Windstrom: Neue Kabel-Trasse für 2 Milliarden Euro quer durch Segeberg

Der Kreis Segeberg wird offenbar zu einem Kerngebiet für die Energiewende in Deutschland. Der Bund lässt von Heide nach Schwerin ein neues Höchstspannungs-Erdkabel verlegen (Projekt DC31). Zusätzlich zu zwei bereits bestehenden oder geplanten großen Freileitungen im Kreisgebiet. Und es könnten noch mehr Trassen werden. „Wichtig ist, dass der neue unterirdische Trassenkorridor so konzipiert wird, dass dort künftig mögliche weitere Leitungen aufgenommen werden können“, sagt Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Minister Jan Philipp Albrecht begrüßt Verlegung des neuen Stromkabels: Generell begrüßt Albrecht den Beschluss für das Projekt DC31. „Der rasante Ausbau der Erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein ohne hinreichende Netzanbindung der südlichen Bundesländer ist ein Fehler aus der Vergangenheit, der sich nicht wiederholen darf.“ Es wäre die dritte große Stromleitung quer durch den Kreis Segeberg. Eine verläuft von Nord nach Süd: Die große Mittelachse-Freileitung (380-kV) an der A7 zwischen Bimöhlen und Norderstedt wurde 2018 fertiggestellt. Neue Ostküstenleitung soll 2025 fertig sein: Die neue Ostküstenleitung (380-kV) Henstedt-Ulzburg-Lübeck, also auf der Ost-West-Achse, soll ab 2023 gebaut und 2025 fertig werden. Überwiegend wird sie als Freileitung angelegt, aber auch mit Erdkabelstrecken in Kisdorferwohld und Henstedt-Ulzburg. Lesen Sie auch Ostküstenleitung: Henstedt-Ulzburgs Sorge um das Biotop Ostküstenleitung: Auch Kisdorf gegen Tennet-Pläne Mittelachse: Neue „Strom-Autobahn“ in Betrieb Doch die beiden großen Stromtrassen reichen nicht. Die zunehmende Menge an Windstrom muss von den Windkraftanlagen in und an der Nordsee über weitere Wege nach Süddeutschland transportiert werden. Denn für den Stromtransport gibt es Engpässe rund um Hamburg. Strom nimmt Umweg über Mecklenburg-Vorpommern: Ohne DC31, so die Bundesnetzagentur, wären Netze überlastet. Deshalb billigte sie kürzlich das neue 525-kV-Höchstspannungs-Erdkabel von Heide nach Klein Rogahn bei Schwerin. Der Leitungsfluss liegt bei 2000 MW. Das Kabel soll zu durchschnittlich 56 Prozent ausgelastet sein. Der konkrete Trassenverlauf sei zwar noch festzulegen, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Aber „unabhängig davon führt die vorgeschlagene Verbindung Heide-Schwerin zwangsläufig mittig über das Kreisgebiet von Nordwest nach Südost.“ Kreis Segeberg von neuem Erdkabel offenbar überrascht: Der Kreis Segeberg zeigt sich von der jüngsten Entscheidung zum Projekt DC31 offenbar überrascht. „Die Maßnahme wurde von den Übertragungsnetzbetreibern erstmals im Netzentwicklungsplan 2021 bis 2035 beantragt“, sagt Müller. „Sie ist für alle Betroffenen neu, auch für den Kreis Segeberg.“ Das Erdkabel für Gleichstrom wird gut 200 Kilometer lang. Die Bauarbeiten in Schleswig-Holstein erledigt die Firma Tennet, im Mecklenburger Teil die Firma 50Hertz. Startpunkt des Erdkabels wird Heide, wo der Windstrom anlandet. Dort soll auch ein Stromdrehkreuz für Gleichstromverbindungen errichtet werden. Bundesnetzagentur rechnet mit Kosten für Erdkabel und Anlagen von zwei Milliarden Euro: Angeschlossen wird ein Konverter. Er wandelt dort in einer Abzweigung den Gleichstrom (DC) in Wechselstrom (AC) um, auch soll bei Heide Wasserstoff erzeugt werden können. Am anderen Ende, in Klein Rogahn bei Schwerin, wird ebenfalls ein Konverter errichtet. Von dort wird der Windstrom in Richtung Süden geleitet. Ulrike Platz, Sprecherin der Bundesnetzagentur, rechnet grob gerechnet mit Kosten von zwei Milliarden Euro. „Über die Netzentgelte tragen die Netznutzer, also die Verbraucher, die Kosten.“ Verlegung des Erdkabels wird vier oder fünf Jahre dauern: „Wir wünschen uns, dass das Erdkabel 2032 in Betrieb genommen wird“, sagt Mathias Fischer, Pressesprecher der Firma Tennet. Er kalkuliert mit einer Bauzeit von vier bis fünf Jahren und betont, die Detailplanungen stünden noch ganz am Anfang. Zunächst müsse der Bundestag das Projekt DC31 endgültig beschließen. Dann gehe es in die Bundesfachplanung. Es werde viele Anhörungen und Informationstreffen geben, abschließend ein Planfeststellungsverfahren. Minister Jan Philipp Albrecht: Bürger sollen Meinung zu Erdkabel kundtun können: Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Albrecht betont: „Selbstverständlich muss der Vorhabenträger auch bei diesem Projekt über das gesamte Verfahren hinweg für eine umfassende Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner sorgen.“ Wo das Erdkabel verlegt werden könnte, hat die Bundesnetzagentur beschrieben: Allerdings einen sehr breiten Korridor vorgegeben. Er verläuft zwischen Hamburg im Süden und Kiel im Norden. Der kürzeste Weg würde durch Segeberg führen. Drei Kriterien für Trassenwahl des Erdkabels wichtig: „Wir müssen schauen, wo es am meisten Sinn macht“, sagt Tennet-Sprecher Mathias Fischer. Kriterien für die Wahl der Trasse seien die Technik, die Wirtschaftlichkeit, also die Länge des Kabels, und ob Hindernisse wie Siedlungen und Naturschutzgebiete auf dem Weg liegen. „Wir sind ganz am Anfang.“ Erdkabel für Gleichstrom seien andernorts schon hunderte Kilometer lang verlegt worden. Es sei ein schmaler Kabelgraben nötig, weniger als halb so breit wie bei einem Graben für ein Wechselstrom-Erdkabel wie bei der Ostküstenleitung. Kabel knapp zwei Meter tief im Erdreich: Verlegt werden soll 1,5 bis 1,8 Meter tief in der Erde. Später, so Fischer, sei eine Trasse über dem Kabel von zwölf bis 18 Metern Breite freizuhalten. Um bei Arbeiten am Kabel Zugang zu haben. Es trete keinerlei Strom aus. Landwirte könnten darüber Korn oder Rüben anbauen, sagt der Tennet-Sprecher. Nur Bäume wegen der tief gehenden Wurzeln dürften nicht gepflanzt werden. „Und man darf kein Haus drauf bauen.“