Prinzessineninsel: Bad Bramstedter Initiative will Wohnquartier Auenland verhindern

„Unser Auenland“ soll die neue, noch in Gründung befindliche Bürgerinitiative heißen, eine Sprecherin gibt es auch schon: Antje Linden, Inhaberin des Wollgeschäftes in der Mühlenstraße. Mit zurzeit rund 20 Mitstreiterinnen und Mitstreitern will sie das geplante „Wohnquartier Auenland“ an der Segeberger Straße verhindern. „Wir sind nicht gegen das Wachstum von Bad Bramstedt, aber nicht an dieser ökologisch hochsensiblen Stelle“, erklärt die Sprecherin, die auf einen Bürgerentscheid setzt. Ortstermin: Astrid Linden und der amtlich bestellte Ortsnaturschutzbeauftragte der Stadt Arne Koops zeigen KN-Online das Gebiet, auf dem die „Deutsche Habitat“ ein 20 Hektar großes Wohngebiet mit Schule, Kita und Hotel schaffen will. 2000 Menschen sollen hier in einigen Jahren leben. Noch kreist hier der Graureiher über den Wiesen, die von Gräben und Tümpeln durchzogen sind. Trotz der langen Trockenperiode steht das Wasser hier noch hoch. „Das ist eine empfindliche Feuchtwiese“, sagt Koops, selbst Gegner des Projektes. „Wenn Sie das Gebiet trockenlegen wollen, wird der Wasserspiegel andernorts ansteigen.“ Die Stadt habe ohnehin schon große Probleme mit dem Wasser, das hätten zuletzt die Überschwemmungen im Februar gezeigt. Der Wasserspiegel wird andernorts steigen: Die Gräben münden in die nur wenige hundert Meter entfernte Schmalfelder Au, eines der letzten Refugien des streng geschützten Neunauges, weiß Koops, der beruflich beim Deutschen Fischereiverband tätig ist. „In dieser Auenniederung darf nicht gebaut werden“, fordert er. Und Antje Linden ergänzt, es gebe in dem Areal Biotope und andere geschützte Landschaftsräume. Für die müsste im Fall einer Bebauung an anderer Stelle Ausgleich geschaffen werden. „Aber wo soll das sein?“, fragt sie. Ihr Gegenvorschlag: Baugebiete im Norden von Bad Bramstedt oberhalb des Liethhangs schaffen. Dort gebe es die Grundwasserprobleme nicht. Am Fuhlendorfer Weg und in Richtung Gayen sei dafür noch Platz. Koops führt noch ein weiteres Argument an. Die Auen in und um Bad Bramstedt sollen weiter renaturiert werden. „Unsere Vorfahren hatten sie begradigt, damit das Wasser schneller abfließt. Wenn sie sich wieder durch die Landschaft schlängeln, wird die Fließgeschwindigkeit herabgesetzt. Das ist ökologisch sinnvoll, aber die Stadt muss das bei ihren Planungen berücksichtigen.“ Es werde also immer schwerer, das Regenwasser aus bebauten Gebieten abzuführen. Kreis Segeberg fordert einen Entwässerungsplan: Der Kreis Segeberg hat der Stadt zur Auflage gemacht, einen Entwässerungsplan vorzulegen, bevor weitere Baugebiete erschlossen werden. Allerdings sollen Ausnahmen möglich bleiben, und eine solche soll das Auenlandquartier werden, hofft Bürgermeisterin Verena Jeske. Die Stadtverordnetenversammlung hatte im Januar bei sieben Gegenstimmen den Verkauf der stadteigenen Flächen an die Deutsche Habitat in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossen. Darauf berief sich Bürgermeisterin Jeske, als Antje Linden sie am vergangenen Dienstag in der Stadtverordnetenversammlung fragte, inwieweit sie denn den Bürgerwillen berücksichtige. „Sie haben Ihre Vertreter gewählt“, antwortete die Bürgermeisterin. Das sei