Holstein Kiel nach 0:3 gegen Hannover die Schießbude der 2. Liga

Holstein Kiel sollte sich auf eine längere Verweildauer im Tabellenkeller der Zweiten Fußball-Bundesliga einrichten. Die gerechte Heimniederlage am Sonnabend gegen Hannover 96 war die bereits vierte 0:3-Packung in den erst sieben Spielen dieser Saison. Zahlen lügen nicht. Gelios’ Blackout war der Knackpunkt: Die frühe Rote Karte für Ioannis Gelios (10.) wegen Notbremse als alleinigen Grund für den neuerlichen Rückschlag nach zuletzt drei Partien ohne Niederlage ins Feld zu führen, wäre grob fahrlässig. Sicher, der Blackout des KSV-Keepers war ein Knackpunkt der Partie. Holstein fehlte alles: Stabilität, Konsequenz, Spielglück: Ein technischer Fuß-Fehler des 29-Jährigen außerhalb seines Strafraumes gegen den anlaufenden Lukas Hinterseer, der sich anschließende Pressschlag und der folgende Trikotzupfer gegen den 96-Stürmer – eine Szene, die offenbarte, woran es den Störchen derzeit vornehmlich mangelt: defensive Stabilität, die Konsequenz (vorne wie hinten) in den entscheidenden Momenten und das Spielglück. Konstant sind lediglich die stetig wiederkehrenden individuellen Patzer. Ole Werner flüchtet sich in den Konjunktiv: Natürlich veränderte das Missgeschick des Deutsch-Griechen die Statik des Störche-Systems in der nun 80-minütigen Unterzahl grundlegend. „Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, hier mit 0:1 in Rückstand zu geraten“, sagte der Holstein-Cheftrainer nach dem Abpfiff. Eine nachvollziehbare Flucht in den Konjunktiv. Denn tatsächlich hatten die Störche dieses Nordduell mit Chancen für Fabian Reese (3.) und Phil Neumann (6.) ansprechend eröffnet. Ob die Kieler bei numerischem Spieler-Gleichstand das Geschehen hätten wenden können? Lesen Sie auch Der Spielbericht zum 0:3 gegen Hannover 96 „Nachspielzeit“-Kommentar: Das Holstein-Konstrukt ist noch zu fragil Vielleicht. So aber verfielen die Störche in eine Schockstarre voller Pech und Pannen. Sebastian Ernsts Schuss zum 1:0 der Gäste (18.) fälschte Hauke Wahl ebenso unglücklich wie entscheidend ab. Beim 2:0 der Niedersachsen durch Sebastian Kerk (25.) agierte die Holstein-Defensive im Kollektiv als Statist, stand bei der vorausgehenden One-Touch-Kombination des Gegners Spalier, anstatt aggressiv den eigenen Hoheitsbereich zu verteidigen oder die entstandenen Löcher im und am eigenen 16er durch handlungsschnelles Verschieben zu stopfen. Vor dem 0:3 (nach eigenem Freistoß!) rutschte Marcel Benger im Sprintduell mit Linton Maina aus – eine bezeichnende Szene an diesem Tag. Game over in der 34. Minute! Schon 16 Gegentore: Die Schießbude der Liga steht in Kiel: Zur Erinnerung: Bei Gelios’ Platzverweis wies die Ergebnistafel ein 0:0 aus. Niemand erwartet in dieser Lage ein Offensiv-Feuerwerk. Aber die drei Einschläge binnen dieses 16-minütigen Albtraums zeugen von der Kardinalschwäche der Störche: Insgesamt 16 Gegentore in diesem Spieljahr sprechen eine klare Sprache. Die Schießbude der Liga steht in Kiel. „Die beiden letzten Gegentore haben nichts mit der Unterzahl zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie wir momentan verteidigen“, monierte Kapitän Wahl dann auch zurecht. Wie schon in Karlsruhe sah kein Holstein-Spieler eine Gelbe Karte: Auffällig zudem: Nicht ein KSV-Profi sah gegen Hannover eine Gelbe Karte – wie schon eine Woche zuvor in der Partie beim Karlsruher SC (2:2). Die lieben Störche lassen ihren Gegenspielern derzeit sehr viel Platz zum Spielen. Von aggressivem Defensivverhalten keine Spur. Holstein Kiel: Gelios – Neumann, Wahl, Lorenz, van den Bergh – Benger (46. Erras) – Mühling, Bartels (88. Sander) – Mees (12. Dähne), Pichler (64. Arp), Reese (46. Porath). Hannover 96: Zieler – Dehm (46. Muroya), Krajnc, Börner, Hult – S. Ernst, Ondoua – Beier (80. Ochs), Kerk (86. Muslija), Maina (70. Stolze)– Hinterseer (86. Weydandt). Schiedsrichter: Timo Gerach (Landau) – Tore: 0:1 Ernst (18.), 0:2 Kerk (25.), 0:3 Maina (34.) – Zuschauer: 8125 – Gelbe Karte: – / Maina – Rote Karte: Gelios (10.) wegen Notbremse. Torschüsse: 8/11 Chancen: 5/8 Ecken: 3/4 Laufleistung: 103,74 km/115,66 km Ballbesitz: 46:54 Prozent Zweikampfquote: 57:43 Prozent Ein Mental-Anführer wie Lewis Holtby hätte dem fragilen KSV-Ensemble an diesem Nachmittag sicher gut zu Gesicht gestanden. Der aber saß am Sonnabend noch auf der Tribüne. Der Routinier wartete vergeblich auf ein sportliches Geschenk anlässlich seines 31. Geburtstages. Viele der 8125 Fans verabschiedeten die Störche mit aufmunternden Sprechchören: Nichts war’s auch für den Kieler Anhang mit der erhofften Fußball-Party auf den mit 8125 Zuschauern erstmals seit anderthalb Jahren wieder gut gefüllten Rängen. Der Ultra-Block verabschiedete die KSV-Mannschaft dennoch mit aufmunternden Sprechchören. Immerhin ein gutes Zeichen an einem „Tag zum Vergessen“, wie KSV-Sportchef Uwe Stöver das Geschehen knackig zusammenfasste. Ole Werner ist nach diesem Rückschlag wieder dort angekommen, wo für ihn in seiner Rolle als verantwortlicher Coach des Zweitligisten vor fast genau zwei Jahren alles begann: 20. September 2019, 1:2 zu Hause gegen Hannover 96 bei seiner Premiere, fünf Punkte nach sieben Spielen.