Julia Hühne-Simon aus Kaltenkirchen ist von Filzkunst ganz gefesselt

Wer kennt sie nicht – Filzpantoffel oder Filzhüte. Denn das Filzen von Wollfasern ist eine der ältesten Techniken überhaupt, um daraus zum Beispiel Bekleidung herzustellen. Heutzutage entstehen nach dieser inzwischen recht seltenen Methode aber auch vielerlei Kunstwerke, Dekorationen, Taschen, Etuis oder auch Schmuck. „Filzen ist für mich wie Malen mit Wolle“, sagt eine Könnerin auf diesem Gebiet, die Kaltenkirchenerin Julia Hühne-Simon. Die 55-jährige gelernte Biologin setzt dabei zum Schutz von Tieren und Natur rein auf umweltverträgliche Basisprodukte. Sofort von der Filzkunst ganz gefesselt: Die gebürtige Bielefelderin, die 2005 mit ihrer Familie nach Kaltenkirchen kam, stieß eher zufällig auf ihr Hobby, dem sie sich jetzt aber auch beruflich voll und ganz widmet. Noch ganz genau erinnert sie sich dran, wie sie vor über 20 Jahren eher zufällig in einem Museum in Süddeutschland auf die Filz-Kunst stieß. „Ich war davon gleich gefesselt.“ Sofort stieg sie tiefer und tiefer in die Materie ein. Es begann mit einem Filzhut-Kursus. Heute gibt sie selbst anspruchsvollen Unterricht. Filzen von Wolle ist eine der ältesten Techniken um textiles Gewebe herzustellen. Durch die Struktur der Wollfasern, die Schuppen besitzen, verfilzt die Wolle unter Einwirkung von Druck, Schub und Feuchtigkeit. Wolle und Seide miteinander verbinden: Julia Hühne-Simon war schnell auf der Suche nach etwas Neuem, was ihrer Kreativität besser gerecht wird, und stieß dabei auf den Nano-Filz. „Nano ist japanisch und bedeutet Gewebe.“ Seit jeher werden in Fernost Wolle und Seide miteinander verbunden. Was sich so einfach anhört, erfordert aber viel handwerkliches Geschick. So dient zum Beispiel leichte Chiffon-Seide als Untergrund, auf den dann komplett und ganz vorsichtig die feinen Wollfasern gelegt werden. Dadurch soll das Produkt leichter und lockerer werden, ohne seinen Effekt zu verlieren. „Auch hier wärmt der Filz noch wie bei einer liebevollen Umarmung“, schwärmt die Kaltenkirchenerin. Alle Schals von Julia Hühne-Simon sind Unikate: Sie muss bei diesem Vorgang aber die zusammengeführten Lagen mit einer speziellen Seifenlauge besprenkeln, bevor sie dann ganz vorsichtig die Wolle mit den Händen in die Seide reibt. Dabei haken sich die Oberflächenschuppen der Wolle in die Seide ein, die Teile verfilzen miteinander. Die an sich schwere Wolle wird dadurch leicht und locker. So ein Vorgang dauert oft mehrere Stunden, erfordert Kraft in den Händen. Die 55-Jährige hat aber auch diese Arbeit noch verfeinert. Zur Wolle-Seiden-Verbindung fügt sie unter anderem noch weiteres wie bunte Wollfäden hinzu. Das gibt zum Beispiel ihren wärmenden Schals auch eine besondere künstlerische Note. „Es ist für mich dann immer spannend, wie er ausfällt“, sagt Julia Hühne-Simon. „Aber es sind stets Unikate, von mir selbst entworfen und eigenschöpferisch mit viel Liebe zum Detail von Hand gefilzt. Auch ein Schal ist nie wie ein anderer.“ Inzwischen wird auch ganz viel experimentiert: Ihr Angebot ist reichhaltig, reicht von Windlichtern und Mühlespielen aus feinem Filz über die verschiedensten Etuis bis hin zu Bechern. Aber auch das stellt die Kaltenkirchenerin lange nicht mehr zufrieden. Inzwischen experimentiert sie auch sehr viel, ist stets auf der Suche nach etwas Neuem. „Es ist wie eine Flamme, die in einem brennt.“ Auch die kleinsten Materialreste werden deshalb nicht weggeworfen. Sie frage sich stets, was man daraus machen könne. So entstehen dann zum Beispiel ihre beliebten Blätterketten. Und sie lässt sich auch von Farben und Formen der Natur inspirieren. „Meine Materialien mache ich zu Pinsel, Farbe und Leinwand.“ So entstehen Dinge, die an eine Unterwasserwelt erinnern. Da Julia Hühne-Simon auch leidenschaftliche Fotografin ist, war ihr schnell klar, dass sich auch daraus eine Symbiose entwickeln könnte. So entstehen Fotos von Wandschatten, die durch Lichtdurchbrüche bei ihren Filz-Kugeln entstehen. Diese Motive werden dann mit Filz-Objekten verquickt. Oder es werden aus verschiedenen Filzteilen Bilder auf einer Seidenleinwand kreiert. Auswahl der Materialien ist Hühne-Simon ganz wichtig: Ganz wichtig ist der 55-Jährigen aber die Auswahl ihrer Materialien. So verarbeitet sie nur südamerikanische Merino-Wolle oder welche von gut gehaltenen Schafen aus den Alpenländern. Aus Australien oder Neuseeland bezieht sie hingegen nichts. Die Schafe dort seien hochgezüchtet, würden auf tierquälerische Art zum Beispiel vor Fliegenbefall bewahrt. „So etwas unterstütze ich nicht“, sagt die Kaltenkirchenerin. Ihre Wolle und die Bio-Seide kommen von einem Unternehmen aus der Schweiz, das Tier- und Umweltschutz garantiere. Im Oktober 2022 eine eigene Ausstellung in Hamburg: Julia Hühne-Simon, Mutter von inzwischen erwachsenen Zwillingstöchtern, gründete bereits 2004 ihre Werkstatt „Zeit für Natur“. In ihrem Haus Im Brook 6a in Kaltenkirchen hat sie eine Werkstatt. Sie machte neben einem Fernstudium Grafik und Gestaltung zudem dafür 2017/18 auch noch ein Präsenzstudium am Zentrum für Weiterbildung Zeitgenössische Kunst in Hamburg. Unter anderem ist die Kaltenkirchenerin seit 2017 im Fachbeirat Angewandte Kunst der GEDOK Hamburg, dem Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden, aktiv. Im dortigen Kunstforum wird sie vom 9. bis zum 29. Oktober 2022 eine Einzelausstellung ihrer Werke präsentieren. „Darüber freue ich mich sehr und bin auch ein bisschen stolz darauf“, so Julia Hühne-Simon, die auch Atelier-Besuche anbietet. Dafür ist unter Telefon 04191/957640 aber eine Anmeldung nötig.