Rickling: Sport für Kinder mit Handicap - ohne im Mittelpunkt zu stehen

Robin (7) hat einen starken Bewegungsdrang. Er flitzt durch die Turnhalle, klettert auf Bänke – was ihm gerade einfällt. „Vor einigen Jahren war ich mit ihm beim Mutter-Kund-Turnen“, erzählt Mutter Rebecca Elfenkämper. Dort sei Robin immer herausgestochen. „Er hat zwei Gendefekte, eine geistige Behinderung.“ Der lebhafte Junge machte beim Turnen nicht das, was vorgegeben wurde. „Und Kinder sind dann auch ehrlich und fragen: Warum machst du so einen Quatsch?“ Sie habe sich teilweise deplatziert gefühlt. Ein anderes Sportangebot für Kinder mit Handicap habe sie jedoch nicht gefunden in der Nähe – und deshalb selbst eins in Rickling gegründet. In der Sporthalle hinter der Grundschule in Rickling hat Rebecca Elfenkämper ein paar Spielstationen aufgebaut. Eine Matte mit Trampolin, Bälle und Hula-Hoop-Reifen liegen bereit, ein Krabbeltunnel, eine Bank zum Balancieren, dazu ein Wurfspiel. Es soll kein Parcours sein. „Jedes Kind soll sich einfach frei bewegen und machen können, auf was es Lust hat“, erklärt Elfenkämper. Neu: Sport für Kinder mit Handicap beim SV Rickling: Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis die Idee einer Sportgruppe für Kinder mit Behinderungen Realität geworden ist. Zunächst habe sie in sozialen Netzwerken herumgefragt, wie groß überhaupt das Interesse an einem solchen Angebot ist. Elfenkämper erhielt einige Rückmeldungen, doch die Umsetzung gestaltete sich schwieriger als gedacht. Überall wo sie nachfragte, konnte man ihr nicht richtig helfen. Beim SV Rickling fand sie schließlich die richtigen Ansprechpartner. Mit dem Wunsch nach einem wohnortnahen und geeigneten Sportangebot für ihr besonderes Kind, ist Elfenkämper nicht allein. Acht Eltern mit ihren Kindern haben sich an diesem Tag angemeldet. Sandra Steinfeldt aus Trappenkamp beobachtet Tochter Natalie beim Spielen mit einem Ball. „Sie war ein Extremfrühchen, wurde in der 27. Schwangerschaftswoche geboren“, erzählt sie. Natalie ist entwicklungsverzögert und ist stark kurzsichtig. Ihr fehlt unter anderem das räumliche Sehen, dazu kommen Gleichgewichtsstörungen. Lesen Sie auch Inklusion im Sport: Stand-Up-Paddeling (SUP) mit dem Rollstuhl Sportunterricht mal anders: Rollstuhlbasketball mit HSV-Profis in Henstedt-Ulzburg In Spielgruppen mit gesunden Kindern könne Natalie vieles nicht mitmachen, vor allem, wenn es um Ballspiele geht. In der Turnhalle in Rickling blüht das Mädchen auf. Es hat viel Platz, kann sich frei bewegen. „Es hat ihr letzte Woche schon so gut gefallen, dass sie heute ganz aufgeregt war“, erzählt Sandra Steinfeldt. Kaum Angebote für Kinder mit besonderen Bedürfnissen: Auch Stefanie Schröder hatte Schwierigkeiten, ein geeignetes Bewegungsangebot für Pflegekind Mira zu finden. Das Mädchen ist zweieinhalb, wirkt aber viel jünger. „Sie hat einen Gendefekt, sie spricht noch nicht, hat eine schwache Muskulatur“, berichtet Schröder. Sie krabbelt, statt zu laufen. Auf das Laufen aber seien Kindergruppen in diesem Alter ausgerichtet. „Eigentlich müsste ich mit ihr in eine Krabbelgruppe.“ Durch eine andere Mutter habe sie von der Sportgruppe für Kinder mit Handicap in Rickling gehört. „Ich hätte das sonst nicht mitbekommen“, sagt Schröder. Es gefällt ihr, dass Mira und die anderen Kinder hier viel Platz haben und machen können, was zu ihren Fähigkeiten passt. Silvia Kaack ist mit ihrer Enkelin Lea Sophie in die Sporthalle gekommen. „Ich habe sie jeden Donnerstag“, sagt die Gönnebekerin. Lea wird bald drei Jahre alt, sie hat das Williams-Beuren-Syndrom, ein Gendefekt mit Entwicklungsstörungen. Am wichtigsten sei ihr, dass Lea Kontakt zu anderen Kindern bekommt. „Es gibt nicht so viele Angebote“, sagt Kaack. Vieles sei in der Coronazeit eingestellt worden. Austausch mit Eltern von Kindern mit Behinderungen: Eine körperliche Einschränkung hat die kleine Lia (15 Monate). Ihre linke Hand ist fehlgebildet, der Fuß fehlt. „Sie trägt eine Prothese“, berichtet ihr Vater. Es sei einfach schön, ein Bewegungsangebot vor Ort in Rickling zu haben, sagt er. Für Therapien und anderes müsse die Familie schon immer weit fahren. Kontakte mit anderen Eltern, die ebenfalls Kinder mit Behinderungen haben, erhofft sich Birte Rühmer. Sohn Tomme ist erst acht Monate alt, er hat das Down-Syndrom und liegt auf einer Matte. Durch seine Muskelschwäche ist der Junge noch nicht so weit wie andere Kinder, die schon krabbeln. „Man vergleicht hier nicht so extrem“, hebt Rühmer positiv hervor. Aber auch Tochter Luna (2) kann sich in der Halle austoben. „Das ist sehr schön, in der letzten Zeit ging es doch sehr viel um den kleinen Mann“, sagt die Mutter. „In erster Linie ist das Angebot für Kinder mit Einschränkungen“, sagt Initiatorin Elfenkämper. Es sei aber kein Problem, wenn etwa Geschwisterkinder ohne Handicap dabei sind. Jeden Donnerstag von 15.30 bis 16.30 Uhr können Kinder ohne Altersbeschränkung, in Begleitung einer Aufsichtsperson teilnehmen. „Zwei, drei Mal kann man zum Schnuppern vorbeischauen“, sagt Elfenkämper. Danach müssten Teilnehmer in den Sportverein eintreten aus Versicherungsgründen. Wer vorbei kommen möchte, meldet sich unter Telefon 0176/44279931 bei Rebecca Elfenkämper.