Holstein Kiel hadert mit der Ausbeute

Jetzt haben sie die Klaviatur der späten Gefühle einmal durchgespielt. Der Re-Start der Zweiten Fußball-Bundesliga begann für Holstein Kiel mit dem Last-Minute-Schock von Regensburg (2:2), es folgte der glückliche, aber verdiente 3:2-Erfolg über den VfB Stuttgart, der bis zum letzten Moment auf der Kippe stand. Und nun eben die gescheiterte Aufholjagd beim VfL Bochum. 1:2, trotz aller Möglichkeiten. Passiert. Aber einfach abhaken? Dass die Störche überhaupt erst gegen einen 0:2-Rückstand anrennen mussten, war hausgemacht. Es griff einmal mehr die archaische Weisheit aus der Ur- und Frühgeschichte dieses Sports, die auch im modernen Fußball noch gilt: Wer vorne die Tore nicht macht, wird hinten bestraft. „Wir haben in der ersten Halbzeit richtig gut gespielt, müssen mit 2:0 oder 3:0 in Führung gehen, wenn wir unsere Chancen nutzen“, sagte Mittelfeldspieler Jonas Meffert. David Atanga, für Fabian Reese in die erste Elf hineinrotiert, hatte zweimal den Treffer auf dem Fuß, einmal bereitete er bei einem Konter Emmanuel Iyoha mustergültig den Boden, der den Ball dann aber nicht verarbeiten konnte. Das wäre es gewesen, das 1:0, das 2:0 und, wenn es nach Meffert gegangen wäre, auch das 3:0. „Dann ist das Ding gegessen“, erklärte Meffert. So aber gingen er und seine Kollegen mit leerem Magen in die Pause. Das bekam ihnen nicht gut. "Das darf uns in so kurzer Zeit nicht zweimal passieren": Denn nach dem Seitenwechsel war die Ordnung weg. „In der zweiten Halbzeit sind wir schlecht aus der Pause gekommen. Wir konnten 15, 20 Minuten nicht das spielen, was wir uns vorstellen“, sagte Cheftrainer Ole Werner. „Das war dann die Phase, in der der Gegner treffen konnte.“ Das 0:1 in der 49. Minute offenbarte deutliche Defizite im bis dahin einwandfreien Kieler Abwehrverhalten. Hauke Wahl und Stefan Thesker gewährten Vorlagengeber Milos Pantovic genau die Gasse, durch die er diagonal einlaufen konnte. Der freie Jordi Osei-Tutu hatte dann leichtes Spiel. Beim 0:2 fast das gleiche Bild. Zwischen Thesker und Johannes van den Bergh geht die Lücke auf, Silvère Ganvoula ist da, wird geschickt und zieht eiskalt ab (63.). „Das waren identische Gegentore. Das darf uns in so kurzer Zeit nicht zweimal passieren“, klagte Kapitän Wahl. „Wir haben zweimal zu viel Raum gelassen, das haben sie brutal ausgenutzt.“ Holsteins Problem ist, dass „brutal“ nicht zum Kieler Fußballvokabular gehört. Denn mit der kalten Schnauze hätten die Störche nicht nur gefühlt, sondern auch statistisch mehr aus ihrer Überlegenheit machen müssen. Seit neuestem bietet die Bundesliga über ihre Homepage Live-Statistiken wie die Expected Goals an, die im Grunde eine aufsummierte Wahrscheinlichkeit des Torerfolges auf Grundlage der Abschlussposition sind. Die Daten für die Zweite Liga sind dort nicht zu finden – dafür aber unter anderem beim renommierten Statistikblog „Five Thirty Eight“. Holstein hätte demnach zwei Tore schießen müssen. Bei nur einem kassierten. Sie hätten also 2:1 gewinnen sollen. Theoretisch. Lesen Sie auch: Nachspielzeit zum Bochum-Spiel: Keine Magie Nur ist Fußball trotz Corona-Laborbedingungen keine planbare Operation. Dass der Bessere manchmal, eigentlich sogar ziemlich oft nicht gewinnt, gehört zu den Eigenheiten dieses Spiels. Für Holstein Kiel ist das eine Binse. „Wir hätten den Ausgleich verdient gehabt. Aber so ist das im Fußball. Wir waren einfach nicht konsequent genug“, sagte Meffert, der per Kopf nur noch verkürzen konnte (74.). Und er merkte zu Recht an: „Das verfolgt uns schon durch die ganze Saison.“ Die Niederlage tut weh. Aber sie wird keinen großen Schaden hinterlassen. Das Polster nach unten ist weiter komfortabel. Trotz der im ersten Versuch gerissenen 40-Punkte-Hürde. Klappt’s im zweiten Anlauf, wenn schon am Sonnabend Tabellenführer Arminia Bielefeld (13 Uhr, im KN-Liveticker ) kommt? „Wir wollen die 40 vollmachen“, sagt Wahl kämpferisch. Und wenn das Konto nach dem Spiel bei 41 steht? „Dann setzen wir uns in der Kabine zusammen und schauen, wie die Tabelle aussieht, um uns neue Ziele zu setzen.“ Doch vor der Kür kommt die Pflicht: Das Ding muss einfach öfter über die Linie. Mehr zu Holstein Kiel lesen Sie hier.

Pleite beim VfL Bochum - Holstein Kiel hadert mit der Ausbeute