wollten diese Mitarbeitenden dann auch beim Landesverein? „Was nützt uns ein Arbeitnehmer, der Gefahren ins Haus bringt. Er gefährdet andere. Man braucht auch Empathie in unseren Jobs.“ Der Bundestag und der Bundesrat als Vertretung der Länder haben die „einrichtungsbezogene“ Impfpflicht beschlossen. Sie gilt nach Angaben der Bundesregierung etwa für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen, ambulanten Pflegediensten, in Einrichtungen für behinderte Menschen, in Arztpraxen, bei Rettungsdiensten, in Entbindungseinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen und ist im Infektionsschutzgesetz geregelt. Mit der Impfpflicht sollen ältere und vorerkrankte Menschen besser vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt werden. Vor allem in Pflegeheimen sei es in der Vergangenheit immer wieder zu Covid-19-Ausbrüchen gekommen, sagt die Bundesregierung. Bis 15. März 2022 müssen die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber einen Nachweis über eine Impfung oder Genesung vorlegen. Alternativ können sie auch ein ärztliches Attest präsentieren, aus dem hervorgeht, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Die Nachweise werden auf Verlangen auch dem Gesundheitsamt vorgelegt. Die zeigt der Landesverein unter anderem durch eine offene Impfstation im Markttreff in Rickling. Bis Ende März 2022 will er dort 5000 Menschen geimpft haben. Klinikum Bad Bramstedt sieht mögliche Folgen der Impfpflicht gelassen: Ebenfalls auf niedrigschwellige Angebote für seine Beschäftigten und Patienten setzt Jens Ritter, Geschäftsführer des Klinikums Bad Bramstedt. „Von den 1100 Kräften im Klinikum sind 93 Prozent geimpft.“ Mit den Nicht-Geimpften führen die Vorgesetzten Gespräche. Dies würde Früchte tragen. „Ende Januar ziehen wir Bilanz.“ Ritter ist überzeugt: „Dann werden wir nur noch von Einzelfällen reden.“ Von den Patienten sind 95 Prozent geimpft: Von den Mitarbeitenden „am Bett“ wie Ärzteschaft und Pflegepersonal seien schon jetzt schon fast alle geimpft. Sorgenkinder seien vorrangig Beschäftigte in Küche, Reinigung und Fahrdienst. Von den Patienten seien im Übrigen 95 Prozent geimpft. Die hohe Quote überrascht Ritter nicht. Es handele sich um eine Gruppe meist alter und verletzlicher Menschen. Beim Kirchenkreis Plön-Segeberg sind die Beschäftigten in den Einrichtungen zu weit über 90 Prozent geimpft, sagt Pressesprecher Sebastian von Gehren. Mit einem kürzlich zugelassenen Impfstoff werde die Quote wohl noch steigen. „Ich erwarte kein großes Loch.“ Segeberger Kliniken befürworten Impfpflicht: „Die Segeberger Kliniken begrüßen die einrichtungsbezogene Impfpflicht“, sagt Robert Quentin, Pressesprecher der Segeberger Kliniken. „Auf alle Berufsgruppen bezogen sind über 95 Prozent der Beschäftigten bereits vollständig geimpft.“ Lesen Sie auch Ministerpräsident Daniel Günther im Interview: „Ich bin bereit, den Druck auf Impfgegner noch zu erhöhen“ Nachdem der Gesetzgeber eine Impfpflicht festgeschrieben habe, hätten sich bereits jetzt viele der verbliebenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einmal impfen lassen oder ihre Bereitschaft angekündigt. Auf die Unentschlossenen werde noch einmal persönlich zugegangen. Paraklinik-Mitarbeiter haben sich fast alle impfen lassen: Von den Mitarbeitern der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg sind bislang 93 Prozent zweifach geimpft, sagt Dirten von Schmeling, Pressesprecherin der Klinikgruppe. „Die Booster-Impfungen seitens der Klinik waren vollständig ausgebucht. Wir schätzen, dass 70 Prozent der Mitarbeiter ihre Auffrischungsimpfung haben.“ Mit der Trennung von ungeimpften Mitarbeitern rechnet sie nicht. An der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg sei bislang keiner bekannt, der wegen der Impfpflicht die Aufgabe seines Berufs erwäge. Rettungsdienstkooperation hält sich zu Impfquote bedeckt: Noch keine Zahlen nennt Christian Mandel, Pressesprecher der Rettungsdienstkooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH). „Unser Stab bereitet gerade den finalen Umgang mit der Impfpflicht vor.“ Wie viele Mitarbeiter geimpft seien, werde derzeit zusammengetragen. „Es bestand bislang keine Verpflichtung für die Mitarbeitenden zur Meldung der Impfung.“ Er rechne aber mit einer hohen Zahl. Polarisierung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften: Stefan Gerke, Vorstand beim DRK-Kreisverband, berichtet, in der stationären Pflege seien 90 bis 95 Prozent der Arbeitskräfte geimpft. In der ambulanten Pflege gebe es ähnliche Quoten. Mit der aufkommenden Diskussion über die Impfpflicht hätten sich einige noch impfen lassen. Was ihm noch größere Sorgen bereitet sind die Belastungen: „Was wir merken, dass unsere Arbeitnehmer auf dem Zahnfleisch gehen.“ Durch die schwierige Coronazeit, und durch die allgemeine Polarisierung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften. Ungeimpfte Hausarztmitarbeiter sind Risiko: Dr. Michael Emken vom Ärztehaus am Kurpark in Bad Segeberg hat den Eindruck, „die große Mehrzahl der Mitarbeiter in den Arztpraxen ist bereit und auch überzeugt davon, sich impfen zu lassen, und hat dies auch in großem Umfang bereits getan.“ „Mitarbeiter, die dies verweigern, stellen ein besonderes Risiko für Arztpraxen dar“, sagt Dr. Emken. „Sie setzen sich selbst einem erhöhten Risiko aus, aber können auch Patienten gefährden, insbesondere solche, die ein geschwächtes Immunsystem haben.“ Zögernde von Impfnutzen überzeugen: Wichtigstes Instrument bei dem Ziel, eine möglichst hohe Impfrate zu erzielen, müsse die Information sein. „Es muss gelingen, die Menschen zu überzeugen.“ Im Gegenzug sollten sich die bisher Ungeimpften unvoreingenommen auf diese Gespräche einlassen und gute Argumente gelten lassen. Sich impfen zu lassen, schütze einen selbst und andere. Eine Impfpflicht sei nicht neu. „Sie gibt es bei der Masernimpfung schon und hat dort für wenig Widerspruch gesorgt.“ Ein anderes Beispiel sei die bis 1983 geltende Pockenimpfung. „Eine Impfpflicht sollte nur letztes Mittel im Kampf gegen die Pandemie sein, wenn andere Wege nicht zum Ziel führen.“ Infektionsschutz des Kreises mit fast 100 Prozent Impfquote: Von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind auch alle Beschäftigten in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, also der Kreisverwaltung. „Aktuell ist der Kreis dabei, den genauen Umfang innerhalb der Kreisverwaltung für die Umsetzung der Impfpflicht zu prüfen“, sagt Kreissprecher Robert Tschuschke. Der Infektionsschutz, der alle Coronafälle im Kreis Segeberg bearbeitet, geht offenbar mit gutem Beispiel voran. „Die Impf- und Genesenenquote innerhalb der Belegschaft des Infektionsschutzes liegt bei nahezu 100 Prozent.“