das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein sieht als direkte Mitwirkungsmöglichkeit der Einwohnerschaft einen Bürgerentscheid vor. Zwei Wege führen dort hin. Entweder entscheidet die Stadtvertretung mit ihrer Mehrheit dafür, die Bürger und Bürgerinnen an die Wahlurnen zu bitten und dort mit Ja oder Nein zu stimmen. Oder es wird aus der Einwohnerschaft heraus ein Bürgerbegehren initiiert, eine Unterschriftensammlung. Diese führt zu einem Bürgerentscheid, wenn in einer Stadt in der Größenordnung von Bad Bramstedt 9 Prozent der Einwohner unterschreiben. Rund 1400 Unterschriften wären erforderlich. Bei dem Bürgerentscheid müssen dann 18 Prozent der Einwohner – das sind in Bad Bramstedt rund 2800 – für das Anliegen stimmen. Damit wäre dann ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung außer Kraft gesetzt. Das könnte beispielsweise der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes für das Wohnquartier sein. Bisher steht dieser aber noch aus. Zuletzt hatte es in Bad Bramstedt 2014 einen Bürgerentscheid mit vorangegangenem Bürgerbegehren gegen den Abriss des historischen Hauses der sozialen Dienste gegeben. Er scheiterte, weil das Quorum von 18 Prozent nicht erreicht wurde. Heute steht auf dem Grundstück in der Altonaer Straße ein Kindergarten. Ob die Entscheidung allerdings den Stadtverordneten allein überlassen bleibt, ist fraglich. Die FDP hat angekündigt, einen Bürgerentscheid zu beantragen und diesen mit einem Wahltermin zu koppeln, damit viele Einwohner an die Urnen gehen. Ein solcher Bürgerentscheid kann mehrheitlich von der Stadtverordnetenversammlung angesetzt werden. Die Liberalen haben fünf Sitze im 26-köpfigen Stadtparlament, wären also auf die Unterstützung aus anderen Fraktionen angewiesen. Die kann es durchaus in ausreichender Zahl geben, denn die CDU steht dem Projekt skeptisch gegenüber und auch bei den Grünen gibt es Gegner. Ein Bürgerentscheid ist dann gefällt, wenn 18 Prozent der Einwohner – das sind rund 2800 – sich gegen das Baugebiet aussprechen. Damit wäre das Projekt gescheitert, der Kaufvertrag müsste rückabgewickelt werden. Möglicherweise müsste die Stadt dann auch für die bisherigen Planungen der Deutschen Habitat aufkommen. Was wird aus dem Medizinischen Versorgungszentrum? Und es gibt noch ein Problem: Die Deutsche Habitat gehört zur Berliner CR-Gruppe, die mit einem anderen Tochterunternehmen auch das Gebäude für das Medizinische Versorgungszentrum am Lohstücker Weg bauen will. Der Kaufvertrag für das Grundstück war am selben Abend geschlossen worden, wie der für das Auenlandquartier. Bürgermeisterin Jeske bestreitet zwar, dass es sich dabei um ein Kopplungsgeschäft handelt, doch das Interesse der Berliner an dem vergleichsweise kleinem Projekt MVZ dürfte wohl schwinden, wenn sie an der Segeberger Straße eine Abfuhr bekommen. An der Sackgasse Segeberger Straße steht derweil seit einigen Tagen ein Holzschild mit der Aufschrift „Feuchtgebiet Prinzessinnenland“ – eine Anspielung auf Bad Bramstedts stets modisch gekleidete Bürgermeisterin. Ein „unbekannter Künstler“ habe es geschaffen, sagt Antje Linden grinsend. Verena Jeske nimmt es mit Humor. Nachdem das „Kunstwerk“ schon einmal umgefallen war, sagt sie: „Ist doch schön, dass das wunderschöne Schild dort wieder steht.“