Bei Holstein sprießen die Schnurrbärte

Der Oberschleifer ist oben ohne. André Filipovic, glatt rasiert wie Gott ihn schuf. „Es fühlt sich komisch an. Ich fühle mich nicht nur nackt – ich sehe auch nicht besser aus“, sagt Filipovic lachend. Der Athletiktrainer von Fußball-Zweitligist Holstein Kiel, Bartträger aus Überzeugung, hat die haarigen Hüllen im Gesicht fallen lassen. Wie jedes Jahr Anfang November. Filipovic trommelt im Rahmen der weltweiten Fundraising-Aktion „Movember“, ein Kofferwort aus Moustache und November, seit nunmehr zehn Jahren für Spenden zugunsten der Erforschung und Prävention von Männerkrankheiten, vor allem Prostata- und Hodenkrebs. Die Idee: Männer lassen sich, beginnend bei null, den gesamten Monat über einen Schnurrbart wachsen als sichtbares Zeichen ihrer Unterstützung für den guten Zweck. Zugleich kann jeder Teilnehmer im Team oder als Einzelperson Spenden einwerben. "Wenn ein Janni Serra sich einen Schnurrbart stehen lässt, hat das eine ganz andere Wirkung": Vor allem im Fußball ist der Movember seit einigen Jahren präsent. Spieler wie Joshua Kimmich oder Benedikt Höwedes lassen oder ließen sich öffentlichkeitswirksam einen „Schnorres“ stehen. Bei Holstein konnte Filipovic auch schon Überzeugungsarbeit leisten: In diesem Jahr ist unter anderem Janni Serra dabei. „Ich bin mit 38 in einem Alter, in dem ich auch mal einen Schnurrbart tragen darf“, sagt Filipovic. „Aber wenn ein Janni Serra sich einen Schnurrbart stehen lässt, dann hat das eine ganz andere Wirkung.“ Von den Spielern, bei denen es nicht sprießt, gibt es dafür indirekten Support – mit ihrer Reichweite über die sozialen Kanäle. Teilen, teilen, teilen. Und gerne auch spenden. Seit Sonntag sind schon rund 1000 Euro zusammengekommen – deutlich mehr als die Hälfte des Gesamtergebnisses vom Vorjahr (1635 Euro) und seine ursprüngliche Zielmarke. „Ich werde mein Ziel noch einmal auf 2000 Euro hochschrauben“, sagt Holsteins Fitmacher. Dabei war eine Weile gar nicht klar, ob er diesmal auch nur einen einzigen Cent einsammeln würde. Lesen Sie auch: Holstein-Verteidiger Phil Neumann für drei Spiele gesperrt „Ich habe lange überlegt, ob ich es wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr überhaupt machen soll“, sagt er nachdenklich. „Irgendwie hat man das Gefühl, dass es auf der ganzen Welt brennt und die Leute genug andere Probleme haben, als dass sie für so etwas im Moment überhaupt empfänglich wären. Aber andererseits: Ich muss mich für irgendetwas engagieren, und das ist meine Herzensangelegenheit.“ Also macht er wieder mit. Aus gutem Grund. „Das Thema Männerkrankheiten ist immer noch akut. Nicht nur die körperlichen Krankheiten“, sagt Filipovic, „sondern auch die psychischen. Mehr denn je.“ Corona treibt Menschen in die Einsamkeit. Eine Gefahr, auf die der Athletiktrainer der Störche ebenfalls ausdrücklich hinweisen will. Und so wirbt er dieser Tage wieder mit voller Überzeugung für seine Message. „Wissen ist Macht“, sagt Filipovic. Aufklären, das Bewusstsein stärken, Vorbeugung fördern – auch und gerade bei „seinen“ Jungs, den Profis von Holstein Kiel. „Ich will ihnen klarmachen, dass sie nicht unzerstörbar sind“, sagt er. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass sein glatt rasiertes Ich im Spiegel irgendwie merkwürdig anzuschauen ist. „Aber ich weiß ja, dass der Bart in den nächsten zwei, drei Wochen wieder kommt“, sagt Filipovic. „Dann ist auch alles wieder gut.“

Spenden-Aktion "Movember" - Bei Holstein Kiel sprießen die Schnurrbärte