Das T regiert die Förde. T wie Tribüne, etwa. Die neue Osttribüne des Fußball-Zweitligisten Holstein Kiel war am Freitagabend zum ersten Mal ausverkauft. Oder T wie Torwart. Interimscoach Ole Werner setzte Dominik Reimann auf die Bank, beförderte Ioannis Gelios zur Nummer eins. Oder eben: T wie Trainer. Zweifellos das größte T von allen. Darf Werner nach seinem Blitz-Debüt weitermachen? Oder setzt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth doch auf den Impuls von außen? Diese Optionen haben die sportlich Verantwortlichen jetzt.
Werner wird’s
Ole Werner wird der Chefposten an der Seitenlinie bei den Störchen grundsätzlich zugetraut. Wohlgemuth jedenfalls hatte bei der Vorstellung seiner Interimslösung schon einmal argumentativ für den Fall einer Weiterbeschäftigung Werners vorgebaut. Man habe sich "ganz bewusst" für den "richtigen Mann" entschieden, der bei der U23 schon gezeigt habe, „dass er einen guten Plan hat“. Nur konnte der 31-Jährige diesen Plan – auch der denkbar kurzen Vorbereitung geschuldet – bei seinem Einstand nur bedingt durchziehen. In Ansätzen präsentierte sich die Elf stabiler, das 1:2 gegen Hannover 96 zeigte aber auch, dass es den Störchen an jeglichem Selbstvertrauen mangelt. Das muss Werner der Mannschaft nun bis zum Sonntag einimpfen, um in Fürth (13.30 Uhr) etwas mitnehmen zu können. Gelingt das nicht, dürfte der Klub umdenken.
Die große Lösung
Wahrscheinlich ist, dass die KSV im Falle einer Rückbeorderung Werners zur U23 keine weiteren Experimente eingeht. Vor der Saison wurden Nachwuchstrainer wie Thomas Reis – mittlerweile beim VfL Bochum als Chefcoach angestellt – gehandelt. In der aktuellen Situation dürfte es aber auf einen Trainer hinauslaufen, der ein gewisses Standing hat. Und Erfahrung im Profibereich. Hier bieten sich in erster Linie jene Trainer an, die einen Namen haben. Und Offensivfußball leben. Denn eine Abkehr vom Markenkern der KSV ist nicht zu erwarten.
Heiko Herrlich wäre so ein Kandidat, ist nach seiner Entlassung im Dezember 2018 in Leverkusen wieder bereit für einen neuen Job, seit dem 1. Juli zudem frei verfügbar. Der frühere Stürmer dürfte aber wohl eher auf ein Engagement in der Bundesliga schielen. Ähnliches hat Bruno Labbadia im Sinn. Nach der gegen Holstein gewonnen Relegation hatte er den VfL Wolfsburg zuletzt in die Europa League geführt – und sieht sich nach Auslaufen seines Vertrages eher in einer internationalen Liga denn im Unterhaus. Anders sieht es da schon bei Markus Weinzierl aus. Der beim VfB Stuttgart krachend gescheiterte Bayer hat sich zuletzt offen für ein Engagement bei einem kleineren Verein geäußert. So wie damals, als er erst Jahn Regensburg in die Zweite Liga führte, dann den Bundesliga-Abstiegskandidaten FC Augsburg zu einem spielstarken Europa-Anwärter formte.
Stallgeruch für Holstein Kiel
Werner habe die "Holstein-DNA", sagte Wohlgemuth bei dessen Vorstellung. Dabei gibt es noch andere Optionen auf dem Markt, die Teile des Kieler Genoms in sich tragen. Der Traum vieler Fans ist natürlich die Rückkehr von Markus Anfang. Der Zweitliga-Aufstiegs- und Fast-Bundesliga-Held der KSV dürfte aber kaum eine Rolle spielen an der Förde – trotz seines Besuchs im Holstein-Stadion am Freitagabend. Der soll allerdings schon lange geplant gewesen sein. Anfang wird andere Optionen haben, zu teuer sein, zudem lebt die Familie weiterhin im Rheinland – nach der Saison 2017/18 einer der Gründe für seinen Wechsel zum 1. FC Köln. Leichter zu haben wäre da schon André Breitenreiter, der Ex-KSV-Profi aber hatte vor seiner Entlassung in Hannover im März nicht die besten Argumente gesammelt. Das gilt in noch extremerem Maße für Alexander Nouri. Für den früheren Kieler spricht nur, dass er früherer Kieler ist. In Ingolstadt ist er gemeinsam mit der Mannschaft untergegangen.
Jung und erfahren
Vielleicht ist es aber die Mischung aus einer gewissen Erfahrung trotz relativer Jugendlichkeit, gepaart mit einem ballbesitzorientierten Spielansatz, der der KSV in dieser Lage weiterhilft. Daniel Meyer ist so ein Hybrid-Trainer. Der 40-Jährige kommt aus der Junioren- und NLZ-Arbeit, führte Erzgebirge Aue in der vergangenen Saison zum Klassenerhalt, ist ein taktisch gut geschulter, flexibler Trainer. Fraglich ist, ob er nach seiner merkwürdigen Entlassung in Aue mit unklaren Hintergründen wieder bereit für eine neue Aufgabe ist. Ebenfalls frei und ein Trainer dieser Kategorie: Hannes Wolf. Dem 38-Jährigen wurde eine Niederlagenserie beim HSV zum Verhängnis, nach dem verpassten Aufstieg musste er gehen. Zuletzt war er beim – mittlerweile versorgten – VfL Bochum im Gespräch. Eine kleinere Lösung aus dieser Schublade wäre Nils Drube, bis April Trainer in Lotte, vorher im Leverkusener Nachwuchs aktiv.
Der Unerwartete
Oder kommt es ganz anders – und Holstein Kiel bedient sich im Supermarkt? In Hamburg gibt es einen Filialleiter namens Holger Stanislawski. Im früheren Leben mal Trainer in Hoffenheim und Köln. Und, natürlich: des FC St. Pauli. Die Kiez-Ikone, die am Donnerstag 50 Jahre alt wird, ist zwar seit 2013 ohne Trainerjob. Aber Stanislawski betonte zuletzt immer wieder, bereit zu sein, den Supermarkt Supermarkt sein zu lassen. "Stani" ist ein Motivator, kann in einer Mannschaft Leben entfachen. Und er ist früherer Mentor von KSV-Assistent Fabian Boll. Pauli-Power für Holstein? Zumindest denkbar. Wie so vieles in diesen Tagen, die enorm spannend werden.
Mehr zu Holstein Kiel lesen Sie hier.