Amateurfußball in SH: Fließt Schwarzgeld auch in Schleswig-Holstein?

„Unsere Amateure. Echte Profis.“ Dieses Motto einer Kampagne des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) scheinen tausende Amateurfußballer für bare Münze zu nehmen: Mehr als an eine Milliarde Euro werden im Amateurfußball pro Saison an Spieler bezahlt, davon mutmaßlich 500 Millionen Euro als Schwarzgeld. Zu diesen hochgerechneten Ergebnissen kommt eine bundesweite Online-Befragung mit mehr als 10 000 Amateurfußballerinnen und -fußballern, die der rbb in Kooperation mit dem Recherche-Netzwerk Correctiv und mit Hilfe dieser Zeitung durchgeführt hat. Aus der errechneten Stichprobe gaben 90 Prozent der Spieler aus der fünfthöchsten Spielklasse (Oberliga) an, im Oktober 2020 Geld fürs Fußballspielen erhalten zu haben. Ihr mittleres Einkommen lag bei 500 Euro. Selbst in der Kreisliga sagten 36,4 Prozent aus, Geld fürs Kicken zu bekommen (mittleres Einkommen bei 200 Euro). Etwa die Hälfte der Zahlungen soll nicht schriftlich dokumentiert worden und bar geflossen sein. Tim Cassel: „Fälle, die man nicht unter den Tisch kehren darf“: Von den Ergebnissen der bundesweiten Umfrage zeigt sich Tim Cassel, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands (SHFV) wenig überrascht: „Ich glaube, dass es das Problem im Amateurfußball in Deutschland schon immer gab und auch in Schleswig-Holstein wird es solche Fälle geben, die man nicht unter den Tisch kehren darf. Nach meinem Eindruck arbeitet die große Zahl der Vereine bei uns in dieser Hinsicht aber sauber.“ Bezahltricks im Amateurfußball: Bargeld im Umschlag, Scheinarbeitsverhältnisse, Kilometergeld: Die Umfrage legt nahe, dass Zahlungen an Spielerinnen und Spieler oft am Fiskus vorbeigeschleust werden: Bargeld im Umschlag, ausgehändigt im Vereinsheim, Scheinarbeitsverhältnisse beim Sponsor; horrende Kilometergelder – auch wenn der Spieler zu Fuß zum Sportplatz kommt. Klubs nutzen scheinbar das ganze Repertoire. Konfrontiert mit der Recherche lautet der überwiegende Tenor von mehreren durch unsere Zeitung befragten Vereinsverantwortlichen in Kiel: Unversteuerte Gehälter über mehrere hundert Euro seien hier in den unteren Klassen nicht vorstellbar. „Das sind Beträge, die ich nicht für realistisch halte“, sagt auch Volker Roese, Vorsitzender des Landesligisten FC Kilia, derzeit Heimatklub mehrerer ehemaliger Regionalligaspieler. „Ich kann mich an ganz frühere Zeiten erinnern, in denen sehr hohe Beträge an Spieler gezahlt wurden. Das hat sich extrem verändert, weil die meisten Vereine das Geld gar nicht mehr haben.“ Lesen Sie auch Interview: SHFV-Präsident Uwe Döring: Im Frauenfußball „fehlt uns der Leuchtturm“ Holstein Kiel: Unter Marcel Rapp auf Tabellenplatz acht Laut DFB-Spielordnung dürfen Amateurfußballer nicht mehr als 250 Euro pro Monat an Aufwandsentschädigung bekommen, andernfalls wird ein Amateurvertrag mit Steuern und Sozialabgaben fällig. Im SHFV besitzen nur 144 von rund 21 500 Spielerinnen und Spielern einen Amateurvertrag. Alle anderen 21 356 Kicker und Kickerinnen entziehen sich automatisch der Kontrolle der Landes-Fußballverbände. Sie obliegt den Finanzämtern. „Wir sensibilisieren die Vereine, wie wichtig es ist, sauber zu arbeiten, weil es im umgekehrten Fall erhebliche Folgen haben kann“, sagt SHFV-Chef Cassel. Konkret: Den Vereinen drohen der Entzug der Gemeinnützigkeit und hohe Nachzahlungen. „Wenn man seriös und langfristig erfolgreich einen Verein leiten will, geht das nur, wenn man das solide aufbaut“, so Cassel. Oberligist SV Todesfelde lässt sich bei Abrechnungen von Steuerbüro begleiten: Beispiel SV Todesfelde: Der Dorfklub spielt seit Jahren in der Oberliga-Spitze. Bei den monatlichen Abrechnungen wird der Verein von einem Steuerbüro begleitet. „Wir haben eine gewisse Größenordnung und der müssen wir auch gerecht werden“, sagt Thomas Steenbock, Vorsitzender des Fördervereins SV Todesfelde. „Wir wollen nicht, dass man als Ehrenamtler nicht gut schläft, weil im Verein irgendwas schief läuft.“ Pfund des SVT sind laut Steenbock nicht etwa enorme Spielergehälter, sondern ein breites Netzwerk aus Sponsoren und Ehrenamtlern, das etwa bei der Arbeits- oder Wohnungssuche unterstützt. Ob es anderswo in der fünften Liga auch anders läuft, will Steenbock nicht kommentieren: „Es steht mir nicht zu, über andere Vereine zu urteilen. Aber den Big Spender, der hinter der Ecke Umschläge verteilt, gibt es meines Wissens in unserer Region nicht mehr.“ Klar ist jedenfalls: Der Sog des Schwarzgelds hat bundesweit den Amateurfußball längst erreicht. Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation der Kieler Nachrichten mit Correctiv und dem rbb, der für die Recherche federführend verantwortlich war. Die Dokumentation „Milliardenspiel Amateurfußball: Wenn das Geld im Umschlag kommt“ wird am Mittwoch, 19. Januar um 23.30 Uhr in der ARD gezeigt.