Ex-Zebra Marko Vujin ist plötzlich THW-Gegner

Ein Gespräch mit Marko Vujin verläuft nie ohne Emotionen. Für den 36-Jährigen, der mit dem THW in seinen sieben Jahren in Kiel mehrfach deutscher Meister und Pokalsieger wurde, ist Handball Hingabe. Ein Klub im besten Fall eine Familie. Und Familie ohnehin ein Heiligtum. Das alles wurde erschüttert, als der Serbe nach 340 Spielen in Serie für den Rekordmeister im März 2019 schwer erkrankte. Über die genaue Diagnose schweigt Vujin. Fakt ist: Nach der nötigen Operation bis zum Ende des auslaufenden Vertrags im Juni war ihm kein Einsatz mehr für den THW möglich. Nun ist der Rückraumspieler bei Pick Szeged zurück im Rennen ums Final Four der Champions League. Und sieht dem Achtelfinal-Duell mit dem THW Kiel (18.45 Uhr, Liveticker auf KN-online ) mit gemischten Gefühlen entgegen. Zuerst das Wichtigste: „Mir geht es gut, ich bin fit“, sagt Vujin. Erst rund zwei Wochen ist es her, dass der ungarische Top-Klub ihn als Ersatz für den verletzten Luka Stepancic verpflichtete. „Ich habe ein gutes Gefühl. Szeged ist ein sehr professioneller Verein.“ Ruhe in Portugal und Chaos in Skopje nichts für Vujin: Seit seinem Weggang aus Kiel hat Vujin das nicht mehr erlebt. Zuerst unterschrieb er bei Sporting Lissabon. Vor allem, weil die Rahmenbedingungen in Portugal seiner Genesung zuträglich waren. „Mein Körper war noch nicht bereit für einen Top-Klub. Und das Klima in Portugal geeignet. Das war eher, um etwas Ruhe und eine schöne Zeit zu haben.“ Doch noch bevor Corona kam und die Handball-Welt zwischenzeitlich zum Stillstand brachte, stellte Vujin fest: „Das war nichts für mich. Nicht für jemanden, der sein Leben lang um Titel gespielt hat.“ Also ging es im Juli 2020 mit Ehefrau Tijana und Söhnchen Matej weiter nach Nordmazedonien, wo Vardar Skopje seit Jahren irgendwo zwischen Champions-League-Titeln (2017, 2019) und finanziellen Abgründen taumelt. Zu viel Chaos für den Linkshänder. „Ich habe am ersten Tag gesehen, wie viele Probleme es dort gibt. Schlechte Kommunikation, ältere Spieler, die dem Trainer keinen Respekt entgegenbringen, schlechte Stimmung in der Mannschaft.“ Enttäuscht vom THW Kiel: Nun also Szeged. Ein Verein, der schon 2019 anfragte, als Vujin sich langsam zurückarbeitete. Und dann wird der Zwei-Meter-Mann emotional, Enttäuschung bricht sich Bahn. „Damals war mein Körper noch nicht bereit für Szeged. Hätte der THW meinen Vertrag noch um ein halbes Jahr verlängert, hätte ich direkt hierher wechseln können. Das Nein vom THW hat mich und meine Familie tief getroffen.“ Allerdings nicht unvorbereitet. Denn THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi hatte Vujin bereits eineinhalb Jahre vor Ablauf dessen Vertrags mitgeteilt, dass Harald Reinkind sein Nachfolger im rechten Rückraum werden solle, er in der Planung dann dritter Spieler auf dieser Position sei. Zudem stellte Szilagyi es ihm deshalb frei, sich bereits ein Jahr früher einen neuen Klub zu suchen. „Er hat sich dagegen entschieden, was ja auch völlig in Ordnung war“, sagt Szilagyi. „Deshalb sind wir dann mit drei Halbrechten in die Saison gegangen.“ Eine Vertragsverlängerung darüber hinaus habe nach einem Jahr ohne Champions-League-Einnahmen „sportlich wie wirtschaftlich nicht in unsere Planungen gepasst“. Knapper Abschied aus Kiel: So fiel Vujins Abschied aus Kiel knapp aus, wurde nach dem Saisonauftakt 2019/20 gegen die Eulen Ludwigshafen vollzogen. Das war nicht nach dem Geschmack des Bundesliga-Torschützenkönigs 2014. „Noch einmal im weißen Trikot auflaufen, noch einmal einen Siebenmeter werfen. Das hätte mir mehr bedeutet, als die ganzen sieben Jahre zusammen“, sagt der 36-Jährige, dem seine Emotionen in seinen Kieler Jahren gelegentlich auch im Weg standen. Lief es auf dem Feld nicht, landete er in einer Abwärtsspirale. Pfiffe vom eigenen Publikum nahm er sich sichtlich zu Herzen, ließ sich verunsichern. Und auch wenn die Fans ihm gerade wohlgesonnen waren, wirkte der Serbe, dessen Stärken weder im Eins-gegen–Eins noch in der Abwehr liegen, zusehends wie ein Fremdkörper im THW-Spiel. Erstes Spiel für neuen Klub gegen den THW Kiel: Trotz allem hat er die Zeit in Kiel als bislang erfüllendste in seiner Karriere abgespeichert. „So ein Gefühl wie in Kiel versuche ich noch immer wiederzufinden. Ich habe heute noch Kontakt zur halben Mannschaft. Das ist wie Familie.“ Gegen die wird er das am heutigen Mittwoch zum ersten Mal für seinen neuen Klub auflaufen. Ausnahmsweise mal recht emotionslos. „Das ist mein Job“, sagt er. Und: „Der THW ist als Titelverteidiger der klare Favorit.“ Was wirklich wichtig ist: Vielleicht findet Vujin in Szeged eine neue Handball-Familie. Sein Vertrag läuft bis Saisonende, beinhaltet eine Option auf ein weiteres Jahr. „Ich möchte einfach so lange Handball spielen, wie es geht, und das genießen.“ Irgendwie geht es immer weiter, das hat Vujin in den letzten Jahren gelernt. Und auch, dass Sport, Erfolg, Verträge und Enttäuschungen nicht alles sind im Leben. „Ich bin gesund, meine Familie ist gesund – das ist das Wichtigste.“

Champions League - Marko Vujin ist nach Vereinswechsel plötzlich THW-Gegner