"In diesem Spielplan ist nirgendwo Luft"

Am Donnerstag beginnt die neue Saison in der Handball-Bundesliga. Was ist das stärkere Gefühl bei Ihnen: Vorfreude oder Sorge? Alfred Gislason: Alle sind erleichtert, dass es jetzt überhaupt losgeht. Ich auch. Aber wir wissen alle, dass es ein strammes Programm wird. Das wird heftig. Und ich als Bundestrainer hoffe besonders, dass die Nationalspieler so gut wie möglich durchkommen. Johannes Golla und Jannik Kohlbacher sind schon verletzt, umso mehr sorge ich mich jetzt auch um die Kieler Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler. Die Vorbereitung war sehr lang, alle haben sehr gut gearbeitet. Wichtig wird sein, die Belastung in den Kadern auf möglichst viele Schultern zu verteilen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Sorge im Handball weiterhin groß. Auch ich mache mir Sorgen. Wir alle hoffen, dass alles gutgeht, dass die Maßnahmen greifen. Aber Handball, Eishockey, Basketball haben nicht die TV-Gelder wie der Fußball. Eine Rückrunde ohne Zuschauer – dann müsste die Hälfte der Liga ums Überleben kämpfen. Nur eine Woche Pause bis zur nächsten Saison: Auch Ihnen als Bundestrainer lässt der Spielplan kaum Spielräume. Genau. Ich habe eine Woche mit der Mannschaft im November. Allerdings: Am 1. November wird in der Bundesliga noch gespielt, am Montag ist Anreise, also habe ich bis zum Spiel gegen Bosnien und Herzegowina am 5. November nur zwei Trainingseinheiten. Da muss schon alles gut klappen. Dann treffen wir uns wieder am 2. Januar und haben direkt zwei EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich. Danach beginnt die Weltmeisterschaft in Ägypten. Ich nehme, was ich kriegen kann. In diesem Spielplan ist nirgendwo Luft. Im März haben wir noch die Olympia-Quali. Sollte das klappen, liegt zwischen Saisonende und Olympia-Vorbereitung gerade einmal eine Woche. Lesen Sie auch: Stimmen zum Supercup-Gewinn des THW Kiel Darum wurde besonders die WM in Ägypten kontrovers diskutiert. Die THW-Klubführung hat sich für eine Absage ausgesprochen. Ich halte die WM für sehr wichtig, und die Ägypter werden alles daransetzen, dass das Turnier auch unter Corona-Bedingungen funktioniert. Es wäre ein Desaster, würde eine Nation wie Deutschland nicht zur WM anreisen. Das wäre für die nächsten Jahrzehnte kaum zu reparieren. Lesen Sie auch: THW-Aufsichtsrat präferiert WM-Verschiebung Wie gefällt Ihnen das, was Sie vom THW Kiel seit Ihrem Abschied sehen? Gut. Ich war natürlich – wie alle anderen – sehr enttäuscht von der Niederlage gegen Nantes, fand den Auftritt in Zagreb gut, im Supercup sehr gut. Nach dem Abgang von Lukas (Nilsson, d. Red.) trifft den THW die schwere Verletzung von Niko (Nikola Bilyk, d. Red.) extrem. Drei Rückraum-Rechtshänder für zwei Positionen bei dem Programm mit Bundesliga und Champions League – das ist heftig. Da darf nichts mehr passieren. Viele taktische Dinge, die wir jahrelang gespielt haben, sind noch da. Aber Filip (Jicha, d. Red.) ändert nach und nach Sachen, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Es läuft gut. So etwas wie die Partie gegen Nantes kann passieren. Gislason sieht Sechsergruppe an der Liga-Spitze: Wie schätzen Sie die anstehende Bundesliga-Saison ein? Diese Saison ist wirklich schwer vorauszusagen. Zwei Verletzungen in einem Verein können alles auseinanderbringen. Aber ich sehe eine Sechsergruppe, die um den Titel spielt. Dazu gehören meiner Meinung nach die Füchse, die einen breiten Kader haben und sich mit Andersson, Michalczik, Chrintz gut verstärkt haben. Dann der SC Magdeburg, die Rhein-Neckar Löwen, die auf Augenhöhe sind und gewiss nicht tiefstapeln dürfen. Oder die MT Melsungen, die davon profitieren könnte, dass sie aus der European League rausgeflogen ist und als einziges Top-Team keine Doppelbelastung hat. Das wären vier Teams. Und ganz vorne sehen Sie den THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt? Die beiden sehe ich in der Tat ein bisschen weiter oben. Flensburg hat sich gut ergänzt. Der THW hat mit Sander Sagosen den Super-Transfer getätigt. Aber jetzt ist Niklas Landin verletzt, Bilyk fällt lange aus. Eine weitere Verletzung kann schon problematisch für Kiel werden. Was wäre, wenn Sagosen oder Domagoj Duvnjak noch ausfallen? Den THW würde es heftig erwischen, weil jeden dritten Tag ein Spiel ansteht. Eine Verletzung ist immer zu verkraften, dann kommt die zweite, die dritte. Ich habe das 2016 ja erlebt mit Weinhold, Wiencek, Toft Hansen, Dissinger. Dann wird es immer härter und härter. Interview: Tamo Schwarz Mehr zum THW Kiel lesen Sie hier.

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