Karl-May-Platz in Bad Segeberg: 350 Jahre alt, aber erst seit 1970 mit einem Namen

Die meisten Einheimischen und Hunderttausende Besucher haben schon einmal dort gestanden: auf dem an der Südseite des Kalkbergs liegenden und dem Freilichttheater vorgelagerten Karl-May-Platz. Auf einer Länge von rund 200 Metern erstreckt er sich zwischen dem Restaurant Mora Mora auf der einen und dem Indian Village auf der anderen Seite. Obwohl dieser Platz schon mindestens 350 Jahre existiert, erhielt er erst 1970 einen Namen. Spätestens ab 1654 war dort einiges los. Damals begannen Arbeiter damit, nicht nur die Ruine der abgebrannten Siegesburg abzubrechen, sondern auch intensiv Gips von der Spitze des damals noch rund 110 Meter hohen Kalkberges abzubauen. Da wurde Platz für den Abtransport der Steine benötigt, die dort auch zerkleinert und sogar in Brennöfen, sogenannten „Rüsen“, gebrannt wurden. Erst 1806 ließ die dänische Regierung einen Gipsbrennofen errichten, der aber erst 15 Jahre später zusammen mit der 1821 eingeweihten Galeriewindmühle neben dem Gipsmagazin in Betrieb genommen wurde. Segeberger Steinbruch war nie wirtschaftlich: In der Windmühle waren ein Pochwerk und ein Gipsmahlwerk eingebaut. Doch Steinbruch und Gipsaufbereitung konnten nie wirtschaftlich betrieben werden. Da kam 1869 Hoffnung auf, als Steinsalz gefunden wurde. Nun wurde das Gelände vor dem Steinbruch zur Lagerstätte für den Bergbau. Geplant war sogar, auf dem heutigen Karl-May-Platz einen Güterbahnhof zum Abtransport des Salzes zu bauen. Nach zehn Jahren war es dann allerdings mit dem Steinsalzbergbau wieder vorbei. Wassereinbrüche in den Schächten ließen einen wirtschaftlichen Steinsalzabbau nicht zu. So wurden ab 1880 wieder Steine im Tagebau gebrochen. Wegen Unrentabilität war damit 1930 dann endgültig Schluss. Ab 1934 setzten die Nationalsozialisten ihre Idee um, den aufgelassenen Steinbruch mit Arbeitsmännern des Reichsarbeitsdienstes aus dem nahe gelegenen Schafhaus in eine Nordmark-Feierstätte in Form eines Amphitheaters umzubauen. Im Sommer 1937 war nicht nur die Feierstätte fertig, sondern auch der Eingangsbereich als repräsentativer großer Aufmarschplatz. Nazis wollten Burg in Segeberg wieder aufbauen: Mit dem Beginn des Krieges im September 1939 wurde das Freilichttheater nicht mehr genutzt. Trotzdem planten die Nationalsozialisten am Kalkberg weiter. 1941 hatten sie die Idee, nachdem die Siegesburg auf dem Kalkberg bereits im 16. Jahrhundert ihre militärische Bedeutung verloren hatte und 1644 von schwedischen Truppen zerstört und danach abgebrochen worden war, hier wieder eine Burg entstehen zu lassen. Nicht auf der Spitze des Kalkbergs, was ja nicht mehr möglich war, sondern auf dem Vorplatz zur Nordmark-Feierstätte. Lesen Sie auch Der Platz in Bad Segeberg, den kaum einer kennt Die Harmonie: Vom Festsaal zum Sanitärgroßhandel Dort sollte eine hufeisenförmige Anlage entstehen. Der Wasserturm sollte als „Bergfried“ mit einbezogen werden. In dem großen Gebäude auf der rechten Seite der Entwurfsansicht war eine Halle geplant, in der 2500 Personen Platz finden sollten. Genutzt werden sollte sie für Kundgebungen, parteipolitische Veranstaltungen oder für Aufführungen, für die das Freilichttheater zu groß war, oder in den Wintermonaten. In den anderen Gebäudekomplexen sollten Büroräume für Parteizwecke untergebracht werden. Die Baukosten waren mit 2,5 Millionen Reichsmark ohne Erschließungskosten veranschlagt worden. Aus dieser Nazi-Burg wurde wegen des Krieges nichts. Nach dessen Ende fand schon am 29. und 30. August 1945 wieder ein Kindervogelschießen statt. Das Vereinslokal, die Harmonie, stand nicht mehr zur Verfügung; und so verlegten die Verantwortlichen das Kinderfest in den Lindenhof und die Wettspiele auf den Vorplatz des Kalkbergstadions, wie die Nordmark-Feierstätte jetzt hieß. Bis zum Jahr 1961 fand dort das traditionelle Segeberger Kindervogelschießen statt. Dazu wurde jedes Jahr ein großes Festzelt auf dem Platz aufgebaut. Wegen der Überschneidungen mit den Karl-May-Spielen zog das Kindervogelschießen mit seinen Wettspielen schließlich auf die Vogelwiese oberhalb des Großen Segeberger Sees. Wo heute das Indian-Village steht, gab es damals einen rund 25 Meter tiefen Erdfall: die Dahmlos‘sche Kuhle. Sie wurde bis 1953 als Müllkuhle genutzt. Sogar die Reste eines am 21. Mai 1944 am Schweinemarkt abgestützten deutschen Militärflugzeuges verschwanden hier. 1953 wurde die Kuhle verfüllt, um so den jetzt immer mehr benötigten Parkplatz vor dem Freilichttheater zu erweitern. Vielfach wurde das weitläufige Areal vor dem Freilichttheater genutzt. So für die drei Mal im Jahr stattfindenden Jahrmärkte, für alle möglichen größeren Veranstaltungen, die Beleuchtungswoche des ADAC und sogar für den TÜV, bis der endlich seine Halle an der Hamburger Straße beziehen konnte. Ende der 1960er Jahre änderte der Vorplatz sein Aussehen. Es wurde ein Blockhaus für die Kassen und ein festes Toilettenhaus gebaut und der gesamte Platz erhielt eine Teerdecke. Mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes für 992.000 D-Mark im Jahre 1991 und Änderung des Eingangsbereiches erhielt der Platz das heutige Aussehen. Welche Beweggründe die Segeberger Stadtväter veranlassten, endlich diesem namenlosen Platz einen Namen zu geben, bleibt bis heute im Ungewissen. Lesen Sie auch Schuhpflege aus Holstein: Das besondere Nugget vom Bad Segeberger Kalkberg NS-Zeit in Segeberg: Heftreihe soll Geschichtslücke schließen Auf jeden Fall beschloss die Stadtvertretung am 6. Februar 1970 auf Vorschlag des Bauausschusses, ihm den Namen Karl-May-Platz zu geben.