"Hätte die Worte so nicht wählen dürfen"

Diplomatisch ist anders. Hauke Wahl griff, da saß die Enttäuschung des späten 2:2 gegen den 1. FC Heidenheim erst seit wenigen Minuten in den Knochen, zu Worten, die einen dieser seltenen Einblicke ins aufgewühlte Innenleben eines Profis gewährten. Der Kapitän von Fußball-Zweitligist Holstein Kiel, einer der Protagonisten der dramatischen Schlussphase vom Sonnabend, war von seinen Gefühlen getrieben, als er vors „Sportschau“-Mikrofon trat. „Du darfst als Verteidiger nichts mehr machen“, echauffierte sich Wahl über den verhängnisvollen Elfmeter für die Gäste nach seinem Handspiel in der 83. Minute. „Da sitzen vier Leute im Keller, die haben noch nie Fußball gespielt, die wissen gar nicht, was Bewegungssport ist, und entscheiden so ’ne Kacke.“ Rumms. Mit einigen Tagen Abstand ist die geplatzte Hutschnur wieder geflickt. „Ich war nach dem Abpfiff einfach sehr frustriert über den Spielverlauf und habe aus der Emotionalität heraus geantwortet“, sagt Wahl über seinen Wutausbruch. „Ich hätte die Worte so nicht wählen dürfen. Im Nachhinein tut mir das natürlich leid.“ Er wolle sich, schiebt der Störche-Spielführer nach, „zu diesem Thema jetzt nicht mehr äußern“. Ifab will Handspielregel überarbeiten: Dabei hätte er jeden Grund dazu. Denn die Linie beim leidigen Thema Handspiel ist selbst unter den Regelhütern umstritten. Derart, dass sich das zuständige International Football Association Board, kurz Ifab, am Montagabend zu einer Stellungnahme gezwungen sah. Nicht speziell wegen der Vorkommnisse in Kiel. Sondern, weil es an jedem Spieltag zigfach zu fragwürdigen Auslegungen kommt. Nicht jede Ballberührung eines Spielers mit der Hand oder dem Arm sei ein Vergehen, teilten die Mitglieder der Fußball- und Technik-Beratungsgremien mit. Die 2019 eingeführte Bewertungsgrundlage der „unnatürlichen Vergrößerung der Körperfläche“ müsse klarer definiert werden und die Bewegung des Spielers berücksichtigen. Bewegungssport, eben. Punkt Hauke Wahl. Weder ihm noch der KSV, erst recht nicht Schiedsrichter Arne Aarnink, der nach Ansicht der VAR-Bilder auf den Punkt gezeigt hatte, hilft das aber im Bezug auf den Sonnabend weiter. Es ist passiert. Dass in der Nachspielzeit noch das 2:2 fiel nach einem Kopfball von Wahl vor die Füße von Christian Kühlwetter, machte den gebrauchten Nachmittag dann so richtig rund. Und überdeckte, dass zuvor vieles eigentlich gut funktioniert hatte. „Wir haben 85 Minuten lang ein sehr gutes Heimspiel gezeigt, uns viele Chancen erspielt, und hätten rechtzeitig für die Vorentscheidung sorgen müssen“, sagt Wahl. Lesen Sie auch den Kommentar zum Spiel: Erst sehr reif, dann sehr grün Haben sie aber nicht. Sondern spät Punkte abgegeben. Ein Phänomen, das Holstein in der Vorsaison viel zu häufig begegnet war. Sind die alten Geister zurück? Wahl bleibt gelassen: „Ich denke nicht, dass wir nun von einem Rückfall oder Ähnlichem reden müssen. Wir haben in der bisherigen Saison schon genügend Spiele bestritten, in denen wir in der entscheidenden Schlussphase sehr gut agiert haben.“ Daran will er mit seinen Kollegen nun am Sonntag (13.30 Uhr) bei Hannover 96 wieder anknüpfen. Das aber einmal mehr mit verändertem Personal in der Defensive. Johannes van den Bergh fällt nach seiner Roten Karten gegen Heidenheim aus, Phil Neumann fehlt noch ein letztes Mal vor Ablauf seiner Rotsperre aus dem Aue-Spiel (1:1). Marco Komenda befindet sich nach Ermüdungsbruch im Fuß erst im Aufbautraining. Das Prunkstück, die Abwehr, geht am Stock. Ein Problem? „Es ist eine große Stärke unseres Kaders, dass wir in dieser Saison breiter aufgestellt sind. Wir haben viele Jungs, die man einfach reinwerfen kann. Das wird auch am Wochenende wieder der Fall sein“, sagt Wahl. „Wir haben genügend Spieler, die heiß darauf sind, zu spielen und sich zu zeigen. Wir haben in der Viererkette in der laufenden Saison schon mehrfach in unterschiedlicher Besetzung gute Leistungen gezeigt. Von daher bin ich auch für das Spiel am Sonntag optimistisch.“ Die Coolness beim Kapitän ist erstaunlich schnell zurückgekehrt. Nach einem erstaunlich ehrlichen Beben.

Holstein Kiels Wahl zu Wut-Interview - "Hätte Worte so nicht wählen dürfen"