Weniger Druck, mehr Handball-Liebe

Andreas Wolff hat eine spielfreie Woche hinter sich. Während seine Teamkollegen von Vive Kielce sich am Dienstag auf die viereinhalbstündige Auswärtsfahrt nach Lubin machten und dort mit 35:25 gewannen, blieb der Nationaltorwart zu Hause. "Pausenrotation", nennt Kielce-Trainer Talant Dujshebaev das. "Das Kräfteschonen, das in der Bundesliga nicht möglich ist", sagt Wolff. Der Torwart soll für das Duell gegen seinen Ex-Klub am Sonnabend (18 Uhr) topfit sein. "Das ist ein sehr wichtiges Spiel für uns. Es wäre eine Enttäuschung, wenn wir den dritten Platz nicht halten könnten", sagt Wolff. Während THW Kiel und Veszprém die Plätze eins und zwei schon sicher haben, könnte Montpellier Kielce bei einer Niederlage der Polen noch überholen. Kielce will Flensburg und Barcelona aus dem Weg gehen: In diesem Fall drohen Wolff und Co. ein Achtelfinale gegen die SG Flensburg-Handewitt und ein Viertelfinale gegen den FC Barcelona. "Von daher ist es für uns ein absolutes Muss-Spiel", sagt der 28-Jährige, der die gewonnene Freizeit in Polen unter anderem dazu nutzt, viel Bundesliga-Handball zu schauen. "Ein Stück weit vermisse ich die Bundesliga auch", gibt er zu. "Der Wettbewerb ist schon sehr attraktiv und auch die Hallen in Deutschland sind teilweise besser besucht. Und die Autobahnen fehlen bei den Reisen sehr." Abgesehen von den Auswärtstouren über Landstraßen und polnische Dörfer ist Wolff knapp ein Dreivierteljahr nach seinem Weggang aus Kiel in Kielce längst richtig angekommen. "Ich fühle mich sehr, sehr wohl. Die Mannschaft ist fantastisch, das Umfeld ist großartig. Es macht einfach Spaß, hier zu leben und zu spielen." Weniger Druck, mehr Liebe: Dass in der polnischen Liga der Sieger aufgrund ungleicher Kräfteverhältnisse meist schon vor dem Anpfiff feststeht, bereitet dem Keeper keine Motivationsprobleme. In der Liga verzeichnet er im Schnitt Fangquoten von 38,4 Prozent, in der Königsklasse wurde er dreimal in die Mannschaft des Spieltages gewählt. Nur bei Dauer-Vizemeister Plock verlor der Serienmeister in dieser Spielzeit knapp mit 26:27, die übrigen Partien gewann die Mannschaft von Trainer Talant Dujshebaev im Schnitt mit zwölf Toren. Langweilig? "Im Gegenteil", sagt Wolff. "In der Bundesliga muss man jeden Gegner richtig ernst nehmen und kann nicht hinfahren und sagen ,Oh, ich hab richtig Bock Handball zu spielen'. Man kann nicht einfach machen, was man liebt, sondern es ist immer eine gewisse Erwartungshaltung und Druck dabei. Das ist in vielen unserer Spiele einfach anders. Natürlich müssen wir gewinnen, aber wir können ein Stück weit auch genießen." Köln das größte Ziel: Gemeinsam mit der polnischen Torwart-Legende Slawomir Szmal, der sechs Jahre für die Rhein-Neckar-Löwen auflief und inzwischen in Kielce als Torwarttrainer arbeitet, feilt Wolff an seinen Fähigkeiten. "Wir reden viel. Das gibt mir Halt und Sicherheit." Auch im Kapitänsamt, das Dujshebaev ihm mit seiner Ankunft übertrug, hat er Unterstützung von Spielmacher Igor Karacic und Trainersohn Alex Dujshebaev. "Aber insgesamt ist die Mannschaft sehr, sehr professionell und braucht eigentlich gar nicht so viel Anleitung", sagt Wolff. Viermal qualifizierte sich der Klub für das Final Four in Köln, 2016 feierten die Polen ihren ersten Champions-League-Titel. Seither ist Köln jedes Jahr das große Ziel. "Das ist noch ein harter Weg für uns", weiß Wolff. Was er hingegen nicht weiß, ist, was ihn und seine Teamkollegen im Spiel gegen den THW Kiel erwartet. "Ich habe den THW in Brest gesehen ( 30:33-Niederlage, d. Red. ). Da hat er nicht den typischen Auftritt einer Kieler Mannschaft hingelegt. Mal schauen, wie viel Prozent sie bereit sind in die Waagschale zu werfen für ein Spiel, das für sie eigentlich nichts bedeutet." Was den THW in Kielce erwartet, weiß er umso besser. "Die Halle ist in der Champions League immer berstend voll. Und wir werden das Spiel mit jedem kämpferischen Willen führen." Mehr zum THW Kiel lesen Sie hier.

Andreas Wolff in Kielce - Weniger Druck, mehr Handball-Liebe