Klimafreundliches Mobilitätskonzept für Bad Segeberg: Rechnung mit vielen Unbekannten

Der Auftrag, wenn er denn irgendwann einmal erteilt wird, dürfte ebenso lukrativ wie gewaltig sein: Nicht weniger als ein „Klimafreundliches Mobilitätskonzept“ für die Stadt Bad Segeberg wünscht sich die Kommunalpolitik. 135.000 Euro sollen zu diesem Zweck in den Haushalt 2024/2025 eingestellt werden. Ausschreibung und Vergabe sind bereits im Jahr 2023 vorgesehen und sollen noch einmal 25.000 Euro kosten. Alles in allem schlägt die gewünschte Expertise also mit 160.000 Euro zu Buche. Die Initiative kommt von der Freien Wählergemeinschaft BBS und hat ihren Ursprung bereis im Dezember 2020. Damals war die Stadtvertretung ihrem Antrag gefolgt, die Verwaltung möge die Kosten für ein solches Vorhaben zu ermitteln. Während der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Bauen und Umwelt erläuterte dessen Vorsitzender Wolfgang Tödt (BBS) noch einmal den Ansatz: „Wir müssen endlich dazu kommen, die Ganzheit des Verkehrs zu betrachten.“ Beim Verkehr das Ganze im Blick haben: Seit Jahren werde immer wieder an einzelnen Punkten herumgedoktert. Als Beispiel nannte Tödt die Situation im Seminarweg, wo es jetzt eine Art Testlauf geben soll. Wenn die Kreisverkehrsaufsicht zustimmt, werden dort Markierungen auf die Straße gepinselt, die unter anderem auf der Seite zur Fußgängerzone hin einen eigenen Fußweg abtrennen sollen. Zu baulichen Veränderungen konnten sich die Ausschuss-Mitglieder einstweilen noch nicht durchringen. Das Geld für ein umfassendes Konzept sei „richtig und sinnvoll angelegt“, befand Tödt. Politische Unterstützung erhielt der BBS im Ausschuss allerdings nur von der CDU-Fraktion. „So etwas zu haben, ist unheimlich wichtig“, meinte Stadtvertreter Michael Hintz. Mit sieben zu vier Stimmen wurde der Antrag als Empfehlung für die am 8. Februar tagende Stadtvertretung schließlich beschlossen. SPD und Bündnis 90 / Die Grünen votierten geschlossen dagegen. Die Ablehnung sei keineswegs inhaltlich begründet“, stellte Sozialdemokrat Joachim Wilken-Kebeck klar. Wer Klimaschutz wolle, komme um einschneidende Veränderungen nicht herum. Es sei jedoch sinnvoll, erst einmal mehrere andere richtungsweisende Entscheidungen abzuwarten. Der SPD-Stadtvertreter nannte das in Arbeit befindliche Konzept für die Kurhausstraße, dessen Ergebnisse auch die Grünen erst einmal sehen wollen, und den Planfeststellungsbeschluss für den A20-Abschnitt zwischen Wittenborn und Weede. Konzept für Kurhausstraße bis 2023: Auch die Stadtverwaltung hatte zuvor noch einmal auf den Aspekt Kurhausstraße hingewiesen. „Das Konzept soll im November 2023 fertig sein.“ Wesentlicher Bestandteil seien „umfangreiche Beteiligungsmodule“. Dieses Verfahren binde bereits Kapazitäten in der Verwaltung. „Es fehlen somit die personellen Ressourcen, um zeitgleich mit der Erstellung eines klimafreundlichen Mobilitätskonzeptes zu beginnen.“ Zudem habe die Stelle der Ingenieurin für Radverkehr in Teilzeit zum Jahresbeginn wieder besetzt werden können. Die neue Kollegin werde sich ihrerseits mit einem eigenen Radverkehrskonzept beschäftigen. „Es wäre somit aus Sicht der Verwaltung zielführend, die Bearbeitung des Konzeptes für die Kurhausstraße voranzutreiben sowie der Radverkehrsingenieurin eine Bearbeitungszeit zu belassen. Und anschließend „auf Grundlage der genannten Arbeitspakete“ in die Erstellung des Mobilitätskonzeptes einzusteigen. Hinzu komme, dass Bund und Land umfangreiche Fördermittelprogramme für die Förderung des Radverkehrs und der nachhaltigen Mobilität bereitstellten und somit geprüft werden sollte, ob Zuschüsse eingeworben werden könnten. Dass das städtische Bauamt „unterbesetzt“ ist, sei bekannt, erklärte Wolfgang Tödt. Der im Ausschuss beschlossen Zeitplan trage dem Rechnung. Auch dem BBS sei klar, dass es noch etliche Unwägbarkeiten gebe. Dazu gehörten ein möglicher zweispuriger Ausbau der Bahnstrecke zwischen Neumünster und Bad Oldesloe, vor allem aber die Frage, wie es mit der Autobahn weitergeht. „Vielleicht feiern wir 2030 da ja ein großes Fest.“ Deges plant A20 südlich von Bad Segeberg um: Inwieweit Wolfgang Tödt tatsächlich daran glaubt, blieb unklar. Jüngste Entwicklungen bei der Planung der Bad Segeberger Südumgehung geben eher weniger Anlass für Optimismus. Bereits im vorigen Jahr hatte die verantwortliche Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) angekündigt, im Bereich des Travetals noch „eine kleinräumige Trassenverschiebung“ zu untersuchen. Damit solle der Eingriff in das dortige FFH-Gebiet vermindert werden. Vom bislang verfolgten Zeitrahmen hatten die Planer da bereits Abschied genommen – einmal mehr. Betroffen ist die im Jahr 2013 vom Bundesverwaltungsgericht verworfene Planung für den Abschnitt 3 (Südumgehung Bad Segeberg). Um dem damaligen Richterspruch gerecht zu werden, soll die geplante Trasse nahe der Trave etwa 50 bis 60 Meter nach Nordosten in Richtung Bad Segeberg verschoben werden. Das hat allerdings etliche Anpassungen zufolge – unter anderem für die Verbindung von A20 und A21. Letztere muss auf gut einem Kilometer Länge um etwa eine Spurbreite verschoben werden. Das klingt angesichts des Gesamtprojektes nicht nach viel, erfordert aber unter anderem beim Lärmschutz neue Berechnungen. Lesen Sie auch Trave-Brücke soll 36 Meter länger werden Der Antrag zum Planänderungsverfahren soll laut Deges wohl Mitte kommenden Jahres gestellt werden. Bei einem Planfeststellungsbeschluss Ende 2024 könnte im ersten Quartal 2025 mit dem Bau des Autobahnabschnittes begonnen werden. Anfang der 30er-Jahre würden dann die ersten Autos rollen. Für die Stadt Bad Segeberg, die seit Jahren extrem darunter leidet, dass die A20 direkt vor ihren Toren endet, wäre das allein bereits ein Mobilitätskonzept. Bis dahin bleibt es eine Rechnung mit sehr vielen Unbekannten.