Holstein Kiel atmet vor dem Ostsee-Knaller bei Hansa Rostock personell auf

Holstein Kiel im Sumpf der Subtraktion, Ausfall um Ausfall tiefer ins Minus. Es ist nicht weniger als Kadermathematik des Grauens, die zu befürchten steht, als Cheftrainer Marcel Rapp am Mittwochnachmittag das Podium betritt. Aber, Überraschung, er kommt ohne seinen gefürchteten Spickzettel aus, kann sich auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel in der Zweiten Fußball-Bundesliga bei Hansa Rostock (Fr., 18.30 Uhr) kurz fassen. Einzig neu auf der Liste der nicht zur Verfügung stehen Spieler: Joshua Mees (muskuläre Probleme). Glimpflich. „Grundsätzlich sind alle anderen einsatzbereit“, sagt Rapp, zieht aus dieser Rechnung zuvor noch die definitiven Ausfälle Finn Porath (Syndesmoseriss), Jonas Sterner (Adduktorenprobleme), Mikkel Kirkeskov (Achillessehnenprobleme), Noah Awuku (Aufbau) und Kapitän Hauke Wahl (Pfeiffersches Drüsenfieber) ab, hat ansonsten aber gute Nachrichten mit Blick auf Rostock zu verkünden: Die zu Wochenbeginn noch erkrankten Thomas Dähne und Alexander Mühling? Dabei. Der an einer Bänderverletzung laborierende Patrick Erras? Dabei. Marco Komenda nach Knöchelverletzung? Dabei. 21 750 Fans werden im Rostocker Ostseestadion erwartet: Fast so etwas wie Auswahl. Und die ist hochwillkommen – vor allem gegen einen Gegner, der nichts weniger im Sinn haben dürfte, als der KSV einen 90-minütigen Abnutzungskampf aufzuzwingen. „Es kommt viel Wucht auf uns zu, das wird ein sehr intensives Spiel“, sagt Rapp. „Da muss man schon abwägen: Wem traut man zu, dagegenzuhalten? Für wen ist es vielleicht besser, von der Bank zu kommen?“ Die finale Fitness wird am Ende darüber wohl ebenso entscheiden wie taktische Überlegungen. Aber: Es wird auch eine Frage des Charakters im Ostseestadion vor bis zu 21 750 Fans. „Sie werden gegen uns den nächsten Schritt gehen wollen“, sagt Rapp über die Rostocker, die den Störchen nach dem 4:3 auf Schalke im Nacken sitzen, Holstein weiter in den Abgrund zu reißen drohen. „Dagegen müssen wir uns stemmen – mit allem, was wir haben. Mit unserer Qualität, aber auch mit Tugenden wie Einsatzbereitschaft und Leidenschaft.“ Fußball allein ist also nicht genug. Vor allem dann nicht, wenn man drei Spiele am Stück verloren hat. Wenn man dabei phasenweise ordentlich, in den entscheidenden Szenen aber katastrophal agiert hat – auf die Spitze getrieben beim 3:4 gegen Paderborn. „Es ist klar“, sagt Rapp, „dass auf die Jungs jetzt viel von außen einprasselt. Die mediale Berichterstattung wird negativer, die Leute im Umfeld fragen, was los ist.“ Die „Challenge“, so Rapp, sei nun, „dass wir bei uns bleiben“. Lesen Sie auch Podcast „Holstein eins zu eins“: Auf der Suche nach dem Silberstreif Holstein Kiels Nico Carrera nach Profidebüt: „Habe einfach nur gezittert“ Heißt: Störgeräusche ausblenden, an den wesentlichen Dingen arbeiten. „Wir haben den Hebel bei der Frage angesetzt: Was können wir dafür tun, dass es gar nicht so weit kommt, dass Glück oder Unglück über Tore entscheiden?“, sagt Rapp im Bezug auf die durch individuelle Patzer begünstigten Gegentreffer, die aber schon in anderen Zonen hätten frühzeitig verhindert werden können. „Wir müssen alles daran setzen“, sagt Rapp, „dass so etwas gar nicht aufkommt.“ Müssen. In diesem Wort verdichtet sich die Lage, in der die Störche nunmehr stecken. Eine Lage, in die sich Holstein Kiel in den vergangenen Wochen selbst gebracht hat. Können war gestern. Siege sind ein Muss – bei nur fünf Punkten Vorsprung auf Platz 16 und noch neun ausstehenden Spielen. Vor allem gegen direkte Konkurrenten wie Hansa. „Es geht am Ende immer ums Ergebnis“, sagt Rapp, wissend um die Zwänge der Tabelle. „Aber es ist ja völlig am Ziel vorbei, wenn wir nur sagen: Wir müssen das Spiel gewinnen. Es geht um das Wie, um die Handlungsebene. Was müssen wir dafür tun? Natürlich ist klar, dass wir das Spiel gewinnen müssen. Wir sollten eigentlich jedes Spiel gewinnen. Aber es geht immer darum, wie wir das schaffen. Es geht um die Spielidee.“ Und von der ist er weiter überzeugt. Von der sind sie alle überzeugt bei den Störchen, von ihren unbestreitbaren Qualitäten, die zu mehr reichen sollten als Abstiegskampf. Der für den Moment aber die Wirklichkeit ist. Auch wenn Rapp beteuert: „Ich nehme im Verein keinen Druck wahr. Vielmehr mache ich mir den Druck ein Stück weit selbst.“