Bayern München spielt, THW Kiel nicht: Die große Quarantäne-Frage im Profisport

Es gibt in der Sport-Szene einen Vergleich, der bei so manchem Fan des THW Kiel gemischte Gefühle auslöst: Die Zebras seien der FC Bayern München des Handballs. Rekordmeister, Champions-League-Sieger, seit Jahren der prägende Klub in der Ära ihres Sports. So weit, so die offensichtliche Gemeinsamkeiten. Doch in der Corona-Krise hinkt der Vergleich. Zwar haben beide Mannschaften derzeit mit Corona-Fällen in ihren Reihen zu kämpfen. Aber während der FC Bayern München nach Bekanntwerden einiger Corona-Fälle in der Mannschaft mit den negativ getesteten Spielern aus dem Kader zur Vereins-WM nach Doha reiste und dort den sechsten Titel der Saison 2019/20 einsammelte, sitzen die Handballer des THW Kiel alle zu Hause in Quarantäne und sammeln Nachhol-Spiele in einer schon jetzt zum Bersten mit Terminen gefüllten Rest-Saison. Keine Spielabsagen in der Ersten Fußball-Liga, 19 im Handball: Noch kein Pflichtspiel ist in der Fußball-Bundesliga wegen Corona-Infektionen in dieser Spielzeit abgesagt worden. Im Handball sind es bereits 19. Warum dreht sich die Fußball-Welt weiter, während bei den Handballern ein positiver Test – oder wie bei der HSG Wetzlar kürzlich auch nur ein Verdachtsfall, der sich als unbegründet herausstellte – reicht, um einen ganzen Verein lahmzulegen? Lesen Sie auch: THW-Trainer Jicha: "An Zielen ändert sich nichts" Die Antwort liegt in den Händen von Politik und Gesundheitsämtern. Das in Kiel entschied, den kompletten THW-Kader für 14 Tage in Quarantäne zu schicken. Im Dezember, als erstmals drei Spieler positiv getestet wurden, konnten sich die gesunden Zebras nach zehn Tagen durchgängiger Negativ-Tests aus der Quarantäne „freitesten“. Mutante verschärft Regeln in Kiel: Die derzeit strengere Regelung ist in der sich schneller ausbreitenden Virus-Mutante begründet. Deshalb haben sich in Schleswig-Holstein Sozialministerium und Gesundheitsämter darauf geeinigt, die Verkürzung von Quarantänen vorläufig auszusetzen. Die Ungleichbehandlung von Handball und Fußball ist damit noch nicht zu erklären. Das Münchner Gesundheitsreferat betonte auf Anfrage unserer Zeitung, gemäß den Kriterien des Robert-Koch-Instituts die infizierte Person sowie die Kontaktpersonen ersten Grades (Personen, die länger als 15 Minuten, näher als 1,5 Meter ohne Mundschutz Kontakt zur infizierten Person hatten) zu ermitteln und gemeinsam mit dem oder der Infizierten unter 14-tägige Quarantäne zu stellen. Müller reiste im Privatjet nach München zurück: Dieses Vorgehen werde „bei jeder infizierten Person angewendet, unabhängig von ihrer Profession, Vereins- oder Ligaangehörigkeit“. Die Mannschaftskameraden, die mit dem während des Aufenthalts der Bayern in Katar positiv getesteten Thomas Müller im Flugzeug gesessen hatten, scheinen dennoch nicht als Kontaktpersonen ersten Grades zu gelten. Nach seinem positiven Test wurde der Weltmeister von 2014 in einem Privatjet und mit Schutzanzug nach Hause geflogen, wo er seine Quarantäne fortsetzte. Andere Situation bei Holstein Kiel im Herbst: Im Fußball ist dieses Vorgehen zur Regel geworden. Auch beim Zweitligisten Holstein Kiel hatte es im Oktober einen Corona-Fall gegeben, bei dem der betroffene Torhüter Thomas Dähne vom Rest der Mannschaft isoliert worden war, die Kollegen am Tag darauf nach anberaumten Nachtests – alle negativ – schon wieder ins Training einsteigen konnten. Die Situation war damals aber auch grundlegend anders: Die Sieben-Tage-Inzidenz in Kiel etwa lag Mitte Oktober bei gerade einmal 5. Vier Monate später werden die Zügel angezogen. Der Fall Müller fällt da ziemlich deutlich aus dem Rahmen: Die übrigen Bayern treten heute Abend gegen Arminia Bielefeld an. Die Handballer lässt das etwas ratlos zurück. „Auf den ersten Blick habe ich das auch nicht verstanden“, gab Benjamin Chatton, Vorstand Finanzen und Recht beim Deutschen Handballbund (DHB) am Sonntag bei Sky zu. HBL-Chef Bohmann fordert gleichen Maßstab: Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wir wollen mitnichten, dass der FC Bayern oder der Fußball schärfer behandelt wird“ und stellte eine Vermutung an: „Ich glaube, viele Gesundheitsämter sind noch immer der Auffassung, Indoor-Sport sei gefährlicher als Outdoor-Sport.“ Dabei habe die Erfahrung der letzten Monate gezeigt, dass die positiv getesteten Fußball-, Handball-, Basketball- und Eishockey-Spieler sich in der Regel im privaten Umfeld, nicht im Wettkampf- oder Trainingsbetrieb, angesteckt hätten. „Von daher hielte ich es für richtig, da den gleichen Maßstab anzulegen“, sagt Bohmann und betont: „Und da möchte ich mich lieber am Maßstab Fußball orientieren. Wir brauchen eine gemeinschaftliche Lösung. Die muss sich am Machbaren orientieren. Und das tut es im Handball und anderen Sportarten aus meiner Sicht gerade nicht.“ Er habe Verständnis für die Vorsicht einiger Gesundheitsämter. „Aber die Lösung kann ja nicht sein, noch weitere Monate alle wegzuschließen. Sonst wird es sehr schwer für alle Beteiligten, zurück zur Normalität zu finden.“ Von Merle Schaack und Marco Nehmer

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