Parkplatz statt Bäume in Bad Segeberg - Protest gegen Rodung im Kurpark

Trotz des frühen Termins um acht Uhr am Montagmorgen hatten sich in der Bismarckallee in Bad Segeberg 30 Menschen versammelt. Vor dem Versorgungswerk der Ärztekammer Schleswig-Holstein hielten sie eine Mahnwache zum Schutz der Bäume im Kurpark ab. „Baumpflegearbeiten“ sind dort in den kommenden Tagen auf dem Nachbargrundstück angekündigt auf einem Schild. Gemeint ist aber die Fällung mehrerer Bäume. Naturschützer zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abholzung. Bäume werden für Parkplatz am Kurpark Bad Segeberg gefällt: Über 20 Laubbäume sollen für einen neuen Parkplatz gefällt werden neben dem Gebäude des Versorgungswerks der Ärztekammer, berichtet Hennig Vollert von der Ortsgruppe des BUND. Auch der Nabu, Mitglieder der Grünen Jugend, Parents for Future und der Fledermausgruppe protestierten deshalb am Montag. Schon in der Vorwoche war es bei Vorarbeiten zu einem Polizeieinsatz gekommen in der Bismarckallee. Wie Polizeihauptkommissar Klaus Tiemann, Revierführer Segeberg, berichtete, waren den Beamten dabei Genehmigungen unter anderem der Forstbehörde vorgelegt worden. Naturschützer zweifeln an Gültigkeit der Baugenehmigung: Gerade diese Genehmigungen zweifeln die Protestierenden an. Wie Arne Hansen, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, berichtete, sei die Fällgenehmigung von einem Sachbearbeiter aus Neumünster ausgestellt worden. Dieser sei aber gar nicht zuständig. Zudem handele es sich bei der fraglichen Fläche des Kurparks laut Flächennutzungsplan der Stadt Bad Segeberg um ein geschütztes Biotop nach dem Landesnaturschutzgesetz. Daher hätte es einer Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises Segeberg gebraucht. „Das ist alles sehr mysteriös.“ Selbst wenn die UNB eingebunden worden ist, so Hansen, sei zu klären, wie es sein könne, dass die Fällung genehmigt werden konnte. Das Gebiet gehöre zu den Hauptfledermausrouten in Bad Segeberg. Ein entsprechendes Gutachten habe es nicht gegeben nach den Recherchen der Naturschützer. Auch eine sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) sei notwendig. Fragen diesbezüglich an die Behörden seien bisher unbeantwortet geblieben, kritisiert Hansen. Fledermausrouten in Bad Segeberg beeinträchtigt: Fledermausexperte Stefan Lüders sieht insbesondere den Dunkelkorridor vom Kalkberg ins Ihlseegebiet gefährdet: „Im Süden ist der helle Block der Kliniken mit ihrer Lichtemission und wenn jetzt hier im Norden die Bäume fallen, bleibt für die lichtempfindlichen Arten nicht genug Platz.“ Jörg Jokisch, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Stadtvertretung, hatte kein Verständnis dafür, dass bei so einem schwerwiegenden Eingriff in den Stadtwald beziehungsweise Kurpark die Politik nicht beteiligt wurde. Er wies auch darauf hin, dass auf der nahe gelegenen Rennkoppel mehr als ausreichend Parkplätze zur Verfügung stünden: „Bäume roden für mehr Parkplatz, weil zehn Minuten Fußweg zu weit sind – das geht gar nicht.“ Auch er zeigte sich enttäuscht, dass trotz Information weder Mitglieder der Stadtverwaltung, noch der sachlich zuständigen Unteren Naturschutzbehörde des Kreises erschienen waren. Nach einer Stunde schien das Ziel der Mahnwache erreicht – zumindest waren keine Arbeiter mit Motorsäge erschienen. Anwohner werden aber die gefährdete Waldfläche im Auge behalten und über die sozialen Medien alarmieren, wenn dort Bäume gefällt werden sollen. Versorgungswerk der Ärztekammer widerspricht Vorwürfen: Harald Spiegel, Geschäftsführer des Versorgungswerks der Ärztekammer, kann die Vorwürfe der Protestierenden nicht nachvollziehen. Sowohl die UNB des Kreises Segeberg, als auch die Bauaufsicht und die Untere Forstbehörde vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume seien in das Baugenehmigungsverfahren eingebunden gewesen. „Jegliche Belange, die die Umwelt, insbesondere den Schutz der Fledermäuse und des Forstes betreffen, wurden dabei eingehend geprüft. Dies wurde auch gutachterlich dokumentiert“, sagt Spiegel. „Wir haben keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens.