Titel, Trauer, Temperamente

In dem spielt jetzt neben Dierk Schmäschke, Manager der SG Flensburg-Handewitt, und Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau auch dessen Kieler Amts- und Parteikollege Ulf Kämpfer eine Rolle. Kein Titel für BVB - der Aufschrei ist groß: Was war passiert? Bereits zu Beginn der Krise um die Corona-Pandemie hatte die Handball-Bundesliga der Frauen (HBF) die Saison abgebrochen, einen Monat später über die Wertung entschieden. Absteiger gibt es keine, das Abschluss-Klassement wurde per Quotientenregel ermittelt, auf eine Titelvergabe verzichtet – anders als bei den Männern. Der Aufschrei ist groß. Heiermann spricht von "Diskriminierung": Die Spielerinnen von Spitzenreiter Borussia Dortmund posieren im Internet mit montierten Bärten und dem Slogan: „Wäre ich ein Mann, wäre ich jetzt deutscher Meister.“ Dortmunds Handball-Abteilungsleiter Andreas Heiermann spricht von „Diskriminierung“, THW-Nationalspieler Patrick Wiencek findet die Entscheidung „komisch“: „Meiner Meinung nach hätte das genauso bewertet werden müssen wie bei uns. Sprich: Der BVB ist Meister.“ BVB-Präsident Reinhard Rauball sieht den Sport „mit Füßen getreten“ und vermisst „sportliche Argumente“ für die Entscheidung. Andreas Thiel, Vorstandsvorsitzender der autonomen HBF, sieht das anders. Man sei den Empfehlungen des Deutschen Handballbundes (DHB) gefolgt. Einen Meister zu küren, habe der DHB nicht empfohlen. Davon hatte die HBF Abstand genommen, weil erst zwei Drittel der Saison gespielt waren und gleichzeitig noch zwei Mannschaften aus eigener Kraft hätten deutscher Meister werden können. Bei den Frauen erst 70 Prozent gespielt In der Tat waren bei den Frauen erst 70 Prozent der insgesamt 26 Spieltag absolviert – bei den Männern 76 (THW) beziehungsweise 79 Prozent (SG Flensburg-Handewitt). Außerdem trennte Spitzenreiter BVB (34:2 Punkte) und Verfolger Bietigheim (33:3) nur ein Zähler. Am 22. Spieltag wäre es in Ludwigsburg im Rückspiel zum direkten Duell gekommen, hätte die SG BBM Bietigheim aus eigener Kraft vorbeiziehen können. Ulf Kämpfer unterzeichnet offenen Brief: Argumente, die Dortmunds OB Ullrich Sierau (SPD) nicht akzeptiert. In einem offenen Brief forderte er jetzt den HBF-Vorstand zu einem Umdenken in der Meisterfrage auf. „Für mich als ehemaliger Handballer steht die Sportart vor anderen für Fairness. Umso empörender empfinde ich gemeinsam mit den anderen Unterzeichnenden die Tatsache, dass Sie den Handball-Damen des BVB den Meistertitel mit fadenscheinigen Begründungen verwehren“, schrieb Sierau am Montag, adressiert an Andreas Thiel, und forderte diesen auf, „Sportsgeist zu zeigen und den Beschluss zurückzuziehen“. Zu den Unterzeichnern gehören Ex-BVB-Trainer Thomas Happe, der zusammen mit Thiel 1984 Silber bei Olympia holte, und eben der Kieler OB Ulf Kämpfer. Andreas Thiel überrascht: Thiel zeigt sich überrascht über den offenen Brief, sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Ich freue mich, dass die Handballdamen des BVB offenbar ein hohes Ansehen in der Fußball-Metropole genießen. In der Antwort an Oberbürgermeister Sierau werden wir die grundlegenden Argumente für unsere Entscheidung noch einmal erläutern. An unserer Entscheidung, keinen Meistertitel zu vergeben, wird sich nichts ändern.“ Kritik von SG-Manager Schmäschke: SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke hätte sich auch bei den Männern eine Regelung wie bei den Frauen gewünscht. „Es gab überhaupt keinen Druck, gerade jetzt einen Meister festzulegen“, sagte Schmäschke in der „Sport Bild“. „Gerade in der noch ausstehenden Saisonphase hätte noch so viel passieren können.“ Bei Abbruch der Saison lag die SG vier Punkte hinter dem THW Kiel, der noch beim Nord-Rivalen hätte antreten müssen. Für Schmäschke, der noch vor dem Saisonabbruch betont hatte, nicht „großartig lamentieren oder etwas infrage stellen“ zu wollen, sei nun „nicht nachzuvollziehen, warum man in derselben Sportart zwei unterschiedliche Entscheidungen trifft. Das ist unnötig, da hätte ich mir eine ganzheitliche Vorgehensweise gewünscht.“ In der A-Jugend war die SG am Freitag neben den Füchsen Berlin zu einem von zwei deutschen Jugendmeistern ernannt worden und hatte den Titel auf ihren Kanälen bejubelt. Szilagyi: "BVB-Frauen werden instrumentalisiert": Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer zieht in puncto Meisterschaft in HBF und HBL eine andere Konsequenz als Schmäschke: „Ich kann mich glücklich schätzen, jetzt einen deutschen Meister in der Stadt zu haben. Ich teile die Grundaussage des offenen Briefes und wollte mich mit meinem Kollegen Ullrich Sierau solidarisch erklären.“ Viktor Szilagyi, Geschäftsführer des THW Kiel, reagierte am Mittwoch gelassen auf die Debatte. „Ich finde es schade, dass sich die BVB-Frauen nicht für ihre starke Saison belohnen konnten“, so der Österreicher. „Aber leider werden sie jetzt auch von verschiedenen Seiten instrumentalisiert.“ Die Entscheidung, bei den Männern und in der Jugend Meister zu küren, sei „absolut verdient und von vielen anerkannt“. Es sei, so Szilagyi weiter, „grotesk, wenn jetzt der Männerhandball dem Frauenhandball vorschreiben will, wie er sich verhalten soll“. Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein So viele bestätigte Corona-Fälle gibt es in Schleswig-Holstein Neue Lockerungen ab 4. Mai in Schleswig-Holstein Start der Maskenpflicht: Das sind die Probleme der Schleswig-Holsteiner Masken nähen: Welcher Stoff ist am besten geeignet? Fünf Tipps rund um die Maskenpflicht Corona-Krise schlägt hart auf den Arbeitsmarkt durch Rendsburg-Eckernförde: Kreis-Mitarbeiter mit Corona infiziert Corona: Geduld der Gastronomen ist am Ende Corona-Lockerungen: Diese Klassen dürfen demnächst zurück in die Schule Wann kommt Einkaufen auf großer Fläche in Schleswig-Holstein? 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