“ Zudem seien alle zu fällenden Bäume erst am Sonntag, 30. Januar, von einer Biologin kontrolliert worden, ob dort Winterquartiere von Fledermäusen oder Vogelbrutquartiere vorliegen. Nach Aussagen der Stadtverwaltung Bad Segeberg an Henning Vollert hat der Kreis Segeberg bereits im November die Baumfällung genehmigt. Auch eine artenschutzrechtliche Stellungnahme und eine FFH-Prüfung liege dieser bei, heißt es aus der Umweltabteilung der Stadt. Kreis Segeberg: Gutachten liegen vor, FFH-Vorprüfung ist erfolgt: „Für das Bauvorhaben liegt eine Genehmigung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde vor“, teilt Kreissprecherin Sabrina Müller auf Nachfrage mit. Die UNB sei in dem Zusammenhang beteiligt gewesen. Zuständig für die Genehmigung der Baumfällung sei aber die untere Forstbehörde im Zuge eines Antrags auf Waldumwandlung. „Aufgrund des sensiblen Bereiches, in dem das Vorhaben stattfindet, wurden Gutachten gefordert – und auch vorgelegt –, die die naturschutzfachlichen Belange berücksichtigen“, so Müller weiter. „Hier wurde besonderes Augenmerk auf den Artenschutz (europäische Vogelarten, Fledermäuse, Eremit, Großer Eichenbock sowie Haselmaus) gelegt.“ Wegen einer möglichen Betroffenheit des FFH-Gebietes „Segeberger Kalkberghöhlen“ sowie des Fledermaus-Flugkorridors „Lohmühlentrasse“ habe zudem eine FFH-Vorprüfung stattgefunden. Neue Parkplätze sind Auflage für Gebäudeaufstockung: Die Erstellung von 18 zusätzlichen Parkplätzen sei eine Auflage der Baugenehmigungsbehörde im Zusammenhang mit der Aufstockung des Gebäudes des Versorgungswerks gewesen, erklärt Harald Spiegel vom Versorgungswerk der Ärztekammer. „Dieser Nachweis kann nur durch Anlegung neuer Stellplätze erbracht werden. Hierfür steht keine andere Fläche als unser Nachbargrundstück Bismarckallee 18 zur Verfügung.“ Dass dafür rund 16 Bäume gefällt werden müssen, bedaure man sehr. In Zusammenarbeit mit einem extra beauftragten Landschaftsarchitekten werde auf dem Grundstück des Versorgungswerks eine parkähnliche Anlage entstehen mit vielen Bäumen und Büschen, so Spiegel. Außerdem würden Rasengittersteine verwendet als Untergrund. Die Errichtung weiterer Parkplätze sei aber auch für das Versorgungswerk wichtig. „Die Zahl unserer Mitglieder, das sind alle in Schleswig-Holstein berufstätigen Ärztinnen und Ärzte, hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt“, sagt Spiegel. Der Publikumsverkehr steige kontinuierlich. Besuchern und Mitarbeitenden, die längere Anreisewege haben, wolle man es ersparen, zunächst einen Stellplatz in Bad Segeberg suchen zu müssen. Dies sei auch wichtig, um den Standort in Bad Segeberg zu erhalten, verdeutlicht Spiegel. Kritik an Naturschützern nach Protest in Bismarckallee: Das Bauprojekt habe das Versorgungswerk zudem bereits im Sommer 2021 öffentlich vorgestellt, betont Spiegel. Damals wurde angekündigt, dass als Ausgleich, eine Fläche, drei Mal so groß wie der neue Parkplatz in Garbek aufgeforstet wird. „Für Anregungen und Kritik, auch von Naturschutzverbänden, sind wir stets dankbar. Wir hätten es jedoch begrüßt, wenn ihre nun protestierenden Vertreter sich zunächst direkt an uns gewandt hätten“, sagt Harald Spiegel zu dem Protest am Montag. „Diese haben uns jedoch bis heute nicht kontaktiert.“ Von Klaus J. Harm und Nadine Materne